Lieferengpässe, hohe Energiekosten, Fachkräftemangel: Die Liste der Herausforderungen am Arbeitsmarkt ist lang. Trotzdem zeigte er sich im vergangenen Jahr recht robust, wie Frank Thiemann, der Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Coesfeld, und Rolf Heiber, operativer Geschäftsführer, in der Jahresbilanz zum Arbeitsmarkt in 2022 betonen.
Entwicklung der Arbeitslosigkeit
"Die Auswirkungen der Corona-Pandemie spielten in diesem Jahr eine immer kleinere Rolle am Arbeitsmarkt," erklärt Frank Thiemann und ergänzt: "Dafür sind, vor allem durch den Krieg in der Ukraine, neue Herausforderungen entstanden, die sich auf den Arbeitsmarkt ausgewirkt haben." Dennoch sei die Arbeitslosigkeit im Vergleich zum Vorjahr gesunken. Im Jahresdurchschnitt waren 11.203 Menschen im Bezirk der Agentur für Arbeit Coesfeld, die die Kreise Borken und Coesfeld umfasst, arbeitslos gemeldet. Damit waren es 254 Personen weniger als im Vorjahr. Die Arbeitslosenquote blieb hingegen unverändert bei 3,3 Prozent im Jahresschnitt.
Sondereffekt durch Geflüchtete aus der Ukraine
Viele Menschen mussten im zurückliegenden Jahr ihre Heimat verlassen. "Vor allem aus der Ukraine sind zahlreiche Menschen vor Krieg und Gewalt geflüchtet", erklärt Thiemann. Einige von ihnen nach Deutschland, wo sie seit Juni von den kommunalen Jobcentern betreut werden. "Je nach persönlicher Situation suchen diese Menschen hier bei uns eine Arbeit und melden sich dazu arbeitslos", erklärt sein Kollege Heiber. Das führte dazu, dass sie auch in der Arbeitslosenstatistik auftauchten. Insgesamt 2.911 Ukrainerinnen und Ukrainer meldeten sich von Juni 2022 bis Dezember arbeitslos. "Nun gilt es, ihnen sprachliche Kenntnisse zu vermitteln und eine berufliche Perspektive zu schaffen", sagt Heiber.
Entwicklung der Arbeitskräftenachfrage
"Trotz der diversen Herausforderungen, die bei Unternehmen natürlich für Verunsicherungen sorgten, konnten viele Menschen eine neue Anstellung finden", wie Rolf Heiber berichtet. Zwar meldeten die Unternehmen im Agenturbezirk mit 11.922 freien Arbeitsstellen im Jahr 2022 genau 2.049 Stellen weniger als noch im Jahr davor, dennoch war der Bestand an insgesamt gemeldeten Stellen auf Rekordniveau. So waren im Jahresdurchschnitt 7.562 Stellen bei der Arbeitsagentur gemeldet, 1.416 mehr als im Vorjahr.
"Leider ist ein hoher Bestand an offenen Stellen nicht nur positiv zu betrachten", gibt Heiber zu bedenken und erklärt: "Es wird für Unternehmen immer schwieriger, geeignete Fachkräfte zu finden. Es dauert also länger, bis eine Stelle besetzt werden kann." Das wird besonders deutlich, wenn man sich anschaut, wie sich Angebot und Nachfrage am Arbeitsmarkt gegenüberstehen. So sind 70 Prozent der offenen Stellen an Menschen mit einer abgeschlossenen Berufs- oder Hochschulausbildung gerichtet. Demgegenüber sind aber 64 Prozent der arbeitslosen Menschen ohne Berufsabschluss.
Berufsbegleitende Beratung
"Der Unterschied zwischen den Anforderungsprofilen der angebotenen Stellen und den Qualifizierungsniveaus der Arbeitslosen zeigt deutlich, wo das Ungleichgewicht liegt. Deshalb haben wir bereits in den letzten Jahren schon sehr stark auf die Qualifizierung hin zu Fachkräften gesetzt", betont Agenturleiter Thiemann. Doch nicht nur Arbeitslose nimmt die Agentur für Arbeit in den Blick. Auch Menschen in Beschäftigung möchte man weiterbilden. "Wir unterstützen dabei sowohl bei der Qualifizierung von An- oder Ungelernten im Betrieb als auch bei der Weiterbildung von ausgebildeten Kräften, um ihre fachlichen Kenntnisse auf den aktuellen Stand zu bringen".
