Göttingen. „Der Ausbildungsmarkt hat sich trotz der sich eintrübenden Wirtschaft als recht stabil erwiesen“, dieses Fazit zieht Klaudia Silbermann, Chefin der Agentur für Arbeit Göttingen, mit Blick auf das zurückliegende Berufsberatungsjahr 2023/24. Wirtschaft und Verwaltung hatten seit Oktober 2023 insgesamt 3.067 Ausbildungsangebote gemeldet. „Das ist ein Rückgang um 1,6%, der sich durchaus im Bereich der üblichen Schwankungen bewegt. Demgegenüber hatten wir bei den gemeldeten Stellen auf dem Arbeitsmarkt im gleichen Zeitraum einen Rückgang um gut 7%. Das stabile Angebot an Lehrstellen zeigt daher, welche Bedeutung der betrieblichen Ausbildung auch in Zeiten wirtschaftlicher Herausforderungen zukommt. Die betriebliche Ausbildung ist eine Talentschmiede und als solche im Rahmen der Fachkräftegewinnung und -sicherung nicht zu ersetzen“, so die Expertin weiter.
292 Ausbildungsstellen waren zum Ende des Berichtsjahres unbesetzt.
Erfreulich ist aus Sicht der Agenturchefin auch, dass die Zahl der Ausbildungsbewerberinnen und -bewerber um 1,3% leicht gestiegen ist. Insgesamt suchten im vergangenen Berufsberatungsjahr 2.181 junge Menschen mit Unterstützung der Agentur für Arbeit und der regionalen Jobcenter eine Ausbildungsstelle. Allerdings ist der Anstieg ausschließlich bedingt durch das Bewerberplus in der Gruppe der ausbildungsinteressierten Ausländerinnen und Ausländer (+13%, insgesamt 373 Bewerberinnen und Bewerber). Viele Personen dieser Gruppe haben einen Fluchthintergrund und stammen aus der Ukraine oder den acht zuzugsstärksten Asylherkunftsländern.
Wie bereits in den letzten Jahren überstieg die Zahl der gemeldeten Ausbildungsstellen bei weitem die der gemeldeten Ausbildungsplatzbewerber. Der regionale Ausbildungsmarkt ist ein Bewerbermarkt, auf 100 gemeldete Lehrstellen kamen 2023/24 72 Ausbildungsuchende. Im Vorjahreszeitraum lag der Wert bei 70.
Doch trotz des großen Ausbildungsangebotes gibt es auch am Ende dieses Beratungsjahres 179 unversorgte Bewerber, d. h. Jugendliche, die weder einen Ausbildungsplatz gefunden, noch eine Alternative realisiert haben, wie beispielsweise einen Freiwilligendienst. Doch längst nicht jeder der rund 2.000 Bewerber, die nicht als unversorgt gelten, hat letztlich eine Ausbildung begonnen. Gut jeder fünfte Bewerber hat sich für einen weiterführenden Schulbesuch oder ein Studium entschieden. Rund 8% haben eine Erwerbstätigkeit aufgenommen, knapp 2% absolvieren einen gemeinnützigen Dienst.
Unterstützung durch die Agentur für Arbeit am Übergang Schule-Beruf
Neben der Ausbildungsvermittlung ist Berufsorientierung und -beratung eine zentrale Aufgabe der Arbeitsagentur. Daher steht die Berufsberatung nicht nur jungen Menschen zur Seite, die eine betriebliche Ausbildung absolvieren möchten, sondern unterstützt die Anliegen von Studieninteressierten und hilft auch bei Fragen nach Freiwilligendiensten, Auslandsprogrammen oder allgemeiner Orientierung. Elternarbeit wird dabei immer wichtiger. Neben dem Beratungsangebot, das bereits in den Vor-Vorabgangsklassen der Schulen ansetzt, bietet die Berufsberatung individuelle Ge-spräche an. Im zurückliegenden Beratungsjahr haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Berufsberatung 5.222 Personen beraten, viele davon mehrfach. Gegenüber dem Vorjahreszeitraum war das ein Plus von 1,8%.
Darüber hinaus ist ein wichtiges Betätigungsfeld der Berufsberaterinnen und -berater die Mitwirkung an Veranstaltungen zur Berufsorientierung, wie etwa dem GöBit. Aber auch viele kleinere, dezentrale Veranstaltungen werden, häufig gemeinsam mit Partnerinnen und Partnern wie den Kammern oder im Rahmen der Jugendberufsagenturen, außerhalb der Arbeitsagentur angeboten.
