Bremerhavener Arbeitsmarkt 2022 durch internationale Ereignisse geprägt

Arbeitslosenquote steigt leicht an auf 13,3 Prozent

 

Jüngere und Langzeitarbeitslose profitieren besonders

von Aufnahmefähigkeit des Marktes

22.02.2023 | Presseinfo Nr. 23

Arbeitslosenzahl im Jahresdurchschnitt 2022:

7.980

Veränderung gegenüber Vorjahr:

+57 bzw.  +0,7 %

Arbeitslosenquote im Jahresdurchschnitt 2022:

Veränderung gegenüber Vorjahr:                          

13,3 %

+0,2 %

Leichter Anstieg der Arbeitslosigkeit in Bremerhaven geprägt durch Zuzug Schutzsuchender aus der Ukraine

In der Stadt Bremerhaven lag die durchschnittliche Arbeitslosigkeit im Jahr 2022 bei 7.980 Personen, ein Anstieg gegenüber dem Vorjahr um 57 Personen oder +0,7%. Davon kamen im Jahresdurchschnitt 425 Menschen aus der Ukraine, 2021 waren es nur 16.

Die durchschnittliche Arbeitslosenquote betrug im Jahr des Angriffskrieges gegen die Ukraine in der Stadt Bremerhaven 13,3%. Damit stieg die Quote um 0,2 Prozentpunkte über den Durchschnittsjahreswert des noch stärker von der Corona-Pandemie geprägten Vorjahres 2021 (13,1%).

 

Starker Zugang aus Nichterwerbstätigkeit prägt das Bild

Verschiedene Einflüsse prägten das Bild am Arbeitsmarkt 2022. Den stärksten Zugang in die Arbeitslosigkeit gab es aus der sog. Nichterwerbstätigkeit (6.257 Personen), ein Plus von 16,9% oder 903 Personen zum Vorjahr. Insgesamt meldeten sich zudem 4.525 Menschen aus Beschäftigung arbeitslos mehr als im Vorjahr (+98 oder +2,2%).

Die Beendigung der Arbeitslosigkeit durch Aufnahme einer Ausbildung oder einer Maßnahme gelang 4.046 Personen, das waren 481 Personen oder 13,5% mehr als 2021. Durch einen Wechsel in den 1. Arbeitsmarkt konnten 4.017 Personen ihre Arbeitslosigkeit abschließen, etwas weniger als im Vorjahr (-55 Personen oder -1,4%). Im Ergebnis der unterschiedlichen Einflüsse auf den Markt waren im Jahresdurchschnitt 2022 dann 57 Personen mehr im Arbeitsagenturbezirk arbeitslos gemeldet als im Vorjahr.

 

Statement zum Jahresverlauf 2022

Joachim Ossmann, Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Bremen-Bremerhaven: „Die fortlaufende Corona-Pandemie mit ihren weltweiten Auswirkungen auf Lieferketten, der sich verschärfende Fachkräftemangel und die Aufnahme der Geflüchteten aus der Ukraine stellten die Agentur für Arbeit und das Job-center in Bremerhaven im letzten Jahr vor erhebliche Herausforderungen.

So hatten nicht nur die Hotellerie- und Gastronomie und der Veranstaltungs- und Kulturbereich neben den weiterhin spürbaren Auswirkungen der Pandemie zusätzlich mit Personalengpässen zu kämpfen, sondern auch der Gesundheitsbereich, das Handwerk und die Logistik. Probleme in den Logistikketten haben als Corona-Folgen generell die Wirtschaft beeinträchtigt.

Trotz allem zeigte sich der Arbeitsmarkt in robuster Verfassung. Das Niveau der Arbeitslosigkeit läge ohne den Sondereinfluss durch die ukrainischen Geflüchteten im letzten Jahr (425 Personen) mit dann nur 7.555 Arbeitslosen deutlich unter dem Vorjahreswert von 7.923  Personen.

Überwiegend haben sich die Unternehmen im letzten Jahr gut auf die nach wie vor teilweise schwierigen Rahmenbedingungen einstellen können und suchten - auch vor dem Hintergrund Demografie bedingter Altersabgänge von Mitarbeiter/-innen - intensiv nach Personal. Mit über 1.464 zur Besetzung verfügbaren Stellen lag der gesamte Stellenbestand um gut 20% über dem Vorjahr 2021.

