Ein ganzes Heim für junge Menschen mit Behinderungen war im März 2022 kurzfristig aus der Nähe von Kiew in zwei Gruppen nach Bielefeld evakuiert worden. Insgesamt waren es 130 Kinder und Erwachsene, die hier ein neues Zuhause gefunden haben. Die Unterbringung war schnell gefunden, die Häuser Mamre und Ebenezer in Bethel wurden hierfür hergerichtet. Doch Regelungen zur beruflichen Teilhabe für die Geflüchteten gab es nicht.
Schon wenige Wochen nach Ankunft konnten zwar die ersten geflüchteten Personen kleinere Praktika in den Werkstätten absolvieren. „Das ging nur durch das außergewöhnliche Engagement unserer Mitarbeitenden. Alle wollten mithelfen, die Wohneinrichtungen von Bethel.regional zu entlasten und vor allem den Menschen aus der Ukraine auch eine berufliche Perspektive zu ermöglichen“, sagt Wolfgang Ludwig, Geschäftsführer von proWerk Bethel. Zu diesem Zeitpunkt war aber die Finanzierung noch völlig ungeklärt. So kam die Agentur für Arbeit Bielefeld ins Spiel.
„Uns war sofort klar, dass hier unsere schnelle Unterstützung wichtig ist“, so Wolfgang Draeger, Leiter der Agentur für Arbeit Bielefeld. Und so landeten insgesamt 40 Anträge auf dem Schreibtisch von Stephan Beckmann aus dem Rehabilitations-Team der Arbeitsagentur. Und ganz so einfach war es dann doch nicht: „Natürlich gab es die sprachlichen Barrieren, aber auch zum Beispiel die unterschiedlichen Regelungen der Betreuung. In der Ukraine übernimmt diese meist die Heimleitung, in Deutschland in der Regel nicht“, so Beckmann. Trotzdem hat er in Zusammenarbeit mit Mitarbeitenden von proWerk an nur einem Nachmittag alle Anträge eigenhändig im Haus Ebenezer ausgehändigt und alle Fragen geklärt. „Dabei unterstützen wir das, was uns das Gesetz erlaubt, nämlich die Teilhabe am Arbeitsleben“, erklärt Beckmann.
Es begann eine außergewöhnliche Zusammenarbeit. „Die Rechtslage wurde durch die Agentur im Sinne der Menschen aus der Ukraine ausgelegt, das persönliches Engagement von Herrn Beckmann hat Prozesse deutlich beschleunigt“, ist Wolfgang Ludwig dankbar. Und so wurden innerhalb kurzer Zeit auch Kostenzusagen erteilt.
In der Werkstatt am Bullerbach können inzwischen Yurii Horpynenko und Oleksandr Malezhyk sowie die anderen 38 jungen Männer und Frauen aus der Ukraine sich nun beruflich orientieren, sich gleichzeitig ein wenig dazuverdienen und werden auf Tätigkeiten im Arbeitsbereich der Werkstatt oder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vorbereitet. Sie ist eine Einrichtung für Menschen mit Beeinträchtigungen des Stiftungsbereiches proWerk der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel. Hier wird Menschen mit Behinderung oder Benachteiligung, die nicht, noch nicht oder noch nicht wieder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, berufliche und damit verbundene soziale Teilhabe ermöglicht.
Für die jungen Menschen aus der Ukraine geht es zurzeit vor allem die Heranführung an das Thema Arbeit. „Und die Persönlichkeitsbildung steht für uns derzeit im Vordergrund“, betont Wolfgang Ludwig. Ab Anfang 2023 werden dann auch weitere Inhalte der beruflichen Bildung u.a. auf Ukrainisch durch die proWerk-Mitarbeitenden vermittelt.