Mit zahlreichen weiteren Angeboten unterstützt die Agentur für Arbeit Göttingen Jugendliche auf dem Weg in den Beruf. Im laufenden Jahr werden Berufsvorbereitung, -orientierung, Ausbildungsuche sowie die Ausbildung selbst mit rund 5,13 Millionen Euro gefördert. Wichtige Instrumente sind im Rahmen der Berufsorientierung und Ausbildungsuche beispielsweise die Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen, die Berufsorientierung und Ausbildungssuche verbinden und begleitend das Nachholen des Hauptschulabschlusses ermöglichen; die Berufsausbildungen in außerbetrieblichen Einrichtungen, die Ausbildungsangebote für Menschen mit Förder-bedarf und Startschwierigkeiten darstellen; oder auch die, gemeinsam mit Landkreis und Stadt Göttingen finanzierte Berufseinstiegsbegleitung, ein Angebot an Schulen mit Schulen, das den Schulabschluss und die Ausbildungsuche unterstützt. Ein großer Betrag fließt im Rahmen der Berufsausbildungsbeihilfe auch an Auszubildende.
Entwicklung der abgeschlossenen Ausbildungsverträge in der Region
Die Berichterstattung der Agentur für Arbeit Göttingen berücksichtigt das gemeldete Angebot und die gemeldete Nachfrage für betriebliche Ausbildungen. Sie gibt in Teilen auch einen Überblick über den Verbleib der Bewerberinnen und Bewerbern. Auskunft über die Gesamtzahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge gibt je-doch in Gänze nur die Statistik des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB), die die Meldungen der einzelnen Kammern zusammenführt. Diese ist vollständig erst zu Beginn des nächsten Jahres verfügbar.
Einen ersten aussagekräftigen Trend für die Region bieten allerdings die Daten der beiden großen Kammern, der Industrie- und Handelskammer Hannover (IHK) sowie der Handwerkskammer Hildesheim-Südniedersachsen.
Industrie- und Handelskammer Hannover (IHK)
Die IHK Hannover verzeichnete bis zum 30.09. dieses Jahres im Agenturbezirk Göttingen, der die Landkreise Northeim und Göttingen umfasst, 1.510 abgeschlossene Ausbildungsverträge. Bis auf drei Ausbildungsverträge wurde somit das Ergebnis vom September 2023 erreicht. Im Landkreis Northeim stieg die Zahl um vier Verträge auf insgesamt 380, im Landkreis Göttingen wurden sieben Verträge weniger abgeschlossen, insgesamt 1.130. Dabei verzeichnete die IHK im Landkreis Northeim einen Anstieg der Ausbildungsverträge im gewerblichen Bereich (um 27 auf insgesamt 160), allerdings bei den kaufmännischen Berufen einen leichten Rückgang um 23 auf insgesamt 220. Im Landkreis Göttingen war die Entwicklung entgegengesetzt: Hier stiegen die im kaufmännischen Bereich abgeschlossenen Ausbildungen um 20 auf 760, in den gewerblichen Berufen sank die Zahl hingegen um 27 auf 370.
Im Kontext der gesamtwirtschaftlichen Lage in der Region bewertet Christian Grascha, Leiter der Geschäftsstelle der IHK Hannover in Göttingen, die Ergebnisse für seine Kammer wie folgt: „Die Entwicklung bei den IHK-Berufen ist trotz der wirtschaftlich schwierigen Lage erfreulich stabil. Aus Umfragen wissen wir allerdings, dass ca. die Hälfte der Ausbildungsstellen nach wie vor unbesetzt bleiben. Unsere Betriebe sind gemeinsam mit uns sehr aktiv in der Ansprache junger Menschen, wir erwarten, dass das Land z.B. mit einer Einführung eines Azubis-Tickets für den ÖPNV, weiter an einer höheren Wertschätzung gegenüber der Berufsausbildung arbeitet.“ Potenzial für die Betriebe sieht der Kammervertreter in der Personengruppe mit Migrationshintergrund: „Durch eine noch aktivere Ansprache von jungen Menschen mit Flucht- und Migrationsgeschichte wird es in der Zukunft weitere Chancen geben, zusätzliches Nachwuchspotential für die Ausbildung in Südniedersachsen zu gewinnen. Unsere Betriebe sind die besten Orte der Integration, weil in Betreuung und in sprachliche Förderung investiert wird. Voraussetzung ist allerdings, dass in den Schulen die Sprachförderung intensiviert wird.“
Handwerkskammer Hildesheim-Südniedersachsen (HWK)
Positive Nachrichten kommen vom südniedersächsischen Handwerk. Für den Agenturbezirk Göttingen verzeichnet die HWK aktuell 711 abgeschlossene Verträge, 39 mehr als im Vorjahreszeitraum. Dabei gelang es insbesondere im Landkreis Göttingen, die Zahl zu steigern. Hier wurden 489 Ausbildungsverträge abgeschlossen, 37 mehr als zum Starttermin 2023. Und auch im Landkreis Northeim wurden zwei Verträge mehr gezählt, so dass der Wert hier bei 222 liegt.