Die in einigen Branchen auch bereits vor Corona bestehenden Fachkräfteengpässe z. B. im Gesundheitswesen, im Handwerk und in der Baubranche haben sich im letzten Jahr verstärkt. Das hat durch die damit verbundene verlängerte Laufzeit offener Stellen dazu beigetragen, dass sich der Stellenbestand im Jahresdurchschnitt so deutlich erhöht hat. Mit 1.617 offenen Stellen wurde im Juli 2022 sogar ein neuer Höchststand seit Fusion der Agenturen in Bremen und Bremerhaven im Jahr 2012 erreicht. Der Zugang an neuen Stellen lag 2022 mit -1,1% leicht unter dem Niveau des Vorjahres

In Bremerhaven gab es insgesamt bei der jahresdurchschnittlichen Arbeitslosigkeit mit nun 7.980 Personen einen sehr leichten Anstieg zum Vorjahr. Rechnet man allerdings die vor dem Krieg geflüchteten Menschen aus der Ukraine heraus, um eine vergleichbare Grundlage zu haben, zeigt sich ein bereinigter Rückgang der Arbeitslosigkeit von 7.923 Personen 2021 auf 7.555 Personen 2022.“

 

Arbeitslosigkeit steigt in der Grundsicherung, weniger Kunden bei der Agentur für Arbeit

Arbeitsagentur: In der Stadt Bremerhaven waren 2022 jahresdurchschnittlich 1.526 Personen bei der Agentur für Arbeit (nach Sozialgesetzbuch III) arbeitslos gemeldet, ein Rückgang zum Vorjahr um 223 Personen oder -12,8 Prozent.

Jobcenter: In Bremerhaven waren mit 6.454 Personen im zurückliegenden Jahresdurchschnitt 280 Arbeitslose (+4,5%) mehr gemeldet (nach dem Sozialgesetzbuch II) als im Vorjahr 2021.

 

Unterbeschäftigung kaum verändert

Ergänzend zur gesetzlich definierten Arbeitslosenzahl veröffentlicht die Agentur für Arbeit Bremen-Bremerhaven die umfassenderen Angaben zur Unterbeschäftigung. Dazu zählen zusätzlich zu den Arbeitslosen solche Personen, die nicht als arbeitslos gelten, aber z.B. im Rahmen von arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen gefördert werden[1]. Nicht enthalten sind Beschäftigte in Kurzarbeit, weil diese Daten erst mit mehrmonatiger zeitlicher Verzögerung erhoben werden können.

Nach dieser Definition waren im Jahresdurchschnitt in Bremerhaven 10.555 Personen in der Unterbeschäftigung. Das waren lediglich 47 Personen mehr als im Vorjahr (2021: 10.508 Personen).

Die Unterbeschäftigungsquote im Jahresdurchschnitt stieg an von 16,8 Prozent im Jahr 2021 auf 17,0 Prozent im Jahr 2022.

 

Das Jahr 2022 bringt mehr Beschäftigung, beinah ein Drittel in Teilzeit

Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten (ohne ausschließlich geringfügig Beschäftigte) lag bei 53.671 Personen (Stichtag 30. Juni 2022). Das waren mehr Beschäftigte als im Vorjahr (+1,6%) und sogar 3,4% mehr Beschäftigte als im ersten Corona-Jahr 2020.

Betrachtet man nur die Gruppe der ausschließlich geringfügig Beschäftigten (6.434 Personen) fällt der Zuwachs gut doppelt so groß aus wie der Anstieg bei der Gesamtbeschäftigung. Er lag im Vergleich zu 2021 bei 3,4 Prozent.

Der Anteil der Teilzeitbeschäftigten an allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten näherte sich einem Drittel (29,5%), das waren +1,2 Prozent mehr als zum Vorjahreszeitpunkt 2021.

 

Umfang des Stellenangebots blieb auf Langzeithoch, Branchen zeigen aber Unterschiede

Die Nachfrage nach Arbeitskräften durch die Betriebe über die Agentur für Arbeit Bremerhaven stieg 2022 gegenüber dem Vorjahr noch einmal an. Das Angebot insgesamt im Bestand erreichte im Jahresdurchschnitt mit 1.464 Arbeitsangeboten ein Langzeithoch.

Die Zahl der neu gemeldeten Stellen (Zugang) ging um -1,1% (38 Stellen) allerdings leicht zurück in der Jahressumme 2022.

 

Die Veränderungen des (sozialversicherungspflichtigen) Stellenzugangs war in den Wirtschaftsbereichen sehr unterschiedlich. Im Vergleich zu 2021 gab es die stärksten Anstiege in den soz. Dienstleistungen / Kunst u. Unterhaltung (+39,6%), im Bereich Erziehung und Unterricht (+30,0%) sowie im Verarbeitenden Gewerbe (+28,0%).

