Der ostsächsische Arbeitsmarkt im Jahr 2022 und Ausblick auf 2023

11.01.2023 | Presseinfo Nr. 4

Kathrin Groschwald, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Bautzen, fasst zusammen:

Zitat:

„Trotz aller unvorhersehbaren Ereignisse und Herausforderungen entwickelte sich der ostsächsische Arbeitsmarkt im Jahr 2022 stabil. Der Arbeitsmarkt profitiert vom bunten Unternehmens- und Branchenmix in der Region, wodurch er in Krisenzeiten widerstandsfähiger ist. Die Arbeitslosigkeit sank im Jahresdurchschnitt unter das Niveau vor Beginn der Coronapandemie. Dennoch belasteten der Angriffskrieg in der Ukraine, Preissteigerungen und gestörte Lieferketten die wirtschaftliche Entwicklung und hinterließen Spuren am Arbeitsmarkt. Bis Juni 2022 wuchs die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Vergleich zu Juni 2021 nicht, wie üblich, sondern erlitt einen leichten Dämpfer. Die Herbstbelebung fiel im letzten Jahr ungewöhnlich schwach aus und die Zurückhaltung der Arbeitgeber bei der Einstellung neuen Personals hält weiter an.“

Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung

Nachdem die Entwicklung der Arbeitslosigkeit in den Jahren 2020 und 2021 noch stärker von Corona geprägt war, sank die Arbeitslosenzahl im Jahresdurchschnitt 2022 gegenüber 2021 wieder um 876 auf 17.158 Menschen (-4,9 Prozent). Die Arbeitslosenquote ging im Jahr 2022 auf 6,2 Prozent zurück und war niedriger als im Jahr 2019, vor Beginn der Coronapandemie. Damals lag die Arbeitslosenquote im Jahresdurchschnitt bei 6,3 Prozent.

Im Bereich der Arbeitslosenversicherung waren im Jahresdurchschnitt 2022 6.011 Menschen bei der Agentur für Arbeit Bautzen arbeitslos gemeldet, 716 weniger als im Jahr 2021. Im Bereich der Grundsicherung waren im Jahresdurchschnitt 2022 11.146 Arbeitslose bei den Jobcentern der Landkreise Bautzen und Görlitz registriert. Das sind 160 Personen weniger als im Jahr 2021. Der moderate Rückgang der Arbeitslosigkeit in der Grundsicherung kann auf den Zugang von Arbeitslosen mit ukrainischer Staatsangehörigkeit zurückgeführt werden. Seit dem 1. Juni haben geflüchtete Ukrainerinnen und Ukrainer bei Hilfebedürftigkeit Anspruch auf Leistungen aus der Grundsicherung und werden von den Jobcentern betreut.

Die Unterbeschäftigung - die Summe aus Arbeitslosen, Teilnehmern an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen und vorübergehend nicht verfügbaren Arbeitsuchen - belief sich nach ersten Hochrechnungen im Jahresdurchschnitt auf 20.825 Personen und liegt damit um 1.091 Personen bzw. 5,0 Prozent unter dem Vorjahresniveau. Bezogen auf alle zivilen Erwerbspersonen betrug die Unterbeschäftigungsquote im letzten Jahr 7,5 Prozent und liegt damit unter dem Vor-Corona-Niveau (2019: 8,3 Prozent). Die Rückgänge beruhen auf der günstigen Entwicklung im Vorjahr und in der ersten Jahreshälfte 2022. Ab der Jahresmitte 2022 führte vor allem die Erfassung ukraini-scher Geflüchteter zu einem Anstieg bei Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung. Während beispielsweise im Juni 2022 die Arbeitslosenquote mit 5,9 Prozent noch unter der des Vorjahresmonates (6,5 Prozent) lag, war sie im Dezember 2022 mit 6,6 Prozent höher als im Dezember 2021 (6,1 Prozent). 1.173 Menschen mit ukrainischer Staatsangehörigkeit waren im Dezember 2022 im Agenturbezirk Bautzen arbeitslos gemeldet, im Juni 2022 waren es 47 Menschen.

