Girls‘ Day/Boys‘ Day am 27.04.23
Jedes Jahr stehen Schülerinnen und Schüler vor der Berufswahl und müssen sich zwischen einer Fülle von Berufen entscheiden. „Jungs gehen nach wie vor in für sie typische Berufe und auch die meisten jungen Frauen wählen Berufe, in denen sie immer schon mehrheitlich vertreten waren“, so Birte Lehmpfuhl, die als Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt in der Agentur für Arbeit Flensburg arbeitet.
Der jährlich wiederkehrende Girls’ und Boys’ Day hat zum Ziel, allen Jugendlichen auch die Berufe aufzuzeigen, zu denen sie bislang schwieriger Zugang finden, wie z.B. Mädchen die sogenannten MINT-Berufe schmackhaft und Jungs den ganzen Bereich der sozialen Berufe (SAGE) zugänglich zu machen. Hinter MINT stecken die Begriffe Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik. Die weniger bekannte Abkürzung SAGE bezieht sich auf Soziale Arbeit, Gesundheit und Pflege sowie Erziehung und Bildung. Am 27.04.23 können Jugendliche an Aktionstagen in ganz Deutschland teilnehmen und in verschiedene Berufe hineinschnuppern.
Die aktuellen Top Five Berufswünsche (März 2023) von Mädchen im Bezirk der Agentur für Arbeit Flensburg sind Medizinische Fachangestellte, Verkäuferin, Kauffrau für Büromanagement, Kauffrau im Einzelhandel und Zahnmedizinische Fachangestellte.
Um Mädchen auch auf andere Berufe neugierig zu machen, gibt es vielfältige Aktionen beim Girls‘ Day-Radar 2023. In Flensburg findet sich z.B. ein Angebot der Eckener Schule, bei dem Schülerinnen ab der 5.Klasse das Berufsbild der Bildhauerin kennenlernen können.
Birte Lehmpfuhl weist darauf hin, dass gerade Eltern die Berufswahl ihrer Kinder stark beeinflussen und wichtige Ratgeber sind, aber auch schon mal kritisch agieren. „Äußert die Tochter den Wunsch, einen technischen oder Handwerksberuf zu ergreifen, wird schon mal davon abgeraten und daher machen unsere Berufsberaterinnen und -berater auch viele Angebote an die Eltern, mehr über die Berufevielfalt zu erfahren, um eigene Vorurteile oder Ängste abzulegen.“
Der Azubi-Stammtisch der Flensburger Jugendberufsagentur (JBA) hat ebenfalls das Ziel, Jugendlichen den Zugang zu einem für sie geeigneten Ausbildungsberuf zu erleichtern. Sie werden mit einer ganzheitlichen und individuellen Beratung beim Übergang von der Schule in die Berufswelt unterstützt. Der Stammtisch ist eins von mehreren Formaten, bei denen die Jugendlichen in einer entspannten Atmosphäre in einen intensiven Austausch mit Auszubildenden gehen können. Hier finden Neugier, Interesse und Berufsperspektive Raum, so Ulrike Danielsen, Koordinatorin der JBA. Beim letzten Stammtisch am 08.03.23 nahm auch die 17-jährige Ilvie Boller aus Angeln teil, die als Industriemechanikerin im 1. Ausbildungsjahr bei M. Jürgensen in Sörup arbeitet.
Birte Lehmpfuhl sprach mit Ilvie Boller über ihre Berufswahl:
Warum haben Sie sich für den Beruf der Industriemechanikerin entschieden?
Ich habe mich für diese Berufsausbildung entschieden, da ich mich schon immer für Maschinen, Technik und das Metallhandwerk interessiert habe. Ebenfalls wurde es mir so gesehen in die Wiege gelegt, da mein Vater ausgebildeter Schiffsbetriebstechniker ist und ich manchmal mit ihm auf die Arbeit gehen durfte und sehr fasziniert war von großen Schiffsmotoren.
Außerdem liegt mir die Gleichberechtigung zwischen Frau und Mann am Herzen und das sieht man deutlich in Metallerberufen. Es gibt keine Unterschiede im Gehalt, egal ob männlich oder weiblich, jeder bekommt das gleiche (nach Beruf und Gehaltsklasse natürlich) und jeder gehört dazu. Es werden einfach keine großen Unterschiede zwischen den Geschlechtern gemacht.
Ich wollte auf jeden Fall was im handwerklichen und Metall-Bereich machen und da passt der Industriemechaniker schon ganz gut. Natürlich war ich mir anfangs unsicher und wollte auch andere Berufe ausprobieren, aber nach meinem Praktikum in der Instandhaltung war mir ziemlich klar, dass das mein Ausbildungsberuf wird und dass er mich begeistern und erfüllen wird.
Was sind aus Ihrer Sicht die Gründe, dass deutlich weniger Frauen in MINT-Berufen arbeiten als Männer?
Ich denke, es liegt daran, dass immer noch zu wenige Mädchen an technische, handwerkliche oder männerdominierte Berufe herangeführt werden. Ich finde die Frauenquote in technischen Berufen oder im Handwerk sollte noch viel mehr ansteigen, aber das gilt, wenn die Berufe nicht attraktiver gestaltet werden, für junge Leute generell. Wir brauchen mehr Interesse an handwerklichen Berufen.
Was gefällt Ihnen an der Ausbildung besonders gut?
