Ein Arbeitsmarkt mit zwei Tendenzen: Mehr Menschen finden eine Arbeit, allerdings verringert dies die Arbeitslosigkeit nicht. Denn die Qualifikationen müssen zum Anforderungsprofil passen. Hier helfen Aus- und Weiterbildungen.
Zum Ende des Jahres wird Bilanz gezogen. Gemeinsam mit Thomas Eiskirch, (Oberbürgermeister der Stadt Bochum) und Georg Sondermann (Geschäftsführer des Jobcenters) lässt Christopher Meier als Vorsitzender Geschäftsführer der Agentur für Arbeit das Jahr 2024 Revue passieren.
Eine gute Nachricht zum Jahresende: Auch 2024 ist die Beschäftigung in Bochum weiter gestiegen. Insgesamt 148.597 sozialversichert Beschäftige zählte die Agentur für Arbeit im März (letzte Auswertung) und zählt damit die meisten Beschäftigten für diesen Monat seit 15 Jahren. Gegenüber dem Vorjahresmonat entspricht der aktuelle Wert einem Plus von 1,7 Prozent.
Diesem Trend folgt auch die stark gestiegene Zahl der Beschäftigung geflüchteter Menschen in Bochum. Innerhalb von fünf Jahren haben deutlich mehr Menschen aus Syrien, Afghanistan, dem Irak oder dem Iran eine Anstellung in Bochum gefunden. Die Beschäftigung Geflüchteter hat sich seit 2019 von 1.503 auf 4.338 Personen erhöht und damit fast verdreifacht.
Ein genauer Blick auf den Arbeitsmarkt zeigt allerdings, dass trotz steigender Beschäftigung die Unternehmen zurückhaltender bei der Meldung neuer Stellen sind. Mit 6.915 neu gemeldeten Stellen in 2024 liegt diese Zahl auf dem niedrigsten Wert seit 15 Jahren. Dies ist ein Rückgang um 7,6 Prozent zum Vorjahr. Das liegt beispielsweise daran, dass Unternehmen nicht erwarten, ihren Bedarf aus dem Pool freier Stellen decken zu können. Zudem blicken Arbeitgeber mit Skepsis auf die künftige wirtschaftliche Entwicklung.
Christopher Meier sieht trotz angespannter Zeiten weiteres Entwicklungspotenzial für den Bochumer Arbeitsmarkt: „Die konjunkturelle Herausforderungen im zurückliegenden Jahr können wir nicht übersehen. Es ist auch nicht damit zu rechnen, dass sich an der aktuellen Situation schnell etwas ändert. Das wäre nicht seriös und liegt nicht in unserer Hand. Aber wir machen unseren Job: Wir beraten die Menschen, die arbeitslos werden und es sind und versuchen – mit allen Instrumenten, die uns zur Verfügung stehen – dafür zu sorgen, dass gemeldete Stellen besetzt werden können und so mehr Beschäftigung entsteht. Dazu gehört etwa, Qualifizierungsangebote zu machen, denn der Arbeitsmarkt braucht Fachkräfte – in Zukunft wohl auch wieder deutlich mehr. Zwar verzeichnen wir in 2024 einen Anstieg der Arbeitslosigkeit um 4,7 Prozent. Aber entgegen allen Erwartungen registrieren wir trotz Krise einen leichten Anstieg der Beschäftigung. Es handelt sich auf den ersten Blick um konträre Entwicklungen. Die Detailanalyse zeigt aber, dass die Unternehmen trotz Krise weiter Personal benötigen. Wenn die Wirtschaft wieder floriert, müssen wir besser vorbereitet sein. Wir müssen alles daransetzen, Menschen und Personal in den Unternehmen weiter gut aus- und fortzubilden. Unser Fokus wird dabei bei der Jugend bleiben. Prävention ist besser als Schadensregulierung.“