Sozialversicherungspflichtige Beschäftigung

Die Unternehmen halten überwiegend ihre Fachkräfte. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, welche im Agenturbezirk Bautzen bei den Unternehmen tätig sind, sank von Juni 2021 bis Juni 2022 um 341 auf 202.568 Personen. Das ist ein Minus von 0,2 Prozent, nachdem die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung im Juni 2021 noch um 1,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen ist. Am ungünstigsten war im Juni 2022 die Entwicklung in der Arbeitnehmerüberlassung (–1.270 Beschäftigte oder –19,4 Prozent). Auch in anderen Bereichen, wie der Metall-, Elektro- und Stahlindustrie (-257 Beschäftigte oder -1,0 Prozent), in der Land-, Forstwirtschaft und Fischerei (-153 Personen oder -4,3 Prozent), in Heimen und dem Sozialwesen (-129 Personen / -0,6 Prozent) sowie dem Baugewerbe (-89 Personen / -0,6 Prozent) ging die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten zurück.

Am stärksten nahm die Beschäftigtenzahl hingegen im Bereich der Herstellung von überwiegend häuslich konsumierten Gütern, einem Teilbereich des verarbeitenden Gewerbes (+631 oder +4,4%) zu. Auch im verarbeitenden Gewerbe (+504 Personen / +1,0 Prozent), dem Gesundheitswesen (+241 Personen / +1,6 Prozent), der öffentlichen Verwaltung, Verteidigung und Sozialversicherung (+223 Personen / + 1,8 Prozent) oder im Bereich der Immobilien sowie freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen (+153 Personen / + 1,9 Prozent) stieg die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten.

Kurzarbeitergeld

Der Arbeitsmarkt wurde auch 2022 durch den Einsatz von Kurzarbeit gestützt, die Inanspruchnahme hat aber im Vergleich zu den von der Corona-Krise stark beeinträchtigten Jahren 2020 und 2021 deutlich abgenommen. Am größten war die Zahl der von Kurzarbeit betroffenen Betriebe in der Corona-Zeit mit 4.107 Betrieben im April 2020, im April 2022 lag sie mit 502 Betrieben deutlich darunter und bis August 2022 sank sie weiter auf 74 Betriebe. Im April 2020 war jeder sechste sozialversicherungspflichtig Beschäftigte von Kurzarbeit betroffen, im August 2022 lag der Anteil der Kurzarbeiter an allen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten noch bei 0,9 Prozent.

Arbeitskräftenachfrage

Die Unternehmen meldeten dem Arbeitgeber-Service der Agentur für Arbeit Bautzen im Jahresverlauf 2022 10.165 sozialversicherungspflichtige Arbeitsstellen, 87 Stellen weniger als im Jahr 2021. Im ersten Halbjahr 2022 bewegte sich die gemeldete Arbeitskräftenachfrage auf hohem Niveau, im Laufe des zweiten Halbjahres 2022 schwächte sie spürbar ab.

Im Juni 2022 meldeten die Unternehmen mit 995 Arbeitsstellen die meisten Stellen im Jahr 2022, im Dezember 2022 lag der Zugang neuer Arbeitsstellen noch bei 655 und damit 2,7 Prozent unter dem Vor-Corona-Niveau vom Dezember 2019 (673 neu gemeldete Arbeitsstellen). Doch es gibt auch Branchen, in denen die Arbeitgeber im Dezember 2022 mehr Arbeitsstellen meldeten als vor Beginn der Coronapandemie. So hat sich der Arbeitsstellenzugang im Baugewerbe von 37 Arbeitsstellen gegenüber dem Dezember 2019 (20 Arbeitsstellen) fast verdoppelt. Auch der Stellenzugang im verarbeitenden Gewerbe (92 Stellen), in freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen (82 Stellen), im Handel sowie der Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen (63 Stellen) und Gesundheits- und Sozialwesen (64 Stellen) sind zum Teil deutlich höher als im Dezember 2019.