„Aktuell sind die Ausbildungszahlen im Vergleich zum Vorjahr stabil. Dies ist definitiv ein erfreuliches Zeichen, auch mit Blick auf unsere Aktivitäten bei der Berufsorientierung. Gerade in den klimarelevanten Berufen sehen wir seit Jahren eine kontinuierliche Steigerung der Ausbildungszahlen. Wir sind überzeugt: Immer, wenn in unserem Land große Umbrüche anstehen, wird es nie ohne das Handwerk gehen. Darüber hinaus ist die Nahversorgung in einer alternden Gesellschaft ebenfalls besonders wichtig. Wenn wir heute in die Innenstädte schauen, sehen wir neben den Leerständen vor allem Handwerksbetriebe. Das Handwerk bietet wie kein anderer Wirtschaftsbereich berufliche Sicherheit, Aufgaben mit Sinn und die Herausforderung und das Glück, jeden Tag etwas mit den eigenen Händen zu schaffen.“ Auch beim Gehalt stehe das Handwerk anderen Bereichen nicht nach, verdiene ein Meister im Laufe seines Lebens doch annähernd so viel wie ein Fachhochschul-Absolvent.
Um Jugendliche für das Handwerk zu gewinnen, setze, so der Kammervertreter, die HWK auch auf eigene Berater, die unter anderem auf Berufsmessen und auf Schulveranstaltungen, aber auch für individuelle Beratungen zur Verfügung stünden. Die Südniedersächsischen Handwerksbetriebe investieren in diesem Jahr fast 600.000 Euro für die Stärkung der eigenen Berufsorientierung. „Für die Politik sollte dies auch ein Gradmesser sein, die eigenen Aktivitäten in diesem Bereich ebenfalls auszubauen, so Dunkel.“
Zwei Wünsche habe man konkret an die Politik: Zum einen die Einführung einer landesfinanzierten Praktikumsprämie für freiwillige Schülerpraktika in den Ferien. Erste Erfahrungen zeigten eindrücklich, dass junge Menschen auf diesem Wege für das Handwerk begeistert werden könnten. Darüber hinaus setze sich die HWK für Stärkung des Handwerks in den gesetzlichen Regelungen zur schulischen Berufsorientierung ein, die gerade überarbeitet würden.
Die Entwicklung auf dem Ausbildungsmarkt der Agentur für Arbeit Göttingen – Agenturbezirk und Landkreise, Stand 30.09.2024
(in Klammern jeweils Veränderungen zum Vorjahr)
Agenturbezirk Göttingen | Landkreis Göttingen | Landkreis Northeim | |
Zahl der gemeldeten Ausbildungsstellen | 3.067 (-49) | 2.135 (-108) | 932 (+59) |
Zahl der unbesetzten Ausbildungsstellen | 292 (-119) | 207 (-87) | 85 (-32) |
Zahl der gemeldeten Ausbildungsbewerber | 2.181 (+27) | 1.436 (+31) | 745 (-4) |
Zahl der unversorgten Ausbildungsbewerber | 179 (+18) | 130 (+24) | 49 (-6) |
Abgeschlossene Ausbildungsverträge in der Zuständigkeit IHK | 1.510 (-3) | 1.130 (-7) | 380 (+4) |
Abgeschlossene Ausbildungsverträge in der Zuständigkeit der HWK | 711 (+39) | 489 (+37) | 222 (+2) |