"Trotz vieler wirtschaftlicher Herausforderungen zeigte sich der Arbeitsmarkt im Kreis Warendorf recht stabil. Im zurückliegenden Jahr waren so viele Menschen in einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung wie noch nie", zieht Joachim Fahnemann, Leiter der Agentur für Arbeit Ahlen-Münster, Bilanz. Insgesamt 99.432 Beschäftigte zählte die Arbeitsagentur Ende Juni 2023 (jüngster Datenstand) im Kreisgebiet, und damit 0,7 Prozent mehr als im Vorjahr. Besonders spürbar ist die Zahl der Beschäftigten mit einem ausländischen Pass gestiegen. Hier erhöhte sich die Beschäftigung gegenüber dem Vorjahresmonat um 3,9 Prozent, während sie bei deutschen Beschäftigten um 0,4 Prozent stieg. Damit waren 12 Prozent aller Beschäftigten Ausländer. "Das zeigt deutlich, welchen wichtigen Anteil Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit einem ausländischen Pass an der wirtschaftlichen Leistung in der Region haben", betont Fahnemann und fügt hinzu: "Ohne diese Menschen hätten viele Arbeitgeber ihren Personalbedarf nicht decken können".
Wie groß der Bedarf an Arbeitskräften bei den Unternehmen im Jahr 2023 war, zeigt ein Blick auf die gemeldeten offenen Stellen. So waren im Kreis Warendorf im Jahresschnitt 3.362 offene Stellen bei der Agentur für Arbeit gemeldet. Damit waren es zwar 896 weniger als im Jahresschnitt 2022, gleichzeitig ist das aber den dritthöchsten Wert in den letzten zehn Jahren. Dabei wurden zum größten Teil Fachkräfte mit einer abgeschlossenen Berufs- oder Hochschulausbildung gesucht. "Qualifizierte Kräfte hatten damit grundsätzlich sehr gute Chancen am Arbeitsmarkt", so der Agenturleiter. "Im Umkehrschluss bedeutet das aber auch, dass es Menschen ohne Ausbildung schwer hatten und weiterhin haben", ergänzt er.
Insgesamt 8.627 Frauen und Männer waren im Jahresdurchschnitt arbeitslos gemeldet, knapp über 20 Prozent mehr als im Vergleich zum Vorjahr. Die Arbeitslosenquote lag im Jahresmittel bei 5,4 Prozent und damit 0,9 Prozentpunkte über dem Wert aus 2022. "Zum Teil ist die gestiegene Arbeitslosigkeit auch auf den Zuzug von Menschen, die vor dem Krieg in der Ukraine zu uns geflüchtet sind und hier eine Arbeitsstelle suchen, zurückzuführen", erläutert Fahnemann. So waren im Dezember 2023 insgesamt 704 Ukrainerinnen und Ukrainer arbeitslos gemeldet.
Die Lücke zwischen den Anforderungen am Arbeitsmarkt und den Qualifikationen der Arbeitsuchenden sei eine immer größer werdende Herausforderung und habe die gestiegene Arbeitslosigkeit mit verursacht, verdeutlicht der Agenturleiter. Denn während die Unternehmen Fachkräfte benötigen, verfügt der Großteil der Arbeitslosen über keine Berufsausbildung. "Wir wissen, dass Menschen, die über keinen Berufsabschluss verfügen, immer wieder oder für einen längeren Zeitraum arbeitslos werden als diejenigen, die eine Ausbildung haben", sagt Fahnemann. "Um dem vorzubeugen, beraten und fördern wir Betroffene zu möglichen Aus- und Weiterbildungen", berichtet der Agenturleiter. Rund 2.000 Menschen aus dem Kreisgebiet hat die Arbeitsagentur allein im zurückliegenden Jahr bei einer Weiterbildung gefördert. Qualifizierungen seien aber nicht nur für Arbeitslose und Arbeitsuchende wichtig, so der Hinweis von Fahnemann. "Wenn Unternehmen und Beschäftigte nicht den Anschluss verlieren wollen, ist kontinuierliches Lernen unerlässlich. Auch hier unterstützen wir, indem wir beide Seiten beraten und konkret bei der Umsetzung bis zu Finanzierung begleiten". Die zunehmende Digitalisierung und Automatisierung seien aber nicht nur eine Herausforderung, sondern böten durchaus Lösungsansätze, um dem Fachkräftebedarf zu begegnen, erklärt Fahnemann: "Wenn Beschäftigte durch technische Lösungen entlastet werden, ergibt dies Freiräume für andere Tätigkeiten".
Die aktuellen Krisen mit Lieferengpässen, hohen Energiekosten, Inflation und gesunkenem Konsum seien Faktoren, die ihre Spuren am Arbeitsmarkt hinterlassen. "Wir sehen das an einer Zurückhaltung der Arbeitgeber bei Neueinstellungen, was zu einer gestiegenen Arbeitslosigkeit geführt hat. Aber gleichzeitig halten die Unternehmen ihr erfahrenes, qualifiziertes Personal und vermeiden in der Regel Entlassungen", sagt Fahnemann. Er geht davon aus, dass sich dies auch in den kommenden Monaten fortsetzen wird. "Hier hängt natürlich auch viel von äußeren Faktoren ab, deren Auswirkungen wir zurzeit noch nicht in Gänze überblicken können". Mit Blick auf das Jahr 2024 ist sich der Agenturchef sicher, dass die Fachkräftesicherung eine der größten Herausforderungen am Arbeitsmarkt bleibt. "Wir brauchen dabei nur auf die demografische Entwicklung schauen. Sie zeigt uns, dass in den kommenden Jahren mehr Menschen in den Ruhestand gehen als nachkommen", führt er aus. "Hier sind kreative Ideen gefragt, sei es bei der Gestaltung von Arbeitszeitmodellen, dem Einsatz neuer Technologien oder der Integration von Arbeitskräften aus anderen Ländern. Das gelingt nur, wenn alle Partner am Arbeitsmarkt gemeinsam neue Lösungen finden und umsetzen", so Fahnemann.