Wie hat sich die Ausbildungssituation im abgelaufenen Ausbildungsjahr in der hiesigen Region entwickelt? Antworten darauf bot die Bilanz des Ausbildungsmarktes 2021/22, die in der Hanauer Agentur für Arbeit vorgestellt wurde.
Eingeladen hatte Markus Milke, Geschäftsführer der Agentur für Arbeit Hanau, zusammen mit Miriam Fuchs, Leiterin Ausbildung der Industrie- und Handelskammer Hanau-Gelnhausen-Schlüchtern, Nicole Laupus, Geschäftsführerin der Kreishandwerkerschaft Hanau, sowie Klaus Zeller von der Kreishandwerkerschaft Gelnhausen-Schlüchtern.
Markus Milke präsentierte die aktuellen Zahlen zum Ausbildungsmarkt im Hanauer Agenturbezirk. Demzufolge gab es im Ausbildungsjahr 2021/22 Anstiege sowohl bei den Bewerberinnen und Bewerbern als auch bei den gemeldeten Ausbildungsplätzen.
2.115 junge Frauen und Männer meldeten sich im Ausbildungsjahr bei der Berufsberatung der Arbeitsagentur ausbildungssuchend, 203 mehr als im Vorjahreszeitraum. Allen Bewerbern/-innen konnte ein adäquates Angebot gemacht werden. Von Ausbildungsbetrieben wurden 2.235 offene Ausbildungsstellen beim Arbeitgeber-Service zur Vermittlung gemeldet, 269 mehr Vorjahresvergleich. 238 Ausbildungsstellen blieben trotz aller Bemühungen unbesetzt, das sind 49 mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres.
„Es ist nicht überraschend: Wir können mittlerweile auch in unserem Agenturbezirk von einem Bewerber/innenmarkt sprechen. Das kann für Jugendliche aber auch zur Falle werden: wenn das Überangebot zu allzu viel Sorglosigkeit führt und das Bemühen um den Ausbildungsplatz der Wahl immer wieder auf die lange Bank geschoben wird. Der Ausbildungsmarkt ist durch wachsende Dynamik kennzeichnet; wir konnten nennenswerte Zugänge sowohl auf Bewerber/innen-Seite als auch bei den gemeldeten Berufsausbildungsplätzen verzeichnen. So sehr wir uns freuen, dass in diesem Ausbildungsjahr keine Jugendlichen ‚unversorgt' geblieben sind, so bedauerlich ist es, dass andererseits fast 240 offene Berufsausbildungsstellen nicht besetzt werden konnten.
Die Faktoren sind bekannt: Dank des demografischen Wandels verlassen weniger Jugendliche die Schulen - und von denen haben immer weniger Interesse an einer dualen Ausbildung. Junge Frauen und Männer streben seit Jahren kontinuierlich den höchst möglichen Schulabschluss an, auch wenn ihre Schulnoten etwas anderes aussagen und auch die Erfordernisse am Arbeitsmarkt ganz anders sind. Qualifizierte Fachkräfte, die eine duale Ausbildung absolviert haben, werden gebraucht - und der Bedarf wird mit jedem Jahr dringlicher. Das zieht sich mittlerweile durch alle Wirtschaftszweige.
Die Aufnahmefähigkeit am Markt ermöglicht es auch schwächeren Bewerber/innen, einen passenden Ausbildungsplatz finden. Seit Jahren bietet die Agentur für Arbeit Betrieben, die Jugendlichen mit Unterstützungsbedarf eine Chance geben, ein vielfältiges Angebot. Es gibt nicht nur finanzielle Fördermöglichkeiten, sondern auch Möglichkeiten der sozialpädagogischen Begleitung vor und während der Ausbildung.
Wir haben im vergangenen Jahr zusätzlich auf unkonventionelle und niedrigschwellige Angebote gesetzt, die Schülerinnen und Schülern Kontakte mit regionalen Ausbildungsbetrieben eröffnet haben. Von Mitte Mai bis Ende Juli hat die Hanauer Kreishandwerkerschaft mit unserer Unterstützung den PopUp-Store TATKRAFT im Forum Hanau betrieben, in dem Jugendliche Handwerksberufe kennenlernen konnten. Unterschiedliche Gewerke haben sich mit Mitmachstationen präsentiert und es wurde gehobelt, gefliest, gemalert und gestylt. Einzelpersonen und Schulklassen konnten sich spontan während der Ladenöffnungszeiten ausprobieren.