Im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung war der Stellenzugang im Dezember 2022 mit 162 Stellen um 16,9 Prozent deutlich niedriger als im Dezember 2019 (195 Stellen). Auch in den Branchen Gastgewerbe, Verkehr und Lagerei sowie öffentliche Verwaltung, Verteidigung und Sozialversicherung ist der Stellenzugang niedriger als im Dezember 2019.

Die Gesamtzahl der gemeldeten offenen Arbeitsstellen lag im Dezember bei 4.016, 9,4 Prozent unter dem Niveau vor Beginn der Coronapandemie, im Dezember 2019 lag der Arbeitsstellenbestand bei 4.431. Die meisten Stellen gab es im Dezember 2022 in den Bereichen der Arbeitnehmerüberlassung (1.315), im verarbeitenden Gewerbe (687), im Gesundheits- und Sozialwesen (347), im Handel, der Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen (345) sowie in freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen (343).

Ausblick 

Auch im Jahr 2023 werden hohe Energiepreise, Materialengpässe und Preissteigerungen die wirtschaftliche Entwicklung herausfordern. Doch das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit erwartet keinen Einbruch am Arbeitsmarkt, denn trotz alledem fehlen in immer mehr Bereichen Arbeits- und Fachkräfte.

„Die wirtschaftliche Lage der ostsächsischen Unternehmen zeigt sich, entgegen der Erwartungen, aktuell robust. Für das Jahr 2023 zeichnet sich eine Verschlechterung der Auftragslage ab. Der Auftragsvorlauf ist stark dezimiert. Die Themenfelder „Fachkräftemangel“ und „Energie“ wirken sich als Entwicklungshemmnis aus“, so Jeanette Schneider, Geschäftsstellenleiterin der Industrie- und Handelskammer Dresden, Geschäftsstelle Bautzen.

Trotz der wirtschaftlichen Unsicherheiten halten die regionalen Unternehmen an der dualen Berufsausbildung fest, im Handwerk beispielsweise sind die Ausbildungs-zahlen stabil: „Nachdem in den Corona-Jahren die Ausbildungszahlen in einigen Berufen zurückgegangen waren, lässt sich für 2022 feststellen, dass das Vor-Corona-Niveau deutlich übertroffen wird. Die Unternehmen im Landkreis Görlitz konnten sich zu 2019 steigern, im Landkreis Bautzen haben wir noch etwas Nachholbedarf. Die Reihenfolge der Ausbildungsberufe ändert sich nur wenig. Weiter mit deutlichem Abstand an der Spitze stehen die KFZ-Mechatroniker. Sichtbar sind die gestiegenen Ausbildungszahlen im Beruf Anlagenmechaniker-Sanitär, Heizung, Klimatechnik – also umgangssprachlich die Heizungsinstallateure, in beiden Land-kreisen“, so Sabine Gotscha-Schock, Geschäftsführerin der Kreishandwerkerschaft Bautzen.

Doch die Ausbildung von Nachwuchskräften alleine wird zur Deckung des Fachkräftebedarfes künftig nicht mehr reichen, denn die geburtenstarken Jahrgänge gehen in den nächsten Jahren in Rente. Bis 2030 werden dem ostsächsischen Arbeitsmarkt bis zu 49.000 Menschen im erwerbsfähigen Alter verloren gehen.

„Demografie, Digitalisierung sowie Dekarbonisierung werden mittelfristig die Entwicklung des Arbeitsmarktes prägen und uns vor teils große Herausforderungen stellen. Dieser Fakt ist nicht neu, aber er ist durch die Coronapandemie und den Ukraine-Krieg in den Hintergrund geraten. Alle Akteure müssen sich gemeinsam diesem Wandel stellen, um die Wettbewerbsfähigkeit der ostsächsischen Wirtschaft zu sichern. Betriebe sollten zur Arbeits- und Fachkräftesicherung mehrgleisig fahren und sowohl auf Ausbildung setzen, als auch in das Knowhow ihrer Beschäftigten investieren, für die Qualifizierung von arbeitslosen Menschen sowie für Zuwanderung offen sein. In diesen vier Bereichen berät und unterstützt die Arbeitsagentur gern“, so Kathrin Groschwald.

