„Wer einmal etwas nicht zu Ende bringt, der macht es nie“ – so oder so ähnlich lautet ein typisches Vorurteil gegenüber Menschen, die keinen geradlinigen Lebenslauf haben. Doch gilt das in unserer volatilen Arbeitswelt und Gesellschaft heute immer noch?
Berufswege werden immer bunter, dadurch jedoch nicht weniger erfolgreich. Davon können das Gießener Unternehmen Mettler Toledo und deren neuer Auszubildender Lars Wanka berichten, die in einem von der Agentur für Arbeit Gießen veranstalteten Speed-Dating „zueinander gefunden haben“.
Den ersten Grundstein in ein erfolgreiches Arbeitsleben legen viele junge Abiturienten mit dem Beginn eines Studiums. Neben den vielen Hochschulabsolvent/innen brechen aber auch rund ein Drittel der Studierenden im Verlauf ihres Werdegangs ein Studium ab. „Die Gründe reichen von Leistungsproblemen, über falsche Erwartungen an das Studienfach, geänderten Interessen oder Rahmenbedingungen bis hin zu dem Wunsch nach mehr Praxisbezug“, berichtet Christiane Meyer-Fenderl, Beraterin im Hochschulteam der Arbeitsagentur Gießen und Ansprechpartnerin für studienzweifelnde Studierende.
Der 21-Jährige Lars Wanka gehörte auch zu den „Studienzweiflern“. Das gewählte Logistikmanagementstudium an der TH Mittelhessen sollte den Berufsweg in die gewünschte Bahn lenken. Doch dann kamen erste Zweifel. Nach drei Semestern Studieren traf Wanka eine Entscheidung und resümiert: „Während Corona begann ich mit dem Studium. Das war kein optimaler Start. Die Vorlesungen fanden alle nur online statt. Bis zum Ende des ersten Semesters kannte ich nur zwei Kommilitonen persönlich. So habe ich mir das Studentenleben nicht vorgestellt,“ erinnert sich Lars Wanka. Nicht nur die veränderten Rahmenbedingungen, auch einzelne Fächer langen Wanka nicht. „Ich bin einfach nicht weitergekommen im Studium. Immer öfter habe ich mich gefragt, ob es sich lohnt weiter zu machen oder einen Neustart zu wagen,“ fügt er an.
Ein Neustart kann vieles bedeuten, denn so vielfältig wie die Gründe für Studienzweifel, sind auch die Lösungsmöglichkeiten. Nicht immer werden aus Studienzweifelnden auch Studienabbrechende, berichtet Meyer-Fenderl aus ihren Beratungen. Bei einigen lässt sich das Studium mit Beratung und Unterstützung retten oder Zweifel können durch Wechsel in ein anderes Studienfach oder -ort überwunden werden. Für andere ist der Weg in eine duale Ausbildung oder ein duales Studium eine geeignetere Alternative.
Lars Wanka jedenfalls trifft die Entscheidung für den Beginn einer dualen Ausbildung. „Bei einer Ausbildung hat man mehr Bezug zum praktischen Arbeiten und nach drei Jahren hat man etwas in der Tasche“, erklärt Lars Wanka seine Entscheidung.
An der THM wurde er auf ein Speed-Dating für Studienzweifler aufmerksam. Ein Angebot des Gießener Netzwerks für Studienzweifler unter der Federführung der Hochschulberatung der Arbeitsagentur Gießen. „Viele Unternehmen suchen händeringend passende Auszubildende. Studienabbrechende gehören dabei zu begehrten Bewerbern“, berichtet Hochschulberaterin Meyer-Fenderl.
Lars Wanka lernte im „Dating-Format“ verschiedene Unternehmen aus der Region kennen. Das Aufgabenspektrum und die Ausbildung zum Industriekaufmann bei der Firma Mettler Toledo aus Gießen hat es Wanka besonders angetan. Offensichtlich hat auch er bei Ausbilder Wilko Nachtigall und Recruiter Jan-Erik Stroh einen guten Eindruck hinterlassen. Im August hat er mit der Ausbildung begonnen.
„Das Speed-Dating hat uns die Möglichkeit eröffnet, interessierte Studienzweifelnde in lockerer Atmosphäre kennenzulernen und so für eine Ausbildung bei uns zu begeistern“, erklärt Nachtigall. Jan-Erik Stroh berichtet von durchweg positiven Erfahrungen mit Studienabbrechern und jungen Menschen, die schon eine Erstausbildung absolviert haben. „Das Lebensalter, Grundwissen in einigen Bereichen und auch die bewusste Entscheidung für diese Ausbildung zeichnet diese Bewerbergruppe aus,“ weiß Stroh.
Sind früher noch die passenden Bewerbungen reihenweise ins Haus geflattert, muss auch ein Unternehmen wie Mettler Toledo verschiedenste Recruitingkanäle nutzen – Veranstaltungen wie das Speed-Dating, Ausbildungsmessen und Social Media Plattformen, um Nachwuchskräfte zu gewinnen.
Gute Karrierechancen gibt es heutzutage nicht nur mit einem abgeschlossenen Studium. Eine duale Ausbildung bietet auch spannende Entwicklungsmöglichkeiten. Lars Wanka hat seine Entscheidung getroffen und mit einer qualifizierten Ausbildung zum Industriekaufmann stehen ihm viele Wege offen.