Schwächer als im Vorjahr fiel insbesondere die Kräftenachfrage im Gastgewerbe aus (-31,2%), in der Arbeitnehmerüberlassung (-16,4%) sowie im Handel (-12,1%).

Arbeitsmarktanalyse nach besonderen Personengruppen: hoher Anstieg der Arbeitslosigkeit von Ausländern dämpft andere positive Entwicklungen

 

Sehr stark profitierte die Gruppe der Langzeitarbeitslosen von der wirtschaftlichen Entwicklung 2022.  Der Rückgang von -6,2% auf dann 3.359 Personen lag deutlich über der Gesamtentwicklung in Bremerhaven. Im Land Bremen war der Rückgang mit -12,2% beinahe doppelt so hoch.

 

Bei den jungen Arbeitslosen unter 25 Jahren verlief die Entwicklung 2022 ebenfalls günstig. Hier gab es einen Rückgang der Arbeitslosigkeit um -3,5% (-24 Personen), eine bessere Veränderung als der Gesamtanstieg von +0,7%. Die Zahl der arbeitslosen Jüngeren sank damit auf jahresdurchschnittlich 671.

 

Auch in der Gruppe der schwerbehinderten Menschen sank die Arbeitslosigkeit entgegen der Gesamtentwicklung. Sie verringerte sich um -8,1 Prozent oder -27 Personen. Im Jahr 2022 waren im Jahresdurchschnitt 304 schwerbehinderte Personen arbeitslos.

 

Die internationale Lage mit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine führte zu einem hohen Zuzug geflüchteter Menschen nach Bremerhaven. Nach einer Übergangszeit wurden sie vom Jobcenter unterstützt. Dadurch nahm die Zahl arbeitslos gemeldeter Ausländer überproportional zu. Die Zahl der arbeitslosen Ausländer stieg um +14,9% oder +376 Personen stark an. Im Jahresdurchschnitt waren 2.898 Ausländer arbeitslos. Im Land Bremen lag der Anstieg nur bei 2,0%,

 

Betrachtet man die Entwicklung der Arbeitslosigkeit von Frauen im Jahr 2022 zeigt sich ein Anstieg der Arbeitslosigkeit um +5,8%. Viele der zugezogenen Geflüchteten aus der Ukraine waren Frauen, es kam zu einem Anstieg der gemeldeten arbeitslosen Frauen auf 3.542 Personen.

 

Einen Zuwachs der Arbeitslosigkeit brachte das Jahr 2022 auch für die die Gruppe der sogenannten Geringqualifizierten mit +3,3%. Insgesamt stieg damit Zahl auf 5.800 Personen an. Im Land Bremen gab es dagegen einen Rückgang um -3,1%,

 

 

Ausblick auf das Jahr 2023

 

Joachim Ossmann, Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Bremen-Bremerhaven: „Konkrete Vorhersage zur Arbeitsmarktentwicklung gestalten sich vor dem Hintergrund der Unsicherheiten, die der Ukraine-Krieges mit sich bringt, der weiteren Infla-tionsentwicklung und einer eher gedämpften Konjunkturerwartung schwierig. Sicher ist aber, dass der in Teilen der Wirtschaft schon vor Corona bestehende Fachkräftemangel sich in diesem Jahr weiter verschärfen wird.

Um dem entgegenzuwirken, setzt die Agentur für Arbeit in Bremerhaven weiterhin massiv auf die Qualifizierung sowohl während der Arbeitslosigkeit als auch z.B. durch Förderung von nachträglichen Berufsabschlüssen während der Tätigkeit in einem Unternehmen.

Im Jahr 2022 haben monatlich fast 2.200 Personen an arbeitsmarktlichen Maßnahmen teilgenommen, davon gut 400 an solchen, die zu Berufsabschlüssen führten. Dieses hohe Niveau werden wir auch im Jahr 2023 aufrechterhalten.

Mehrere Gesetzesvorhaben der Bundesregierung werden dabei die Integrationschancen von Arbeitslosen verbessern und helfen, dem Fachkräftemangel noch wirksamer zu begegnen:

Genannt sei in diesem Zusammenhang das Qualifizierungschancengesetz, welches Bildungs-(teilzeit) und Qualifizierungsgeld für Arbeitslose enthalten wird.

Das Chancenaufenthaltsgesetz wird die Integrationsmöglichkeiten langjährig Geduldeter verbessern.

Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz wird es für gut qualifizierte Menschen aus dem Ausland attraktiver machen in Deutschland zu arbeiten.

Dazu kommt mit der geplanten Ausbildungsgarantie auch ein Angebot für Jugendliche am Anfang ihres Berufslebens.

