Das statistische Landesamt NRW veröffentlichte kürzlich Daten, die nachdenklich machen: 29,7 Prozent aller Ausbildungsverträge werden landesweit vor dem Abschluss aufgelöst. Münster und der Kreis Warendorf bilden dabei keine Ausnahme. Auch hier beendet rund jeder Dritte Jugendliche eine einmal begonnene Ausbildung nicht. Landen damit unzählige Jugendliche im beruflichen Aus? Diese Schlussfolgerung sei zu kurz gedacht und gehe an den Realitäten am Ausbildungsmarkt vorbei, betont Joachim Fahnemann, Leiter der Agentur für Arbeit Ahlen-Münster. "Junge Menschen haben heute die Wahl", beschreibt er die Situation und ergänzt: "In vielen Fällen erhalten Jugendliche Zusagen mehrerer Ausbildungsbetriebe und können unter verschiedenen Ausbildungsangeboten das aus ihrer Sicht passendste aussuchen". Das führe immer häufiger dazu, dass junge Menschen zunächst einen Vertrag unterschreiben, ihn aber wieder lösen, wenn sie danach ein Angebot für einen Ausbildungsplatz erhalten, der ihnen mehr zusagt. Viele Verträge werden also gar nicht erst angetreten. Statistisch zählt das auch als Ausbildungsabbruch. Für die betroffenen Betriebe sei das eine sehr unbefriedigende Situation, so Fahnemann: "Fakt ist aber: Der Ausbildungsmarkt hat sich zu einem Bewerbermarkt entwickelt".
Dies werde durch die demografische Entwicklung noch verstärkt, sagt der Arbeitsmarktexperte. "Die Zahl der jungen Menschen, die die Schule verlassen und dem Ausbildungsmarkt zur Verfügung stehen, sinkt seit Jahren", berichtet Fahnemann. Allein in den vergangenen fünf Jahren verringerte sich die Zahl der Schulentlassenen im Bezirk der Agentur für Arbeit Ahlen-Münster, der die Stadt Münster und den Kreis Warendorf umfasst, um fast 500 Jugendliche. Das entspricht einem Rückgang von mehr als 7 Prozent. Rund die Hälfte der Schulabgänger erwirbt außerdem eine Hochschulzugangsberechtigung. "Dementsprechend häufig kommt es vor, dass Jugendliche einen zuvor abgeschlossenen Ausbildungsvertrag wieder lösen, wenn sie zu einem späteren Zeitpunkt die Zusage für den gewünschten Studiengang erhalten", berichtet der Agenturleiter. Auch dies zählt in der Statistik als abgebrochene Ausbildung.
Trotz dieser Herausforderungen engagierten sich die hiesigen Unternehmen in besonderem Maße für die Ausbildung von Nachwuchskräften, unterstreicht Fahnemann. So bildet im Bezirk der Arbeitsagentur Ahlen-Münster jeder vierte Betrieb aus, im NRW-Schnitt tut das nur jedes fünfte Unternehmen. Dabei gingen viele Unternehmen in der Region neue Wege, um ihre Ausbildungsplätze zu besetzen, führt er aus. Hierbei gehe es nicht nur um finanzielle Anreize für Auszubildende. Auch mit sogenannten "weichen" Faktoren, wie der Vereinbarkeit von Freizeit und Beruf, Mobilitätszuschüssen, der Einbindung der Azubis in eigene Projekte oder Mentorenprogrammen versuchen Arbeitgeber, junge Menschen für eine Ausbildung in ihrem Betrieb zu begeistern. "Viele Unternehmen zeigen dabei ein sehr großes Engagement und viel Kreativität", lobt Fahnemann.
Darüber hinaus gebe es immer mehr Arbeitgeber, die Jugendlichen mit erhöhtem Unterstützungsbedarf eine Chance geben, berichtet Fahnemann. "In diesen Fällen bieten wir sowohl den Betrieben als auch den Auszubildenden eine individuelle Betreuung und Begleitung", erläutert Fahnemann und verweist auf die sogenannte "assistierte Ausbildung". Mit Blick auf die statistischen Daten ordnet er ein: "Selbstverständlich gibt es auch Abbrüche während der Ausbildung. Dies ist aber nur ein kleinerer Teil der gelösten Verträge". Ein Ausbildungsabbruch bedeute jedoch nicht, dass die betroffenen Jugendlichen gänzlich ohne Perspektive sind, betont er: "Unsere Berufsberatung unterstützt die jungen Menschen in dieser Situation mit verschiedenen Angeboten dabei, sich beruflich neu zu orientieren und einen Berufsabschluss zu erwerben", unterstreicht Fahnemann.