Deutlich weniger Arbeitslose als im Vorjahr. Typische Entwicklung im Jahresverlauf. Beschäftigung 2022 weiter leicht gewachsen. Aber, Demografie und Transformation des Arbeitsmarktes schreiten weiter voran. Die aktuelle Krise hinter den Krisen und für das Jahr 2023 lautet: Fachkräftemangel.
Gemeinsam mit dem Oberbürgermeister der Stadt Bochum, Thomas Eiskirch, und dem Geschäftsführer des Jobcenters, Georg Sondermann, lässt der Vorsitzende Geschäftsführer der Agentur für Arbeit, Frank Neukirchen-Füsers, das Arbeitsmarktjahr 2022 Revue passieren und zieht Bilanz.
Der Blick auf ein weiteres, krisengebeuteltes Jahr auf dem Arbeitsmarkt zeigt Gutes: Trotz aller Herausforderungen konnte die Arbeitslosigkeit auch in diesem Jahr weiter abgebaut werden und die Arbeitslosenquote ist gesunken. Bereits Ende 2021 zeigte sich, nach einem sehr Corona gebeutelten Vorjahr auf dem Arbeitsmarkt, eine leichte Verbesserung, die sich in diesem Jahr fortgesetzt hat. Allen Krisen zum Trotz blieb ein Großteil der Betriebe sehr aktiv und investierte, wenn auch etwas zaghaft, weiter in die Zeit nach Pandemie und Krieg. Die Beschäftigung ist - wie auch in den Jahren zuvor - gegenüber dem Vorjahr erneut gestiegen. In wie weit sich dies zukünftig weiter fortsetzen kann, ist die große Frage. Die Krise auf dem Arbeitsmarkt hinter den Krisen der Welt heißt: Fehlende Fachkräfte. Der Bestand an offenen Stellen steigt. Das Stellenbesetzungsverfahren wird immer schwieriger. Zum Teil bleiben Stellen unbesetzt.
Frank Neukirchen-Füsers, Vorsitzender Geschäftsführer der Agentur für Arbeit Bochum, betont, wie gut der Bochumer Arbeitsmarkt aufgestellt ist, berücksichtigt aber auch die kommenden Herausforderungen: „Wir haben die zweitniedrigste Arbeitslosigkeit der letzten 14 Jahre und die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit seit 2008. Eine gute Botschaft, insbesondere für die jungen Menschen in der Stadt. Auch die Langzeitarbeitslosigkeit ist gesunken und die Beschäftigung steigt seit Jahren stetig an. Das sind sehr gute Nachrichten für den Bochumer Arbeitsmarkt. Aber wir dürfen uns nicht ausruhen. Die Krise hinter den Krisen dieser Welt lautet Fachkräftemangel. Demografie und Transformation des Arbeitsmarktes fordern ein konsequentes Umdenken der Unternehmen, der Bewerber und insgesamt in der Gesellschaft. Wir brauchen mehr Fachkräfte, Spezialisten und Experten. 2022 wurden allein 74 Menschen in ihren Betrieben mit unserer Hilfe weiter qualifiziert und rund 600 arbeitsuchende Menschen durch berufliche Qualifikationen für den Arbeitsmarkt vorbereitet. Das ist gut, aber lange noch nicht genug. Unsere Förder- und Weiterbildungsmaßnahmen, insbesondere bei der Förderung von Beschäftigten, werden nicht ausgeschöpft. Qualifikationsbedarfe ändern sich immer schneller und Fachkräfte sind nur schwer zu erhalten. Deshalb ist es umso wichtiger, die eigenen Mitarbeitenden durch geförderte Weiterbildung auf die Anforderungen der Zukunft vorzubereiten. Ebenfalls werden wir im nächsten Jahr noch stärker die Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland angehen. Auch hier stehen wir den Betrieben gerne mit Rat und Tat zur Verfügung. Darüber hinaus gibt es aber auch Potential vor Ort, was noch ausbaufähig ist: Junge Menschen ohne Ausbildung, Mütter oder Väter, die zurück in den Beruf wollen und auch Fachkräfte mit einer Behinderung. Es darf keiner außen vor bleiben. Benötigt werden alle.“
Auch Oberbürgermeister Thomas Eiskirch freut sich über die positiven Signale aus der lokalen Wirtschaft in schweren Zeiten: „Die gute Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt ist genau das positive Zeichen, das wir in diesen Zeiten benötigen und macht deutlich, wie robust mittlerweile die Bochumer Wirtschaftsstruktur ist. Trotz der Krisen zeigt sich der Bochumer Arbeitsmarkt stabil, die Betriebe investieren. Das heißt: Weniger Arbeitslose, mehr sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, mehr Stellenangebote. Erfreulich ist, dass die Zahl der Langzeitarbeitslosen gegenüber dem Vorjahr deutlich gesunken ist. Die zahlreichen Fördermaßnahmen zeigen Wirkung und diese Tendenz setzt sich hoffentlich fort.“