In der Summe verbessern sich damit die Rahmenbedingungen für die Qualifizierung zur Fachkraft und Teilhabe am Arbeitsleben. Die Agentur für Arbeit und das Jobcenter werden alles dafür tun, dass die Menschen diese Chancen erkennen und bei der Umsetzung helfen

 

Nina von Rittern, Geschäftsführerin des Jobcenters Bremerhaven, stellt fest:

„Leider war auch der Jahresstart 2022 noch von der Pandemie geprägt. Nachdem wir seit März endlich wieder ergänzende Präsenz-Formate, wie das monatliche Jobcafé in Zusammenarbeit mit Agentur für Arbeit und unserem gemeinsamen Arbeitgeberservice anbieten konnten, hat uns der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine vor neue Herausforderung gestellt. Dank einer guten Zusammenarbeit mit dem Sozialamt und der Abteilung für Migration und Einbürgerung waren wir in der Lage alle Geflüchteten aus der Ukraine, die bis zum 31.05.22 eingereist kamen, zum 01.06.22 zu übernehmen. Zusätzlich ist auch der Beratungs- und Unterstützungsbedarf durch die Folgen der Energiekrise und Inflation enorm gestiegen. Ich bin stolz auf meine Mannschaft, dass sie diesen Kraftakt geschafft hat.

Auch die gute Zusammenarbeit mit unsern Qualifizierungs- und Beschäftigungsträgern hat uns wieder mal durch die Krisen geholfen. So konnten wir gemeinsam Lösungen entwickeln, um z.B. die fehlenden Sprachkursangebote mit alternativen Angeboten zu überbrücken und Beratungsangebote zum Thema Energie sparen direkt bei uns im Jobcenter anzubieten.

 

Das kurzfristige Inkrafttreten der Bürgergeldreform fordert uns ebenfalls. Dennoch sehen wir die Weiterentwicklung als Chance in Bezug auf die Verbesserung der Arbeitsmarktchancen und eine nachhaltigere Eingliederung in den Arbeitsmarkt durch Qualifizierung und Berufsausbildung. Vor allem mit den Neuregelungen ab 01.07.23 wird sich Arbeit aber, entgegen viel getätigter Behauptungen, noch mehr lohnen, wenn die Zuverdienstregelungen angepasst werden.

Trotz unsicherer Rahmenbedingungen gehe ich davon aus, dass es aufgrund des Arbeitskräftemangels in 2023 weiterhin gute Möglichkeiten für die Integration in den Arbeits- und Ausbildungsmarkt geben wird. Inwieweit wir es schaffen, in Bremerhaven die Arbeitslosigkeit zu reduzieren, wird neben der Entwicklung am Arbeitsmarkt auch maßgeblich von den weiteren Fluchtbewegungen zu uns abhängen, sowohl in der Ukraine als auch in der restlichen Welt.“

 

 

Stadt Uwe Parpart: „Die Agentur für Arbeit und das Jobcenter spielen eine wichtige Rolle, z. B. bei der Integration von Flüchtlingen in unserer Stadt. Dafür den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an dieser Stelle im Namen des Magistrats der Stadt Bremerhaven recht herzlichen Dank!

 

Die Arbeitswelt hat sich verändert und verändert sich weiter; der Wandel ist in vollem Gange. Erinnert man sich z. B. an das Jahr 1995, da war die Arbeitslosenquote bei ca. 25 % und es gab ein geflügeltes Wort in Bremerhaven: „Der Letzte macht das Licht aus.“ Wenn damals vorausgesagt worden wäre, dass im Jahr 2023 mehr Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler als Werftarbeiterinnen und Werftarbeiter in Bremerhaven in Lohn und Arbeit stünden, hätten die meisten ungläubig mit dem Kopf geschüttelt. In Bremerhaven liegen die wirtschaftlichen Perspektiven eben in diesem Wandel, z. B. beim Ausbau der sog. „Green Economy“. Der Klimawandel kann nur gelingen mit Firmen, die dieses Ziel industriell umsetzen.

 

Davon wird Bremerhaven profitieren.

 

Bei der Vermittlung und Ausbildung von qualifiziertem Personal werden die Agentur für Arbeit und das Jobcenter weiterhin eine große Rolle spielen.“

 

 


[1] Dazu gehören Personen in Arbeitsmarktmaßnahmen, beruflicher Weiterbildung, Arbeitsgelegenheiten, Gründungszuschuss, Altersteilzeit etc. Aufgrund der Vorläufigkeit der Daten zur Maßnahmeteilnahme können sich hier in den kommenden Monaten noch Änderungen ergeben.