Die Betriebe sind ausbildungsbereit

Die Bilanz zum Ausbildungsmarkt 2022/23 zeigt: Die Zahl der 
Bewerber/innen steigt, die der Ausbildungsstellen stagniert auf hohem Niveau 
 

02.11.2023 | Presseinfo Nr. 132

Das Ausbildungsjahr 2022/23 zeichnete sich im Hanauer Agenturbezirk durch Zugänge bei den Bewerberinnen und Bewerbern aus. Die Zahl der gemeldeten Ausbildungsplätze ist nahezu auf dem Stand des Vorjahres geblieben. 2.170 junge Frauen und Männer meldeten sich im Ausbildungsjahr bei der Berufsberatung der Agentur für Arbeit ausbildungssuchend, 55 mehr als im Vorjahreszeitraum. 7 Jugendliche blieben unversorgt, 2 weniger als 2021/22. Die Ausbildungsbetriebe meldeten 2.232 offene Ausbildungsstellen beim Arbeitgeber-Service zur Vermittlung, das sind 3 weniger als im Vorjahresvergleich. 237 Ausbildungsstellen blieben trotz aller Bemühungen unbesetzt, 1 weniger als im Vergleichszeitraum des Vorjahres.


„Die Zahlen zeigen, dass die Ausbildungsbereitschaft der Betriebe im Agenturbezirk weiterhin vorhanden ist“, sagt Heike Hengster, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Hanau. „Das Fachkräfteproblem wird drängender und ist mittlerweile in allen Branchen angekommen. Wenn die geburtenstarken Jahrgänge in den nächsten Jahren verstärkt in Rente gehen, wird sich die Lage sogar noch verschärfen. 

Da ist die Investition in eine Ausbildung ein guter Weg. Das ist aber nur die eine Hälfte der Wahrheit. Denn die Ausbildungsbereitschaft muss auch bei den Jugendlichen - und ihren Eltern, die bei der Berufswahl prägend sind - vorhanden sein. Dabei sollten Jugendliche angesichts des Überangebotes nicht allzu sorglos sein. Wenn das Bemühen um den Ausbildungsplatz der Wahl immer wieder auf die lange Bank geschoben wird, kann der Traum auch platzen. In Teilen deutet sich an, dass Ausbildungsberufe für Jugendliche wieder etwas attraktiver geworden sind, beispielsweise bei den Umweltberufen. Aber noch immer ist die Neigung, den höchstmöglichen Schulabschluss anzustreben und den Berufseinstieg so weit wie möglich nach hinten zu schieben, ausgeprägt. 

Ich wünsche mir dringend mehr Möglichkeiten für junge Leute, Praktika zu absolvieren. Das muss mehr und einfacher möglich sein. Wie fühlt es sich an, ein Werkstück zu bearbeiten, wie läuft ein Tag im Einsatzfahrzeug oder wie kommt die Ware aus dem Regal zur Kundin … all das passiert hinter abgeschotteten Mauern - und die müssen wir für Jugendliche öffnen. Unsere Berufsberater/innen machen die Erfahrung, dass häufig veraltete Berufsbilder in den Köpfen verankert sind. Obwohl bekannt ist, dass sich unsere Lebenswelt rasant verändert, bleiben die Berufsbilder merkwürdig statisch. 

Gemeinsam mit unseren Partnern ist es zum zweiten Mal gelungen, in den Sommerferien die ‚Praktikumswochen' zu realisieren, die es unkompliziert ermöglichen, in mehreren Betrieben Praktikumsplätze für einen Tag auszuprobieren. Auch mit dem PopUp-Store haben wir das konkrete Tun in den Mittelpunkt gestellt: eine Hobelbank auszuprobieren, Glas zu schneiden, mit Farben zu hantieren. Das ist nicht ausreichend und nicht erschöpfend, aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung. 

