„Employer Branding ist ein Marathon, kein Sprint“

Den Fachkräftemangel mit Social Media beheben: Wie man mit Geschichten statt klassischem Recruiting punktet, erklärt HR-Experte Andreas Herde.


04.08.2021 - Maria Zeitler -5 MinutenMitarbeiter finden

Um die dringend benötigten Fachkräfte und Talente von morgen zu finden, reichen Stellenangebote auf der Karriereseite nicht aus. Hier muss die ganze Kraft von Social Media genutzt werden. Wie das am besten geht und was man unbedingt vermeiden sollte, weiß Andreas Herde, der als Gründer und CEO der Agentur YeaHR! schon zahlreiche Firmen erfolgreich zum Thema Employer Branding beraten hat.

Faktor A: Wie wichtig ist Social Media für Unternehmen, die verzweifelt nach Fachkräften suchen?

Andreas Herde: Es ist vor allem wichtig, sich über den Unterschied zwischen Employer Branding und Recruiting klar zu werden. Das sind zwei unterschiedliche Dinge: Das rein operative Besetzen offener Stellen oder gar Stellenanzeigen funktionieren in den meisten sozialen Netzwerken nicht besonders gut. Was aber gut funktioniert, ist Personalmarketing: Um eine Marke zu inszenieren, ein Unternehmen greifbar zu machen und als attraktiven Arbeitgeber darzustellen, gibt es keine bessere Möglichkeit als Social Media.

Wie geht das konkret?

Indem man Geschichten erzählt. Zuerst einmal muss man als Unternehmen identifizieren: Was ist unsere Employer Brand, wie arbeiten wir, und was wollen wir sein? Dann kann man sich an ein paar Mega-Themen bedienen:

1. Vorstellung: Das Unternehmen und seine Mitarbeiter zeigen, da findet sich vielleicht auch auf der „Über uns“-Seite schon brauchbares Material.
2. Digitalisierung: Jedes Unternehmen macht da gerade seine Reise und hat etwas zu erzählen.
3. Corona: Was für ein Arbeitgeber möchte ich nach der Pandemie sein? Wie viel Homeoffice und wie viel remote wird möglich sein? Wirklich jedes Unternehmen hat über die Corona-Zeit Geschichten zu erzählen. Ob es kreative Lösungen oder auch Stolpersteine waren: Da schlummert eine Menge Content.
4. Nachhaltigkeit: Wenn ich Papp- statt Plastikbecher verwende: erzählen. Wenn ich als Team gerade einen Bienenstock gemietet habe: erzählen. Das ist ein Thema, das immer und jederzeit bespielbar ist. Und es spielt für die Talente zwischen 20 und 40 eine große Rolle, denn sie wollen in möglichst nachhaltigen und klimabewussten Unternehmen arbeiten.
5. Diversity: Bilden Sie das Unternehmen in all seiner Vielfalt ab, in der maximalen Bandbreite. Also lassen Sie nicht nur die Highflyer und den Chef auf Social Media reden, sondern auch die Azubis, den Quereinsteiger, Steffi aus dem Einkauf.

Und auf welchen Kanälen sollte man dann mit den Geschichten unterwegs sein, um die Fachkräfte zu erreichen?

Andreas Herde
© yeaHR! - Andreas Herde

Zunächst mal: Auf Facebook erreicht man Leute unter 40 heute eigentlich nicht mehr. Dort sind die eigenen Eltern unterwegs, da will sich die jüngere Generation abgrenzen. Und dann fängt es an, sich zu zerfasern, einen Teil finde ich noch auf Instagram, da funktioniert auch Employer Branding mit Geschichten recht gut. Gamer bewegen sich auf Twitch, da könnte ich junge IT-Talente oder potenzielle Azubis fürs Handwerk erreichen. Auf TikTok ist die ganz junge Generation unterwegs, da kommt man aber natürlich mit Text nicht weiter – da sind kurze, knackige Videos gefragt. Professionals erreicht man auf Xing und LinkedIn. Twitter hat sicher nichts mit jungen Leuten und auch nichts mit Employer Branding zu tun. Für Azubis im handwerklichen Bereich könnte ich mir unter Umständen noch Pinterest vorstellen.

