02.12.2020 - Nele Justus -8 MinutenMitarbeiter finden
Die Porzellanfabrik Hermsdorf in Thüringen lebt vor, wie Inklusion geht: Ein Zehntel der Mitarbeiter sind Menschen mit Behinderung. Von der Produktion bis zur Verwaltung arbeiten sie in allen Bereichen. Dafür wurde der Betrieb gerade mit dem „Inklusionspreis für die Wirtschaft“ ausgezeichnet. Warum nicht nur das Unternehmen, sondern auch jeder Einzelne durch Inklusion gewinnt, erzählen Geschäftsführerin Sybille Kaiser und der sehbehinderte Azubi Florian Zapf.
Faktor A: Zehn der 111 Mitarbeiter in Ihrem Betrieb haben eine Beeinträchtigung. Wie normal ist Inklusion für Sie?
Sybille Kaiser: Wir leben das hier einfach, ohne Ausnahme. Jede Person ist bei uns eine vollwertige Arbeitskraft, egal ob sie beeinträchtigt ist oder nicht. Das Wichtigste ist, dass man die richtige Aufgabe für jeden Einzelnen findet. Es ist traurig, dass Menschen mit Behinderung, egal ob geistig oder körperlich, in unserer Gesellschaft keine Lobby haben. Es gibt keinen Grund dafür.
Was für Beeinträchtigungen haben die zehn Mitarbeiter?
Zwei sind geistig behindert und zwei schwer körperlich. Die anderen haben schon länger bei uns im Betrieb gearbeitet und sind erst mit der Zeit als Folge von unterschiedlichen Erkrankungen behindert geworden. Sie konnten nicht mehr schwer heben oder lange stehen. Um sie zu halten, haben wir deren Arbeitsbereiche den Fähigkeiten angepasst.
Und wie?
Zum Beispiel durch Hebehilfen, die wir nun in der Produktion einsetzen und durch die wir die körperlichen Belastungen deutlich reduzieren konnten. Außerdem bieten wir flexible Arbeitszeitmodelle an. Gerade die schwerbehinderten Mitarbeiter können meist nicht voll arbeiten. Die Kraft und auch die Konzentrationsfähigkeit lässt irgendwann nach. Aber das ist doch kein Thema. Bei uns herrscht eine offene Unternehmenskultur. Wir können hier über alles reden. Jeder weiß, wer Unterstützung braucht, bekommt sie.
Warum ist Arbeit gerade für Menschen mit Behinderung so wichtig?
Sie gibt den Menschen eine Aufgabe, Sinn und Anerkennung. Wer beeinträchtigt ist, lebt mit dem ständigen Stigma: Der ist behindert, der kann also nichts. Aber das ist falsch! Wir nehmen eine Person ja nicht, weil sie behindert ist, sondern weil sie gut ist und wir eine passende Aufgabe haben. Was ich immer wieder feststelle: Es gibt keine loyaleren Mitarbeiter als die Mitarbeiter mit Behinderung.
Das heißt, man tut sich als Unternehmen einen Gefallen, wenn man sie einstellt?
Auf jeden Fall! Wenn sie einem Menschen mit Behinderung die Chance geben, sich beruflich ganz normal zu entfalten, dann ist der voll motiviert und zeigt: Ich kann das genauso gut wie jemand ohne Behinderung. Und was man nicht vergessen darf: Inklusion verändert die ganze Belegschaft. Das Miteinander. Die Hilfsbereitschaft. Alle profitieren davon. Und auch die Sicht aufs eigene Leben wandelt sich. Wer jeden Tag vor Augen geführt bekommt, was für ein Glück es ist, gesund zu sein, wird automatisch dankbarer.