14.02.2018 - Nadine Kleve-Osterhues -4 MinutenMitarbeiter finden
Nachwuchskräftemangel? Gibt es nicht bei Malermeister Hermann Maracke. Viele der Lehrlinge in seinem Betrieb sind Geflüchtete. Dass diese Menschen eine große Chance für Unternehmen in ganz Deutschland sind – davon ist der Hamburger überzeugt.
Hermann Maracke, Geschäftsführer von Germann Malermeister in Hamburg
„Es gab kaum eine Phase in meiner Karriere, in der ich nicht nach Nachwuchskräften gesucht habe. So ging es mir bis 2015, als so viele Flüchtlinge in Deutschland ankamen. Damals besuchte ich den Marktplatz der Begegnungen, ein Jobevent für Flüchtlinge. Handwerksbetriebe aus der ganzen Region stellten sich den Menschen aus Syrien, Irak, Iran und Afghanistan vor.
Die Leute konnten kaum Deutsch sprechen, aber viele von ihnen hatten Vorkenntnisse im Malerhandwerk oder in einem anderen technischen Beruf. Was jedoch wichtiger war: Ich konnte ihren unbedingten Willen sehen. Der begegnet mir heute nur ganz selten. Eigentlich kenne ich den nur von meinem Vater. Der hat uns in den harten Nachkriegsjahren als Schuhmacher durchgebracht und trotzdem nie aufgehört, seinen Beruf zu lieben. Wenn sich heute ein junger Mensch bei mir vorstellt, kann ich recht gut einschätzen, ob er das Zeug dazu hat, eine Ausbildung durchzuziehen. Das sind nicht viele.
An jenem Nachmittag nahm ich innerhalb von zwei Stunden 30 Bewerbungen mit. 15 davon wählte ich aus und lud die Leute zu Gesprächen ein. Auch Morteza Shahrabi Farahani war darunter. Der damals 41 Jahre alte Iraner konnte kaum Deutsch sprechen, berichtete aber von viel Erfahrung als Maler. Er kam mehrfach zu mir und sagte, wie wichtig ihm ein Bewerbungsgespräch sei. Wir luden ihn ein und ließen ihn ein kurzes Praktikum absolvieren. Obwohl der Malerberuf im Iran nicht mit den neuesten Malertechnologien ausgeübt wird, bewies er seine Begabung und Sorgfalt beim Streichen. Und er zeigte Ehrgeiz: Er arbeitete täglich von 7 bis 16:15 Uhr und besuchte danach noch bis 22 Uhr Deutschkurse. Heute hat er das Leistungsniveau B1, kann sich ausdrücken und viel verstehen. Die Berufsschule mit Fächern wie Chemie und Physik ist selbst für deutsche Auszubildende nicht leicht, daher stellt unser Betrieb ihm zusätzlich noch einen Nachhilfelehrer. Leute wie Herr Farahani motivieren mich enorm.
Zitat:„Viele rieten mir sogar davon ab, Flüchtlinge einzustellen.“
Hermann Maracke, Geschäftsführer Germann Malermeister
Mir begegnen heute viele junge Menschen, die die Nase rümpfen, wenn sie an einem Farbeimer vorbeigehen. Studieren ist doch cooler! Flüchtlinge kennen diesen Dünkel nicht. Das liegt auch daran, dass Handwerksberufe in ihren Heimatländern viel höher angesehen sind als bei uns. Sie erkennen ihre Perspektiven: Nach der Ausbildung haben sie einen Beruf, sie können aufsteigen oder vielleicht einmal einen eigenen Betrieb leiten.
Heute sind elf von 13 Auszubildenden in meinem Betrieb Flüchtlinge, und ich bin schon lange nicht mehr auf der Suche nach Nachwuchs. Ich kann ihn mir aussuchen. In einem Jahr wird Herr Farahani die Prüfung zum Maler absolvieren. Wenn er es schafft, werde ich ihn übernehmen. Dann bekommt er auch seine Aufenthaltsgenehmigung und ist endlich nicht mehr nur „geduldet“. Ich glaube, das offizielle Dazugehören gibt Menschen wesentlich mehr Selbstbewusstsein.
Anderen Unternehmern kann ich nur raten, Flüchtlingen eine Chance zu geben. Anfangs stieß ich nicht immer auf Verständnis bei Kollegen aus der Branche. Viele rieten mir sogar davon ab, Flüchtlinge einzustellen: ,Bist du verrückt, das schaffen die nie‘, sagten sie. ,Die brechen ab, sind faul, lassen dich im Stich …‘ Das war 2015. Heute spricht keiner mehr so mit mir. Sie haben sich alle getäuscht.“