Ich bin sehr zufrieden mit meiner Ausbildung zur Industriemechanikerin. Natürlich musste ich mich anfangs ein wenig behaupten und zeigen, dass mir nicht unbedingt alles aus der Hand genommen werden muss, was etwas mehr wiegt und dass ich sehr wohl mit Schmutz und Dreck umgehen kann. Ich mache mir gerne die Hände dreckig, wenn das heißt, was zu reißen und ich am Ende bewundern kann, was ich und meine Kollegen erreicht und geschafft haben. Besonders die selbstständigen Aufgaben und das Mitlaufen bei den Gesellen macht mir Spaß, weil man immer wieder Fortschritte macht, sich weiterentwickeln kann in seinen Tätigkeiten und von den Gesellen viel lernen kann.
Im Großen und Ganzen gefällt mir die Abwechslung als Industriemechanikerin, weil man nicht jeden Tag das Gleiche tut. Also ja, meine Arbeit macht mir sehr viel Spaß!
Bei den Jungs stehen im Agenturbezirk Flensburg hingegen Berufe (Stand 2023) wie KFZ-Mechatroniker, Verkäufer, Kaufmann im Einzelhandel, Elektroniker und Fachkraft für Lagerlogistik an erster Stelle. In den sozialen Berufen und auch im Gesundheitswesen hingegen fehlen oft die männlichen Mitarbeiter und auch deren Perspektiven z.B. als Erzieher. Dabei sind junge Männer als Erzieher in Kitas pädagogisch sehr sinnvoll und werden händeringend gesucht.
Thies Aye aus Osterby im Kreis Schleswig-Flensburg hat sich genau für diesen Beruf entschieden. Nach seinem Mittleren Schulabschluss lernte er in Niebüll Sozialpädagogischer Assistent und absolvierte dann anschließend dort drei Jahre die Ausbildung zum Erzieher. Eigentlich wollte der 22-Jährige, dessen Vater eine Metallbaufirma hat, als Kind Stahl- und Metallbauer werden. Der Vorschlag seiner Eltern, sich doch mal im Praktikum den Erzieherberuf anzusehen, hat ihn dann aber in genau diese Richtung gebracht. Jeder Abschnitt seiner Ausbildungen mit den zahlreichen Praktika hat ihm immer wieder versichert, hier genau richtig gelandet zu sein.
Birte Lehmpfuhl sprach mit ihm über seine 0Berufswahl:
Warum haben Sie sich für den Beruf des Erziehers entschieden?
Für mich war es von Anfang an klar, einen Beruf auszuüben, der mit vielen zwischenmenschlichen Kontakten stattfindet. Das aus einem einfachen Praktikum meine berufliche Zukunft entstanden ist, war eher ein Zufall. Mir gefiel von Anfang an die Vielfältigkeit und der zwischenmenschliche Kontakt. Ein wichtiger Bestandteil der Arbeit ist der Spaß an der Sache, den ich von Anfang an besaß.
Was sind aus Ihrer Sicht die Gründe, dass deutlich weniger Männer in Kindertagesstätten arbeiten als Frauen?
Der Beruf Erzieher/in ist von einem großen Frauenanteil besetzt. Leider sind die Ansichten immer noch dazu tendierend, dass dies ein Frauenberuf sei. Einhergehend damit ist vielleicht die Unsicherheit. Was denkt mein persönliches Umfeld über meine Berufswahl? Nie wegzudenken ist die Frage des Gehaltes. Was bleibt am Ende für mich über. Klar ist, dass du diesen Beruf nicht machen kannst, um viel Geld zu verdienen. Wenn du es jedoch willst, wird die Wertschätzung der Zielgruppe größer sein als dein Gehalt. Das positive Feedback meiner Freunde überwiegt auch auf jeden Fall! Es ist, glaube ich, vielen Leuten gar nicht bewusst, wie breit das Berufsfeld als Erzieher/in ist. So gehört der Bereich Kindergarten zu einem kleinen Teil des Berufsfeldes. Man kann sowohl im Jugendbereich tätig sein als auch mit Menschen mit einer Beeinträchtigung arbeiten und noch so vieles mehr.
Was gefällt Ihnen an der Arbeit als Erzieher besonders gut?
Die Vielfältigkeit ist äußerst groß. Kein Tag ist wie der andere. Das Feedback kommt auf direktem Wege zu dir. Die Zielgruppe erlebt mit dir gemeinsam. So bist du Begleiter, Unterstützer und Zeuge der jeweiligen Entwicklung zugleich.
Was würden Sie Arbeitgebern oder der Politik empfehlen, wie man mehr Männer als Erzieher gewinnen könnte?
Für viele ist es leider immer noch schwierig diese Ausbildung ohne jegliche Unterstützung zu absolvieren. Die Ausbildung wird nicht vergütet und streckt sich im kürzesten Fall auf drei Jahre ohne jegliches Gehalt. Auch ist die Ausbildung sehr schullastig (was leider nicht zu vermeiden ist) und dadurch oft abschreckend.
Was noch wichtig ist. In diesem Berufsfeld kannst du immer Arbeit finden und die kann nicht digitalisiert werden kann, denn die soziale Kommunikation kann nur von Mensch zu Mensch stattfinden.
Wer diesen Beruf einmal live erleben will, kann sich beim Kinderhaus im Schatzmoor in Süderbrarup zum diesjährigen Boys‘ Day anmelden unter https://www.boys-day.de/@/Show/kinderhaus-im-schatzmoor-gemeinnuetzige-ug-haftungsbeschraenkt/ein-tag-als-erzieher
Tipp:Birte Lehmpfuhl steht gerne für Fragen zu MINT- und SAGE-Berufen unter 0461/819-464 oder per E-Mail an bca.flensburg@arbeitsagentur.de zur Verfügung.