Der zwölf Jahre ältere Ali will Faruk helfen, sich zu orientieren, seine Zukunft zu gestalten. Er unterstützt ihn beim Englischlernen und gibt Tipps, wenn die Bewerbung für das Betriebspraktikum ansteht. Und wenn er ganz ehrlich ist, dann lernt er genau so viel von Faruk, wie der von ihm.
Wenn es nach Christina Veldhoen geht, dann würde es in jeder Coaching-Beziehung so ablaufen wie zwischen ihnen. „Jeder der Beteiligten sollte profitieren“, sagt die Geschäftsführerin von RYL. Die Studenten lernen nicht nur die Lebenswelt der Schüler kennen, sie sammeln auch Coaching-Erfahrungen und qualifizieren sich für ihren späteren Job. Im Fokus von RYL stehen jedoch die benachteiligten Jugendlichen: „Diese Schüler haben oft viel Entmutigung erfahren“, sagt Veldhoen. „Sie stecken in Passivität fest, kennen nicht viel, was über ihr Lebensumfeld hinaus geht.“
Studenten sind "cooler" als Sozialarbeiter
Mit ihrem persönlichen Coach haben sie bei RYL jemanden, der kontinuierlich für sie da ist. Und zwar nur für sie – und das freiwillig. Viele kennen das kaum. „Außerdem finden die meisten einen Studenten cooler als einen Sozialarbeiter“, sagt Veldhoen. „Da ist gleich viel mehr Nähe da.“
In 26 Städten ist RYL vertreten, fast immer in ehrenamtlicher Arbeit. Die Studenten werden mit Seminaren auf das Coaching vorbereitet. „Sie sind nicht dafür qualifiziert, schwerwiegende Probleme zu lösen“, sagt Veldhoen. „Aber sie müssen damit umgehen können, dass sie auch mal versetzt werden.“ Für manche Schüler ist es schwer, kontinuierlich dran zu bleiben, sagt Veldhoen. Sie brechen dann das Projekt ab, „weil sie merken, dass der Student nicht alles für sie macht.“
Auch Alireza Shahbaghi weiß: „Faruk muss die Dinge selbst angehen. Aber ich möchte ihn in die Lage versetzen, es allein hinzukriegen.“ Das Wichtigste bei ihren Treffen sei das Zuhören, sagt Ali. Er und die anderen Coaches werden dazu ausgebildet, die richtigen Fragen zu stellen: Was macht dir Spaß? Was kannst du und was würdest du gern besser können? Im Idealfall entdeckt der Schüler so selbst seine Stärken und lernt, sie einzusetzen. Mehr soziale Mobilität in Deutschland, das ist das langfristige Ziel von RYL.
Jemand wie Ali kann aber nicht nur helfen, dass Faruk seinen eigenen Weg findet – er kann auch Vorbild sein. „Ich bin der lebende Beweis, dass es zu schaffen ist, eine Fremdsprache fließend zu sprechen“, sagt Ali. In den Augen von Arbeitgebern ist das schon die halbe Miete: Wenn ihre Azubis in spe über den Tellerrand gucken können und Aufgaben positiv angehen.
Die Berliner Wasserbetriebe jedenfalls freuen sich auf viele aufgeschlossene und interessierte Schüler. Für eine erste Erfolgbilanz ist es zu früh, sie sind erst seit vorigem November dabei. „Aber wir sind zuversichtlich, dass wir bei ‚Rock your life‘ tolle junge Leute kennenlernen“, sagt Schmidt.