Oberbürgermeister Thomas Eiskirch freut sich über die gute Entwicklung der Beschäftigung trotz angespannter Zeiten: „Der Bochumer Arbeitsmarkt ist seit Jahren insgesamt stabil und trotzt den unterschiedlichsten Krisen. Das Beschäftigungswachstum hält an und die gute Nachricht ist: Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist wieder gestiegen – auf den höchsten März-Wert seit 15 Jahren. Diese positive Entwicklung zeigt, wie robust mittlerweile die Bochumer Wirtschaftsstruktur ist. Dennoch gibt es Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen: So ist die Jugendarbeitslosigkeit im Vergleich zum Vorjahr deutlich gestiegen. Fast 1.400 junge Menschen zwischen 15 und 25 Jahren sind ohne Job. Aber sie verdienen eine Perspektive! Deshalb sind alle Betriebe aufgefordert, mehr Stellen zu schaffen und junge Menschen auszubilden.“
Das Bochumer Jobcenter legte 2024 einen Fokus auf die Integrationen geflüchteter Menschen. Georg Sondermann, der Geschäftsführer, bilanziert das zurückliegende Jahr: „Wir waren in Bochum beim Job-Turbo sehr erfolgreich. Bei den Menschen aus der Ukraine haben wir unser Jahresziel von 200 Integrationen schon im August übertroffen und werden am Jahresende deutlich über 300 Integrationen landen. Und auch bei den geflüchteten Menschen aus den wichtigsten acht Herkunftsländern konnten wir wieder über 1.500 Menschen in Arbeit vermitteln. Ein Schüssel für diesen Erfolg ist die intensive Beratung, die wir auch 2025 fortsetzen werden. Und das nicht nur bei geflüchteten Menschen. Wir haben nach Corona den Kontakt zu manchen unserer Kunden verloren. Hier setzen wir im kommenden Jahr auf eine aktive Quartiersarbeit und gehen gezielt an die Orte, an denen wir die Menschen erreichen.“
Die Agentur für Arbeit verzeichnet einen durchschnittlichen Anstieg der Arbeitslosigkeit 2024 gegenüber dem Vorjahr um 4,7 Prozent (794 Personen). 17.755 Personen insgesamt sind in Bochum über beide Rechtskreise hinweg (Agentur für Arbeit und Jobcenter) 2024 im Jahresdurchschnitt arbeitslos registriert. Die Langzeitarbeitslosigkeit ist im abgelaufenen Jahr um nur 3 Prozent (212 Personen) gestiegen. Gemessen an der allgemeinen wirtschaftlichen Situation und auch im langjährigen Vergleich bleibt diese Entwicklung moderat.
Auffällig ist, dass fast zwei Drittel aller Arbeitslosen über keine abgeschlossene Ausbildung verfügen. Doch vier von fünf Arbeitsstellen stehen nur Fachkräften, Experten oder Spezialisten offen. Auch wenn es immer Stellen auf Helferniveau geben wird, ist aktuell nur jede fünfte Arbeitsstelle eine auf Helferniveau. Zwar verzeichnet die Agentur in diesem Jahre in diesem Bereich einen Anstieg um rund 15 Prozent. Aber auf lange Sicht gesehen wird sich dieses Segment des Arbeitsmarktes den Experten zufolge nicht vergrößern. Ein Grund mehr, in Qualifikation zu investieren sowie Aus- und Weiterbildung zu forcieren.
Angesichts der aktuellen Rahmenbedingungen rechnet die Agentur für Arbeit weiter mit einem tendenziellen Anstieg der Arbeitslosigkeit. Die Konjunktur schwächelt, darauf deutet auch das Interesse der Unternehmen an Kurzarbeit hin. Passende Unterstützungsmaßnahmen der Agentur für Arbeit stehen für beide Fälle auch im kommenden Jahr zur Verfügung.
* Bei den Zahlen handelt es sich um bis Ende Dezember hochgerechnete Auswertungen und sind daher „Circa-Werte“
*² Die nächste Auswertung zur Beschäftigungsentwicklung erfolgt erst Mitte Januar 2024.