Direkt im Anschluss daran ging es weiter mit der ‚Praktikumswoche'. Dieses Projekt, von der Industrie- und Handelskammer Hanau-Gelnhausen-Schlüchtern und der Arbeitsagentur organisiert, gab Jugendlichen ein Tool in die Hand, mit dessen Hilfe sie Praktika nachholen konnten, die in den Vorjahren nicht möglich waren. Am Handy konnten sich Jugendliche in den Sommerferien eigenständig eine Woche Praktikum bei verschiedenen Unternehmen in den Branchen ihrer Wahl zusammenstellen. Rund 80 Unternehmen haben sich daran beteiligt – das zeigt, dass der Bedarf vorhanden war. Wir freuen uns, dass beide Angebote von den Jugendlichen angenommen wurden. Davon haben auch die Betriebe profitiert.“
Neue Netzwerke durch Präsenz im PopUp-Store TATKRAFT
Arne Hetterich, Geschäftsführer des Familienbetriebs Glas-Hetterich GmbH mit Sitz in Gelnhausen und Frankfurt, war mit seinem Betrieb im Hanauer PopUp-Store TATKRAFT präsent und konnte dadurch neue Netzwerke knüpfen. „Einen Ausbildungsplatz konnte ich durch den PopUp-Store nicht besetzen. Aber ich konnte jede Menge guter Kontakte machen und einige Schülerinnen und Schüler erstmals an das Thema Handwerk und insbesondere an das Glas-Handwerk heranführen“, so Arne Hetterich. „Als Handwerksbetrieb muss man alle Chancen nutzen, die geboten werden, denn oft haben Jugendliche gar keine Idee davon, wie handwerkliche Arbeit aussieht. Es reicht nicht, über mangelndes Interesse an der dualen Ausbildung zu lamentieren. Wir müssen einfach alles tun, um Jugendliche für unsere Arbeit zu gewinnen. Daher fand ich die Idee, den PopUp-Store als Plattform für das Handwerk zu nutzen, einfach klasse.“
Mit Hilfe der ‚Praktikumswoche' Auszubildende gewonnen
Dirk Sönnichen, Hoteldirektor des Hotels Michel in Maintal, ist sehr angetan von dem Projekt ‚Praktikumswoche'.
„Durch die ‚Praktikumswoche' haben in den Sommerferien 35 junge Leute ein Praktikum im Hotel Michel gemacht“, erzählt Dirk Sönnichen. „Anders als es häufig bei Schulpraktika ist, hatte ich hier das Gefühl, dass sie wirklich interessiert waren. Die Jugendlichen sind ganz anders aufgetreten, hatten beispielsweise Fragen vorbereitet und waren echt engagiert. Das hat mich positiv überrascht. Für uns als Ausbildungsbetrieb war das Online-Anmeldeverfahren total unkompliziert - und mit so viel Resonanz hatte ich nicht gerechnet. Ich kann die ‚Praktikumswoche' allen ausbildungssuchenden Betrieben weiterempfehlen.“ Mit drei Bewerberinnen ist er mittlerweile in abschließenden Gesprächen für die Ausbildung zur Hotelfachfrau im Hotel Michel.
Ausbildung zum Schlosser durch persönliche Kontakte
Christoph Harnischfeger, Junior-Chef der Schlosserei Harnischfeger in Jossgrund-Oberndorf, hat einen Auszubildenden durch seinen guten Kontakt mit der Kreishandwerkerschaft Gelnhausen-Schlüchtern gefunden. Dort war Ausbildungsscout Heiko Schreiber von einer besorgten Mutter kontaktiert worden, deren Sohn eine Absage der weiterführenden Schule erhalten hatte. Kurzerhand sprach er den Schlosserei-Betrieb an.
„Die Kreishandwerkerschaft wusste, dass ich händeringend auf der Suche nach einem Auszubildenden zum Metallbauer bin“, sagt Christoph Harnischfeger. „Als Herr Schreiber anrief und vorschlug, spontan einen jungen Mann mitzubringen, der sich für den Beruf interessiert, war ich skeptisch, wollte aber die Chance nicht ausschlagen. Im ersten Gespräch hat der Bewerber einen positiven Eindruck gemacht und war auch bereit, sich an einem Probetag auszuprobieren. Da hat sich gezeigt, dass er durchaus talentiert ist. Seine Schulnoten ließen Wünsche offen, aber das praktische Arbeiten liegt ihm. Außerdem bringt er Verlässlichkeit, Pünktlichkeit und vor allem Interesse mit. Ohne die Kreishandwerkerschaft wäre der Kontakt nicht zustande gekommen.“