Extra dafür wurde bereits Anfang 2021 die Berufsberatung im Erwerbsleben als neues Dienstleistungsangebot eingeführt. "Es geht dabei aber nicht nur darum, Menschen in Richtung Fachkräfte zu qualifizieren", betont Thiemann. Mit dem Beratungsangebot stellt man sich bewusst für den sich verändernden Arbeitsmarkt auf: "Durch den strukturellen Wandel oder die Digitalisierung werden sich alle Beschäftigten ihr ganzes Berufsleben lang immer wieder anpassen müssen," erklärt Rolf Heiber. "Die Expertinnen und Experten aus der Berufsberatung unterstützen die Menschen während ihres Erwerbslebens. Sie beraten, wenn es um Weiterbildung, berufliche Veränderungen oder auch um Berufswechsel geht, geben einen Überblick über verschiedene Wege und Angebote sowie über Finanzierungsmöglichkeiten", ergänzt Heiber.
Der Arbeitsmarkt im Kreis Borken
Im Jahr 2022 waren im Kreis Borken im Jahresdurchschnitt 7.710 Menschen arbeitslos gemeldet. Damit sind es 126 weniger als noch im Vorjahr. Das entspricht einem Rückgang der Arbeitslosigkeit um 1,6 Prozent. Damit lag die Arbeitslosigkeit seit 2008 nur in den Jahren 2018 und 2019 noch niedriger. Die Arbeitslosenquote lag im Jahresschnitt bei 3,5 Prozent.
Gleichzeitig ist die Nachfrage nach neuen Mitarbeitern durch die Unternehmen weiterhin recht hoch. So waren im Jahresdurchschnitt 5.080 freie Stellen bei der Arbeitsagentur gemeldet, das sind 986 mehr als im Vorjahreszeitraum.
Der Arbeitsmarkt im Kreis Coesfeld
Im Jahr 2022 waren im Kreis Coesfeld im Jahresdurchschnitt 3.493 Menschen arbeitslos gemeldet. Damit sind es 128 weniger als noch im Vorjahr. Das entspricht einem Rückgang der Arbeitslosigkeit um 3,5 Prozent. Damit lag die Arbeitslosigkeit seit 2008 nur in den Jahren 2018 und 2019 noch niedriger. Die Arbeitslosenquote betrug im Jahresschnitt bei 2,8 Prozent.
Gleichzeitig ist die Nachfrage nach neuen Mitarbeitern durch die Unternehmen weiterhin hoch. So waren im Jahresdurchschnitt 2.482 freite Stellen bei der Arbeitsagentur gemeldet, das sind 430 mehr als im Vorjahreszeitraum.
Ausblick auf 2023
Mit Blick auf das vor uns liegende Jahr hänge vieles von den Entwicklungen der Krisen ab, sind sich die beiden Arbeitsmarktexperten einig: "Weiter steigende Energie- oder Materialpreise beispielsweise könnten dafür sorgen, dass der ein oder andere Betrieb in Schieflage gerät und es schlimmstenfalls zu Entlassungen kommt", erklärt Rolf Heiber. Grundsätzlich seien die Auftragsbücher, vor allem im Handwerk aber gut gefüllt, sodass man weiterhin mit einer stabilen Entwicklung rechne. "Umso wichtiger ist es aber, dass alle Akteure am Arbeitsmarkt eng zusammenarbeiten, um die großen Herausforderungen, wie beispielsweise den Fachkräftemangel, anzugehen", macht Thiemann deutlich und fügt an: "Der Fachkräftemangel ist leider nicht darauf begrenzt, dass einige Unternehmen zu wenig Personal finden. Er wird Auswirkungen auf uns alle haben und für jeden spürbar werden."