Das Bürgergeld-Gesetz ist am 1. Januar 2023 in Kraft getreten und wird in zwei Etappen umgesetzt: zum 1. Januar und zum 1. Juli 2023. Das Bürgergeld sichert die Existenz für diejenigen, die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen decken können.

„Wir waren gut vorbereitet und haben die erhöhten Regelbedarfe des Bürgergeldes pünktlich zum Jahreswechsel ausgezahlt. Neben der Erbringung von existenzsichernden Leistungen liegt der Schwerpunkt des Jobcenters Bautzen auch in Zukunft in der Unterstützung der hilfebedürftigen Menschen durch Aktivierungen und Qualifizierungen mit dem Ziel der Integration in den Arbeitsmarkt. Eine weitere Hauptaufgabe im Jahr 2023 ist die Integration der geflüchteten Menschen aus der Ukraine. Mit den deutlich gestiegenen Zugangszahlen ist das für uns eine besondere Herausforderung, welcher wir uns stellen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Jobcenters Bautzen werden auch in 2023 die gesetzlichen Aufgaben erfüllen“, so Mathias Bielich, Leiter des Jobcenters Landkreis Bautzen.

Hintergrundinformationen:

Bürgergeld ab 01.01.2023 im Überblick:

Erhöhte Regelsätze
Der Regelsatz erhöht sich für Alleinstehende zum 1. Januar 2023 auf 502 Euro, für Paare je Partner auf 451 Euro. Für Nichterwerbstätige Erwachsene unter 25 Jahren im Haushalt der Eltern steigt der Betrag auf 402 Euro, für Jugendliche von 14 bis 17 Jahren auf 420 Euro, für Kinder von 6 bis 13 Jahren auf 348 Euro und für Kinder unter 6 Jahren auf 318 Euro.

Neue Vermögensfreibeträge und Karenzzeiten
Alle Anträge, deren Bewilligungszeiträume bis einschließlich 31.12.2022 beginnen, unterfallen dem aktuell geltenden Recht mit dem pandemiebedingt vereinfachten Zugang zur Grundsicherung. Vermögen gilt in diesen Fällen ab einer Höhe von 60.000 Euro für die erste Person in der Bedarfsgemeinschaft und 30.000 Euro für jede weitere Person als erheblich. Ab einem Bewilligungsbeginn in 2023 kommen die neuen Regelungen bzw. Beträge zum Tragen: Während der Karenzzeit bleiben 40.000 Euro für die erste Person der Bedarfsgemeinschaft unberücksichtigt. Für jede weitere Person bleiben jeweils 15.000 Euro unangetastet. Nach Ablauf der Karenzzeit beträgt das Schonvermögen 15.000 Euro für jede in der Bedarfsgemeinschaft lebende Person. Unterkunftskosten werden während der Karenzzeit in tatsächlicher Höhe anerkannt. Heizkosten unterfallen nicht der Karenzzeit und werden grundsätzlich nur in angemessener Höhe anerkannt.

Leistungsminderungen bis maximal 30 Prozent
Das Sanktionsmoratorium endet zum Jahreswechsel und die Leistungsminderungen – so heißen die Sanktionen in Zukunft – werden neu geregelt: Bei einem Meldeversäumnis wird der Regelbedarf um 10 Prozent für einen Monat gemindert. Bei den Pflichtverletzungen erfolgen die Minderungen gestaffelt. Beim ersten Verstoß 10 Prozent für einen Monat, 20 Prozent für zwei Monate beim wiederholten Verstoß sowie 30 Prozent für drei Monate ab dem dritten Verstoß.