Dasselbe statische Denken gilt übrigens für die Karriereperspektiven. Wer eine duale Ausbildung mit Erfolg absolviert, steht nicht am Ende, sondern am Anfang seiner oder ihrer Möglichkeiten, sich beruflich und persönlich weiterzuentwickeln. Eine berufliche Karriere anzustreben bedeutet nicht, nach dem Abitur auf Biegen und Brechen an die Universität zu gehen. Eine vielversprechende Karriere kann damit beginnen, eine duale Ausbildung abzuschließen und danach den nächsten Schritt zu wagen, zum Beispiel in Richtung Meisterabschluss oder Spezialisierung oder Zusatzausbildung. Das kann am Ende auch der Universitätsabschluss sein, muss aber nicht.

Es ist nicht befriedigend, dass 237 Ausbildungsstellen unbesetzt geblieben sind. Viele Betriebe sind sehr innovativ, wenn es darum geht, sich für Auszubildende interessant zu machen. Sie sind präsent auf Messen, werben auf Social Media und sind überhaupt sehr engagiert. Jedoch befürchte ich, dass das nicht ausreicht.“

Zum Abschluss appelliert Heike Hengster an die Unternehmen: „Gehen Sie auch auf die Jugendlichen zu, die auf den ersten Blick nicht überzeugt haben oder die Hemmnisse mitbringen. Nutzen Sie die Unterstützungsangebote der Arbeitsagentur. Es gibt die Assistierte Ausbildung (AsA flex), die Betriebe von Anfang an entlastet, wenn sie Bewerber/innen ausbilden, die verstärkte Zuwendung benötigen. Ausbildungsbegleitende Hilfen (abH) greifen dann, wenn ein Azubi während der Ausbildung schwächelt, zum Beispiel in der Berufsschule. Mit Hilfe der Einstiegsqualifizierung (EQ) können Betriebe Jugendliche schon vor einer Ausbildung mehrere Monate lang kennenlernen. Wir informieren auch zur Teilzeit-Ausbildung, einem Thema, dass viel zu wenig Bekanntheit hat. Ziehen Sie am besten immer Ihren Arbeitgeber-Service zu Rate.

Vor allem sollten Betriebe ihre unbesetzten Ausbildungsstellen bei uns melden. Je früher, desto besser. Denn nur wenn wir wissen, dass ein Betrieb sucht und wen er sucht, können wir beraten und unterstützen.“

„Wir freuen uns, dass die Unternehmen im Main-Kinzig-Kreis und Hanau nach dem durch Corona bedingten Rückgang wieder mehr Ausbildungsverträge schließen konnten. Mit 1.270 neuen Ausbildungsverhältnissen verbesserte sich die Ausbildungssituation im Bereich der Industrie- und Handelskammer nachweislich.  Dies unterstreicht, dass Unternehmen und Schulabgänger/innen weiterhin auf die duale Berufsausbildung setzen“, so Claudia Blaak und Amir Nimer, Leitung Berufliche Bildung der Industrie- und Handelskammer Hanau-Gelnhausen-Schlüchtern. „Gemeinsam mit unseren Unternehmen und Partnern werden wir unsere Aktivitäten im Bereich der Berufsorientierung fortführen und ausbauen.“

Nichole Laupus, Geschäftsführerin der Kreishandwerkerschaft Hanau, zeigt sich zufrieden mit den Ausbildungszahlen: „Das Handwerk konnte bei der Zahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge gegenüber dem Vorjahr zulegen. Unsere Handwerksbetriebe legen weiterhin ein hohes Ausbildungsengagement an den Tag. Die Bereiche Elektro und Sanitär-Heizung-Klima sind für Jugendliche attraktiver geworden. Weniger gut sieht es im Lebensmittelhandwerk aus.“

Dem schließt sich Klaus Zeller, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Gelnhausen-Schlüchtern, an: „Wir sind ebenfalls zufrieden mit den Ergebnissen im abgelaufenen Ausbildungsjahr. Bei den jungen Leuten scheint angekommen zu sein, dass Berufe rund um Sanitär-Heizung-Klima die Zukunft sind. Hier verzeichnen wir ebenso Steigerungen wie bei Kfz-Berufen, im Baugewerbe und in Metallberufen. Insgesamt ist die Entwicklung unserer Betriebe im Bereich Ausbildung positiv. Eine Rolle mögen auch die Erfahrungen während der Corona-Krise gespielt haben. Denn das Handwerk ist gut durch die Krise gekommen, und das haben sich viele gemerkt.“