Georg Sondermann, Geschäftsführer des Bochumer Jobcenters, schließt sich den Aussagen des Oberbürgermeisters und des Geschäftsführers der Agentur an und bestätigt, dass 2022 auch für seine Einrichtung ein ungemein erfolgreiches Jahr war. Das sei umso bemerkenswerter, da die Integration der ukrainischen Flüchtlinge das Jobcenter seit dem Frühsommer vor große Herausforderungen stellte. Er sagt: „Wir haben im Juni in einem enormen Kraftakt gemeinsam mit der Stadt Bochum 2.000 Menschen von jetzt auf gleich in die Betreuung des Jobcenters genommen, den Lebensunterhalt sichergestellt und frühzeitig mit Sprach- und Integrationskursen die Weichen gestellt, damit die Menschen hier in Bochum gut ankommen. Jetzt steht die Vermittlung in Arbeit an und da bin ich guter Hoffnung. Die Nachfrage nach Arbeitskräften ist unverändert hoch und die Menschen aus der Ukraine sind gut qualifiziert sowie motiviert.“ Sondermann betont, dass 2023 mit der Umsetzung des Bürgergeld-Gesetzes ein weiteres wichtiges Jahr werden wird: „Das neue Bürgergeld ist eine gute Sache. Die dringend erforderliche Erhöhung der Sätze für den Regelbedarf unterstützt die Menschen in einer schwierigen Zeit und ermöglicht ihnen, sich stärker auf ihre berufliche Perspektive zu konzentrieren. Hier eröffnet der Gesetzgeber mit dem klaren Fokus auf Fortbildung und Qualifizierung neue Möglichkeiten, damit die Menschen langfristig und nachhaltig auf dem Arbeitsmarkt Fuß fassen können. Instrumente wie das Weiterbildungsgeld oder die Verlängerung der Förderung von Umschulungsmaßnahmen bis zu 3 Jahren sind erfolgversprechende Ansätze, die wir als Jobcenter schon lange gefordert haben.“
Insgesamt vollzieht sich der Rückgang der Arbeitslosigkeit 2022 gegenüber dem Vorjahr in allen Personengruppen. Durchschnittlich 16.752 Arbeitslose gab es im zurückliegenden Jahr. Das sind rund 1.070 Personen oder 6,0 Prozent weniger als 2021. Dennoch gibt es Unterschiede: Der Rückgang der Arbeitslosigkeit zeigte sich mit minus 760 Personen oder fast einem Fünftel weniger Arbeitslosen (17,1 Prozent) deutlich stärker in der Versicherungsleistung (Sozialgesetzbuch III). In der Grundsicherung (Sozialgesetzbuch II) ist der Rückgang mit minus 309 Personen oder 2,3 Prozent sichtbar schwächer. Ein häufiger Grund dafür ist, dass ein Großteil der Arbeitslosen in der Grundsicherung ohne Ausbildung ist.
Den größten Rückgang über beide Rechtskreise hinweg (SGB III und SGB II) verzeichnete in diesem Jahr die Personengruppe der unter 25jährigen. Hier lag die Zahl der jugendlichen Arbeitslosen 2022 im Schnitt bei 1.140 Personen. Mit Blick auf das Vorjahr 2021 sind das 156 junge Menschen oder 12,0 Prozent weniger. Gefolgt wird diese gute Entwicklung von einem hohen Abbau der langzeitarbeitslosen Menschen. Hier lag die durchschnittliche Zahl im zurückliegenden Jahr bei 7.383 Personen. Gegenüber dem Jahr 2021 sind das 939 Personen oder 11,3 Prozent weniger.
Auffällig ist, dass sich der Rückgang der Arbeitslosigkeit 2022 deutlich stärker mit minus 771 Personen oder 7,6 Prozent bei den Männern als mit minus 298 Personen oder 3,9 Prozent bei den Frauen entwickelt hat. Erklärbar ist dies durch ukrainisch geflüchtete Frauen, die seit Mitte dieses Jahres in der Arbeitslosenstatistik gezählt werden.
Der Bestand an offenen Stellen ist sichtbar im zurückliegenden Jahr gestiegen. Im Schnitt lag er bei 4.067 offenen Stellen. Das sind gut ein Viertel (26,9 Prozent) mehr offene Stellen als 2021. Damals lag die durchschnittliche Zahl an offenen Stellen bei 3.204 und damit um 863 Stellen niedriger als dieses Jahr. Dies ist ein Beleg dafür, dass das Stellenbesetzungsverfahren sich erschwert: Es werden neue Stellen gemeldet, aber ältere können nicht abgemeldet werden, da das adäquate Personal fehlt und sie nicht besetzt werden können. Immer mehr Stellen werden zum Beispiel aus dem Dienstleistungsbereich, dem Gesundheitswesen, der Wissenschaft und auch aus dem öffentlichen Dienst gemeldet. Rückläufig ist der Bereich der Finanz- und Versicherungsbranche.