Gleichzeitig wurden dem Arbeitgeberservice im Berichtsjahr 2022/2023 für Lippe 2.199 Ausbildungsstellen gemeldet. Im Bestand sind aktuell noch 127 zu besetzende Ausbildungsstellen. 1.234 Bewerber wurden versorgt, 91 Bewerber sind mit Stand Ende September unversorgt.
Rainer Radler, Leiter der Agentur für Arbeit Detmold, zieht Bilanz: „Im vergangenen Berichtsjahr brachten der Ukraine Krieg, und daraus resultierende Unsicherheiten in der globalen Wirtschaft auch das Ausbildungs- und Arbeitsmarktgeschehen in Deutschland und vor Ort in Lippe ins Wanken: Die Konjunktur verzeichnet Einbußen, die sich auf das Einstellungsgeschehen der lippischen Unternehmen auswirken. Die gute Nachricht: Lippische Unternehmen investieren rege in Ausbildung. Die Fachkräftegewinnung und -sicherung bleibt die wichtigste Stellschraube auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt.“
IHK-Bildungsgeschäftsführer Michael Wennemann freut sich über einen deutlichen Anstieg bei den neu eingetragenen Ausbildungsverträgen. „Mit Stichtag 30. September konnten wir gegenüber dem September 2022 62 Verträge mehr verzeichnen. Das entspricht einem Plus von 5,1 Prozent. Damit lassen wir die während der Corona-Zeit zurückgegangenen Eintragungszahlen hinter uns! Trotz der in vielerlei Hinsicht unsicheren Zeiten wissen unsere Unternehmen um die Wichtigkeit qualifizierter Nachwuchskräfte. Mit der zurzeit laufenden Ausbildungskampagne #könnenlernen, an der alle 79 IHKs in Deutschland teilnehmen, wollen wir die Wertschätzung für eine duale Berufsausbildung bei allen Beteiligten steigern. Unter dem Logo der Kampagne stand auch die mit großem Erfolg durchgeführte Ausbildungsmesse „Berufe live“ mit mehr als 100 Ausstellern. „Gerne können sich Ausbildungsplatzsuchende auch jetzt noch bei uns melden. Zahlreiche Unternehmen sind noch für dieses Jahr auf der Suche nach geeigneten Auszubildenden“, so Wennemann.
Andrea Hegerbekermeier, Geschäftsführerin der Kreishandwerkerschaft Paderborn-Lippe, zeichnet folgendes Bild der Situation: "Nachdem im letzten Jahr ein Zehn-Jahres-Höchstwert in der Ausbildungsstatistik angezeigt wurde, ist die Zahl der Ausbildungsverhältnisse in 2023 wieder gesunken und die Entwicklung damit weiterhin Besorgnis erregend. Denn auch das Hoch des letzten Jahres deckte den Bedarf der Betriebe an Nachwuchsfachkräften nicht annähernd. Denn nur allein in Anbetracht des Rentenabgangs der kommenden Jahre müsste die Statistik zweimal so viele Ausbildungsverhältnisse aufweisen. Hinzu kommen Klimawandel und Energiewende, die den Bedarf an Fachkräften noch weiter in die Höhe treiben."
Ausbildungsabbrüche, das Nicht-Bestehen der Gesellenprüfung und die Abwanderung in Industrie oder Studium reduzierten die ohnehin zu niedrige Anzahl an Auszubildenden zusätzlich.
Das Fazit von Hegerbekermeier: "Das Handwerk leidet hier vor Ort unter einem massiven Nachwuchs- und Fachkräftemangel, der sich in den kommenden Jahren noch weiter und merklich zuspitzen wird, wenn nicht intensiv gegengesteuert wird."
Erfreulich sei, dass die gerade für die Klimawende relevanten Gewerke wie Anlagenmechaniker und Elektroniker nach wie vor hoch im Kurs stehen. KH-Geschäftsführerin Hegerbekermeier: "Einen Zuwachs verzeichnen wir in diesem Jahr bei den Malern und auch erfreulicherweise bei den Bäckern. Dahin gegen müssen die Gewerke Kfz und Friseur mit weniger Auszubildenden auskommen."
Die Kreishandwerkerschaft Paderborn-Lippe hat aufgrund dieser Entwicklung ihre Anstrengungen im Bereich der hauseigenen Ausbildungsoffensive „Folge deinem ich“ weiter verstärkt und um eine digitale Kampagne erweitert.
Die seit 2015 bestehende Aktion, die gezielt und auf Augenhöhe auf Schülerinnen und Schüler zugeht und für die vielen Möglichkeiten in den handwerklichen Ausbildungsberufen wirbt, habe wesentlich dazu beigetragen, dass sich der Trend in der Ausbildungsstatistik seit Bestehen der Offensive erkennbar nach oben entwickelt hat.
Hegerbekermeier: "Nichtsdestotrotz ist nach wie vor ein gesellschaftliches Umdenken von Nöten. Der Handwerker darf nicht erst dann wertgeschätzt werden, wenn er gebraucht wird. Die Wertschätzung sollte bereits in den Schulen, auch in den Gymnasien und den Gesamtschulen, beginnen. Das ist eine wichtige Daueraufgabe."
Sabine Gulfam, Teamleiterin der Berufsberatung vor dem Erwerbsleben, hält es für möglich, allen noch unversorgten Bewerbern ein attraktives Angebot unterbreiten zu können: „Kurzfristige Nachvermittlung sind zu Zeiten des erhöhten Fachkräftebedarfs keine Seltenheit.“ Gulfam ist es wichtig darauf hinzuweisen, dass mehr als 20 Beratungskräfte der Detmolder Arbeitsagentur an allen allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen im gesamten Kreisgebiet Berufsberatung anbieten, sowohl in der Agentur, aber seit Jahren vermehrt in den Schulen selbst. "Unsere Berufsberaterinnen und Berater sind das ganze Jahre über dort, wo sie von den Schülerinnen und Schülern gebraucht werden. Übrigens immer in enger Abstimmung mit den Schulleitungen und den Koordinator/innen für die Berufliche Orientierung an den Schulen."
In der aktuellen Nachvermittlungsphase und für den Ausbildungsbeginn 2024 unterstützt der Arbeitgeberservice der Arbeitsagentur Unternehmen bei der Besetzung freier Ausbildungsplätze kostenfrei unter der Hotline 0800 4555520. Junge Leute, die Hilfe bei der Ausbildungssuche anstreben, melden sich telefonisch unter 0800 4555500 bei der Berufsberatung an oder per Mail über Detmold.Berufsberatung@arbeitsagentur.de.