Der Krieg hat in der Ukraine alles verändert – sogar die Arbeit der Jobcenter. Dies wurde bei einem Treffen von Vertreter*innen der Agentur für Arbeit Bielefeld, dem Jobcenter Arbeitplus Bielefeld und des Jobcenters für die Region Kiew in der Ukraine deutlich. So waren vor dem russischen Angriff 45 Prozent der Arbeitslosen Männer – jetzt sind es nur noch 22 Prozent: „Denn die Männer leisten Kriegsdienst“, erklärte Denis Darmostuk, Leiter des Jobcenters für die Region Kiew. Zudem verlagern viele Unternehmen ihren Standort aus den Kriegsgebieten in die Hauptstadt Kiew. Und wer beim Jobcenter gemeldet ist und keinen Job findet, kann aktuell temporär für unterstützende Arbeiten eingesetzt werden, wie der Herstellung von Tarnnetzen, für Reparatur- und Instandsetzungsarbeiten nach Angriffen oder zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung.
Selbst die gesuchten Berufe haben sich verändert, Feuerwehrleute und medizinisches Personal sind besonders gefragt. Danach kommen Logistik, Pflege und Handwerk. „Diese Fachkräfte werden aber auch in Deutschland gesucht. Deshalb qualifizieren wir auch stark in diesen Bereichen“, erklärte der Geschäftsführer des Jobcenters Arbeitplus Bielefeld, Marc-Sebastian Alex. „Das System ist teilweise unterschiedlich, einiges gleicht sich dann aber doch“, resümierte Wolfgang Draeger, Leiter der Agentur für Arbeit Bielefeld.
Seit Kriegsbeginn in der Ukraine wurden die offizielle staatliche Datenbank der freien Stellen mit den privat durch die Personaldienstleister geführten Datenbanken zusammengeführt. Dieses neue offizielle Portal wird von den Jobcentern geführt, sorgt für mehr Transparenz zum landesweiten Arbeitskräftebedarf und beugt Schwarzarbeit vor. Statistisch gesehen entfallen aktuell auf eine arbeitslos gemeldete Person zwei freie Arbeitsstellen. Ein besonderer Fokus des Termins lag aber auf der Teilhabe und Förderung von Menschen mit Behinderungen. Das Förderungssystem in Deutschland stellten Jessika Becker von der Agentur für Arbeit sowie Andreas Stopfel vom Jobcenter Arbeitsplus ausführlich den Delegierten vor. In der Ukraine gibt es das System der Werkstätten beispielsweise nicht, das hier Menschen mit Behinderungen die Teilhabe am Arbeitsleben ermöglicht. Stattdessen existieren dort kommunale Zentren, in denen aber ausschließlich die sozialpädagogische Betreuung sowie Freizeitgestaltung auf dem Programm stehen – keine Arbeitstätigkeiten. „Früher wurden die Menschen mit Behinderungen im Agrarbereich eingesetzt, dies ist nun gesetzlich nicht mehr möglich“, berichtete Darmostuk. Nun überlegt die Ukraine, ein den deutschen Werkstätten ähnliches System zu schaffen.
Der Kontakt zu den Ukrainer*innen entstand im März 2022. Damals war ein ganzes Heim für junge Menschen und Erwachsene mit Behinderungen kurzfristig aus der Nähe von Kiew in zwei Gruppen nach Bielefeld evakuiert worden. Insgesamt waren es 113 Kinder und Erwachsene, die in Bielefeld ein neues Zuhause gefunden haben. Doch Regelungen zur beruflichen Teilhabe in Deutschland für die Geflüchteten gab es nicht. Hier kam in Zusammenarbeit mit proWerk Bethel dann die Agentur für Arbeit mit ins Spiel. Sie finanziert für 40 Ukrainer die Tätigkeit in den Werkstätten. Hier wird Menschen mit Behinderung, die nicht, noch nicht oder noch nicht wieder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, berufliche und damit verbundene soziale Teilhabe ermöglicht. Seitdem kommt etwa zweimal im Jahr eine Delegation aus der Ukraine und besucht ihre Schützlinge in Bielefeld.