12.06.2019 - Barbara Domschky -6 MinutenMitarbeiter finden
Auf der einen Seite: die Wirtschaft, die unter dem Fachkräftemangel leidet. Auf der anderen Seite: 29 Prozent aller Bachelorstudierenden, die ihre Hochschulausbildung vorzeitig beenden. Was liegt näher, als die Bewerbergruppe Studienabbrecher mit interessierten Unternehmen zusammenzubringen? Ein Arbeitgeber und ein Ex-Student erzählen, wie sie aufeinander aufmerksam geworden sind, und berichten von ihren Erfahrungen.
Das sagt der Ausbilder
Zitat:„Die von der Uni wissen, wo es langgeht“
Selectrona, Hersteller von Bauteilen – u. a. für die Automobilindustrie – im sächsischen Dippoldiswalde, bietet sowohl Dualstudiengänge als auch Ausbildungsplätze an. Ein Gespräch mit Jörg Fabian, Ausbildungsleiter bei Selectrona.
Faktor A: Herr Fabian, Sie stellen seit über zehn Jahren auch Studienabbrecher als Azubis ein. Wie kommt der Kontakt überhaupt zustande?
Jörg Fabian: Wir arbeiten seit vielen Jahren mit der Arbeitsagentur zusammen, die uns anruft und Interessenten zuschickt. Wir laden die Leute dann zu einem Schnuppertag ein. Handwerk ist für die meisten ja totales Neuland. Das kriegen die ja in Schule und Studium gar nicht geboten. Wenn es passt, bieten wir ihnen einen Ausbildungsplatz an. Es gibt aber auch direkte Anfragen.
Was ist Ihrer Erfahrung nach der größte Unterschied zwischen Jugendlichen, die gerade aus der Schule kommen, und Bewerbern, die zuvor ihr Studium abgebrochen haben?
Egal ob Umschüler, Hauptschüler oder Studienabbrecher – letztlich kommt es auf den Menschen an. Aber das höhere Alter der ehemaligen Studenten und die damit oft verbundene Lebenserfahrung kann schon ein Vorteil sein. Die von der Uni sind oft abgeklärter und wissen, wo es langgeht. Da sie ja oft ein, zwei Jahre nicht mit ihrer Leistung zufrieden waren, wirkt der Wechsel in die Ausbildung für sie oft wie ein Schub.
Wie testen Sie, ob die Person in die Firma passt, und wie geht es nach der Ausbildung für die jungen Fachkräfte weiter?
Generell werden bei uns alle Interessenten ein paar Tage herumgeführt. Vom Maschinenbauer bis zum Politikwissenschaftler war da schon alles dabei. Alle schauen in die einzelnen Fachgebiete hinein, um zu sehen, ob sie eher im Büro oder an der Werkbank arbeiten wollen und können. Es zählen ja nicht nur Noten oder Lebensläufe. Einige machen danach über die IHK noch ihren Techniker und kommen dann wieder zu uns zurück. Oder sie studieren noch einmal. Schließlich hat man es durch die Fachkenntnisse aus der Ausbildung im Studium leichter, das vergessen viele.
Das sagt der Ex-Student
Zitat:„Ich bin einfach kein Studenten-Typ“
Florian Fischer, 29, Werkzeugmechaniker, hat nach zwei abgebrochenen Studiengängen seine Ausbildung abgeschlossen.
„Mein beruflicher Werdegang war nicht gerade gradlinig. Nach zwei abgebrochenen Studiengängen habe ich vor einigen Monaten meine Ausbildung zum Werkzeugmechaniker bei der Firma Selectrona beendet. Jetzt will ich erst mal in der Firma bleiben und weiter dazulernen.
Nach dem Abi 2009 hing ich ein paar Monate in der Luft und wusste nicht, was ich machen soll. Ich habe mich dann für ein Dualstudium der Holztechnik an der Akademie in Dresden entschieden. Irgendwann wurde mir das aber zu viel. Das Studium war sehr theoretisch, und dann wurde ich 2012 auch noch Vater.
Ich habe dann ein paar Monate gejobbt und überlegt, wie es weitergehen soll. Philosophie hat mich schon immer interessiert. Nach zwei Jahren Philosophie- und Germanistikstudium an der TU Dresden war mir dann definitiv klar: Das ist nicht meins. Das Studium war zwar interessant, aber die beruflichen Aussichten eher schlecht, und ich bin einfach kein Studenten-Typ. Warum ich zwei Studiengänge gebraucht habe, um das zu merken? Keine Ahnung. Ich dachte einfach, dass man mit einem Abitur auch studiert.
Zumindest war mir aber jetzt klar, was ich wollte: nicht den ganzen Tag vor dem Computer sitzen, sondern etwas mit den Händen schaffen und endlich etwas Richtiges in der Tasche haben. Die Uni hat mir bei meiner Entscheidung gar nicht geholfen. Hilfe kam über die Beratung bei der Agentur für Arbeit. Das ging alles ziemlich schnell: Ostern 2015 habe ich mit dem Studium aufgehört, die Agentur hat mir sofort Stellenangebote zugeschickt, und im Sommer habe ich bei Selectrona angefangen.
Ob mir der Wechsel vom Studenten zum Auszubildenden schwergefallen ist? Anfangs hatte ich schon das Gefühl, einen Rückschritt gemacht zu haben. Aber das hat sich nach kurzer Zeit gelegt. Die Ausbildung hat Spaß gemacht, und man rutscht schnell in den Handwerker-Alltag hinein. Das Interesse an der Philosophie ist trotzdem geblieben: Ich habe angefangen nebenbei zu schreiben – ein guter Ausgleich zu meinem praktischen Beruf.“