In Bielefeld lag 2023 die Arbeitslosenzahl durchschnittlich bei 15.235 Personen. Dies sind alle Bielefelderinnen und Bielefelder, die Bürgergeld (SGB II) und Arbeitslosengeld (SGB III) beziehen, und zudem aktuell dem Arbeitsmarkt zu Verfügung stehen. Die Zahl ist damit im Vergleich zum Vorjahr um 792 Personen (plus 5,5 Prozent) gestiegen. Dadurch steigt auch die durchschnittliche Arbeitslosenquote von 7,9 in 2022 auf 8,2 Prozent im Jahr 2023. „Es wird beim Betrachten der Zahlen ganz deutlich, dass der Anstieg vornehmlich auf die Arbeitslosenversicherung zurückzuführen ist“, sagt Wolfgang Draeger, Leiter der Agentur für Arbeit Bielefeld. Hier ist ein Anstieg von 624 Personen (plus 17,1 Prozent) im Vergleich zu 2022 zu verzeichnen. „Das ist typisch für eine konjunkturelle Eintrübung der wirtschaftlichen Gesamtsituation, die sich immer zuerst in der Arbeitslosenversicherung abzeichnet“, so Draeger weiter.
Die Zahl der Bürgergeldempfänger ist nur moderat um 1,5 Prozent angestiegen. „Die Einführung des Bürgergeldes hat in Bielefeld reibungslos funktioniert – sowohl im Beratungsbereich, als auch in den Geldleistungen. Nun hoffen wir auf ein baldiges und auskömmliches Ergebnis der Haushaltsverhandlungen im Bund, um die Chancen des Bürgergeldes im Bereich Qualifizierung auch umsetzen zu können.“, erklärt Marc-Sebastian Alex, Geschäftsführer des Jobcenters Arbeitplus Bielefeld.
Neben den aktuell dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehenden Personen, werden in der sogenannten Unterbeschäftigung auch jene Kundinnen und Kunden mitgezählt, die ebenfalls erwerbslos sind, aus unterschiedlichen Gründen – durch Mutterschutz, eine Bildungsmaßnahme, einen Sprachkurs oder aus gesundheitlichen Gründen – derzeit allerdings keinen Job antreten können. Hier liegt der Jahresdurchschnitt 2023 in Bielefeld bei 20.403 Personen und die Quote bei 10,8 Prozent. Dies ist im Vergleich zum Vorjahr ein Anstieg um 1.248 Personen bzw. 0,5 Prozentpunkte.
Die vor dem russischen Angriffskrieg geflohenen Ukrainerinnen und Ukrainer werden seit Juni 2022 durch die Jobcenter betreut. In Bielefeld waren dies 2023 im Jahresdurchschnitt 3.152 Personen. Der weitaus größte Teil dieser Gruppe hat im vergangenen Jahr an Integrationskursen teilgenommen, um ein grundlegendes deutsches Sprachverständnis zu erlangen. Parallel hat das Jobcenter die Anerkennung ukrainischer beruflicher Abschlüsse vorangetrieben.
Mit dem "Turbo zur Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten" wird nun der Fokus auf eine schnelle Arbeitsmarktintegration gelegt. Der weitere Spracherwerb und Qualifizierungen erfolgen berufsbegleitend. Neben der Intensivierung der Beratung bietet das Jobcenter nun spezielle Jobcafés für Ukrainer*innen an und wirbt bei Arbeitgebern für die Einstellung von Menschen, die noch nicht so gut Deutsch sprechen.
Angesichts der hohen Motivation der Ukrainerinnen und Ukrainer sieht das Jobcenter gute Chancen, hier die Erfolge bei der Integration von Geflüchteten aus anderen Herkunftsländern zu wiederholen. So lag die Integrationsquote bei den Geflüchteten aus den acht zahlenstärksten Herkunftsländern 2023 erneut über dem NRW-Schnitt. Auch die Zahl der langzeitarbeitslosen Geflüchteten konnte im vergangenen Jahr mit einem Minus von 6,5 Prozent (3.390 Personen im November 2023) noch stärker abgebaut werden als im Vorjahr.
„Neben der guten Qualifizierungsberatung und -förderung unserer Kundinnen und Kunden sehen wir in der Integration der Zugewanderten und Geflüchteten ein großes Potenzial zur Verringerung des Fachkräftemangels“, so Alex zu den Chancen der Grundsicherung. „Die dritte Säule ist hier sicherlich die Qualifizierung und Ausbildungsförderung der unter 25-Jährigen.“
In den Statistikzahlen zur Jugendarbeitslosigkeit werden alle Personen zwischen 15 und 25 Jahren geführt, die aktuell ohne Job, Ausbildungsstelle oder Studium sind. Binnen Jahresfrist erhöht sich die Zahl um 72 auf 1.244 Personen. „Auch hier schlägt sich der Anstieg in der Arbeitslosenversicherung nieder“, sagt Günter Michaelis, operativer Geschäftsführer der Agentur für Arbeit Bielefeld. Im Bereich des Bürgergelds ist erfreulicherweise der Anteil der Jugendarbeitslosigkeit dagegen um 37 Personen (minus 4,9 Prozent) im Vergleich zu Vorjahr gesunken.