Wie finde ich denn nun raus, wo meine Zielgruppe unterwegs ist?

Das ist wirklich ein Hase-Igel-Spiel. Ich investiere ja erst einmal Zeit, stelle Content ein, poste meine Geschichten und baue eine Community auf. Employer Branding muss man immer als Marathon verstehen. Das ist kein Sprint. Und dann kann es passieren, dass man denkt, jetzt hat man festen Stand unter den Füßen – und dann ist die Zielgruppe wieder weg. Dann muss man hinterher.

Zitat:

"Einfach mal machen. Es gibt keine bessere Strategie, um zu sehen, wie gut es funktioniert."

Sehr zeitaufwendig. Lohnt sich das auch für kleine und mittlere Unternehmen?

Natürlich muss man sich völlig im Klaren darüber sein, dass Content-Erstellung ein Aufwand ist, ich brauche schöne Bilder oder sogar Videos, Texte, und vor allem muss ich diese regelmäßig posten. Doch ich würde allen KMU sagen: Der Aufwand lohnt sich. Beginnen kann man damit, erst einmal kanalunabhängig zu denken und sich zu fragen: Mit welchem Argument will ich rausgehen, was will ich zeigen? Und dann: einfach mal machen. Es gibt keine bessere Strategie, um zu sehen, wie gut es funktioniert und was gut funktioniert.

Welche Rolle sollten die eigenen Mitarbeiter beim Employer Branding spielen?

Das sind zwei Dinge: Zunächst dürfen sie als Markenbotschafter auf Social Media eingesetzt werden, um zu zeigen, welche Menschen in dem Unternehmen arbeiten, um ihre Geschichten zu erzählen und das Unternehmen für Bewerber greifbar zu machen. Dabei sollte man sich bewusst machen, dass sich nicht jeder für Bewegtbild eignet – auch gute Fotos mit griffigen Zitaten sind eine gute Geschichte. Datenschutz und Bildrechte abzuklären ist dabei wichtig – das gilt nicht nur für gedruckte Flyer, sondern auch und gerade für Inhalte in den sozialen Netzwerken. Und zweitens sind die Mitarbeiter natürlich auch Markenbotschafter über ihre eigenen Social-Media-Kanäle und können Beiträge des Unternehmens liken und teilen. Das lässt sich aber nicht kontrollieren und muss freiwillig bleiben, um glaubwürdig zu sein. Es gilt sowieso: Wenn in der Belegschaft Unzufriedenheit herrscht, ist es schwer, in Social Media zu punkten. Da kann man nicht einen vom Pferd erzählen.

Was ist eigentlich ... 

Employer Branding

Employer Branding bedeutet, die Employer Brand (also die Arbeitgebermarke) nach außen positiv darzustellen. Sich als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren und sich vor allem gegenüber Wettbewerbern abzuheben, ist nicht erst seit dem Fachkräftemangel ein wichtiges Marketing-Instrument. Flexible, familienfreundliche Arbeitsmodelle und andere Benefits zu kommunizieren, ist dabei ebenso wichtig, wie die eigenen Mitarbeiter als Markenbotschafter einzusetzen. Mit Employer Branding werden auch passiv suchende Fachkräfte angesprochen, auf die mittlerweile kaum ein Unternehmen verzichten kann und die man mit klassischem Recruiting und Stellenanzeigen nicht erreicht.
 

Wer ist eigentlich ...

Andreas Herde

Andreas Herde ist Gründer und Geschäftsführer von YeaHR! und spezialisiert auf Employer Branding und Recruiting. Die Agentur wurde 2015 in Düsseldorf gegründet und ist als HR-Dienstleister mehrfach ausgezeichnet worden. Zuvor war Herde Geschäftsführer mehrerer Online-Agenturen und zwei Jahre im E-Business bei Vodafone Deutschland tätig. YeaHR! führt er zusammen mit seiner Frau Kristen Herde, die 15 Jahre internationale HR-Erfahrung gesammelt hat.
 

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Titelfoto: © Feodora Chiosea/iStock