Die aktuelle wirtschaftliche Situation in Bielefeld spiegelt sich besonders in den neu gemeldeten offenen Arbeitsstellen wider. Diese sind von Dezember 2022 zu Dezember 2023 um 19,1 Prozent gesunken. „Die Arbeitgeber halten nach wie vor an ihren Mitarbeitenden fest und es gab im Jahr 2023 keine umfangreichen Freistellungen. Das ist nachbetrachtend bei der aktuellen konjunkturellen Situation beachtlich. Aktuell ist eine zurückhaltende Haltung bei neuen Einstellungen zu verzeichnen“, unterstreicht Michaelis. Auch der Bestand an ausgeschriebenen offenen Arbeitsplätzen ist innerhalb des letzten Jahres um 436 auf nun 4.322 Stellen gesunken. „Trotz des Rückgangs haben wir immer noch 4.322 zu besetzende Stellen im Bestand; dies sind 700 Stellen mehr als 2021 und sogar rund 1.200 mehr als 2020 in der Corona-Hochzeit“, so Michaelis.
Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung wird statistisch immer quartalsweise und wegen möglicher Nachmeldungen der Beschäftigten durch ihre Arbeitgeber auch verzögert erhoben. Die letzten Zahlen sind somit aus Juni 2023. Hier gab es in Bielefeld 169.210 sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse. „Der bisherige Rekordmarke lag im März 2023 bei 169.575 und somit im zweiten Quartal 2023 leicht rückläufig. Inwieweit sich auch hier die Zahlen aufgrund der wirtschaftlichen Situation zum Ende des Jahres 2023 verändert haben, müssen wir aufgrund der Nachmeldungen noch abwarten“, erklärt Michaelis.
Bei der Erhebung der Kurzarbeit besteht ein entscheidender Unterschied zwischen der angezeigten und der realisierten Kurzarbeit. Alle Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber können – wenn sie die dafür notwendigen Voraussetzungen erfüllen – Kurzarbeit für ihre Beschäftigten anmelden. Eine Verpflichtung, diese dann auch umzusetzen, besteht jedoch nicht. „Tatsächlich steht Bielefeld mit seiner dienstleistungsgeprägten Wirtschaft sowohl bei den Anzeigen, als auch bei der Realisierung der Kurzarbeit verhältnismäßig gut da“, erläutert Wolfgang Draeger. Bei der realisierten Kurarbeit kommt es aufgrund der Nachmeldungen der Arbeitgeber für ihre Beschäftigten ebenfalls zu einer verzögerten Erhebung wie bei der sozialversicherungspflichten Beschäftigung. Die aktuellsten Zahlen gibt es deshalb aus Juni 2023. Hier arbeiteten 1.481 Bielefelder*innen in 66 Betrieben kurz. Zum Vergleich: Ein Jahr zuvor waren es noch 1.205 Bielefelder*innen in 220 Betrieben. „Zwar ist die Zahl der Personen gestiegen, die Zahl der Betriebe aber deutlich gesunken. Dies zeigt, dass aktuell auch größere Betriebe als noch vor einem Jahr in Kurzarbeit waren“, so Draeger.
„Der Fachkräftebedarf bestimmt weiterhin die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt“, so Agenturchef Draeger. Der Schlüssel liegt für ihn dabei in der beruflichen Qualifizierung. Die verfügbaren Arbeitskräfte reichen nicht aus, um den Bedarf zu decken. So hat allein die Arbeitsagentur in diesem Jahr mehr rund 1.700 berufliche Weiterbildungen in Bielefeld finanziell unterstützt. Seit 1. Januar 2024 ist mit „Mein NOW“ nun ein nationales Portal online, auf dem Weiterbildungsangebote, Beratungs- und Fördermöglichkeiten sowie Tests zur beruflichen Orientierung gebündelt werden. „Zielgruppe sind hier alle, die an beruflicher Weiterbildung interessiert sind – egal ob aktuell im Job oder arbeitslos“, sagt Draeger.
Abschließend erklärt Jobcenter-Geschäftsführer Alex mit Blick auf 2024: „Auch in einem schwierigen Umfeld bietet der Arbeitsmarkt Chancen. Diese werden wir als Jobcenter Arbeitplus Bielefeld auch im kommenden Jahr nutzen und den Bürgergeldbeziehenden in Bielefeld gute Angebote machen, die sie beruflich weiterbringen.“ Voraussagen für den Arbeitsmarkt 2024 zu treffen fällt auch Agenturchef Draeger schwer: „Der Arbeitsmarkt wird durch die weltpolitischen Unsicherheiten einerseits und den nach wie vor erhöhten Energiepreisen sowie dem anhaltenden wirtschaftlichen Abschwung beeinträchtigt. Vorerst erwarten wir im Hinblick auf den Bielefelder Beschäftigungsmarkt daher auch keine Entspannung im ersten Quartal 2024.“ Fest steht für ihn aber auch: „Gemessen an der mäßigen Konjunktur hält sich der Bielefelder Arbeitsmarkt vergleichsweise gut. Und die Stimmung in der deutschen Wirtschaft hat sich verbessert, der Pessimismus bei den Erwartungen für die kommenden Monate nimmt ab. Die Unternehmen halten vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels ihre eingearbeiteten Mitarbeitenden. Somit kann insgesamt trotz alledem in Bielefeld von einem robusten Arbeitsmarkt gesprochen werden, der aber auch Flexibilität von Arbeitgebern und Unternehmungen sowie von den Beschäftigten verlangen wird.“ Gleichwohl rät Draeger die sich bietenden Chancen jetzt zu nutzen.