Eine dreijährige Berufsausbildung als Sprungbrett in eine berufliche Erfolgsgeschichte
– das gibt es öfter, als viele denken. Besim Hoti und Jan Iwanitzky präsentierten bei
der Vorstellung der Bilanz des Ausbildungsmarktes 2023/24 in der Agentur für Arbeit
Hanau Karrierewege, die beeindrucken. Verwirklichen konnten sie sie nach einer
dualen Ausbildung.
Eingeladen zu der Konferenz hatten Markus Milke, Geschäftsführer der Agentur für
Arbeit Hanau, Miriam Fuchs, Leiterin Ausbildung der Industrie- und Handelskammer
Hanau-Gelnhausen-Schlüchtern, Nicole Laupus, Geschäftsführerin der
Kreishandwerkerschaft Hanau, sowie Anett Kuykendall, neue Geschäftsführerin der
Kreishandwerkerschaft Gelnhausen-Schlüchtern.
Zuvor stellte Markus Milke die aktuellen Daten zum Ausbildungsmarkt 2023/24 im
Hanauer Agenturbezirk vor. Die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber und der
gemeldeten Ausbildungsplätzen ist zurückgegangen
2.042 junge Frauen und Männer meldeten sich im abgeschlossenen Ausbildungsjahr
bei der Berufsberatung der Arbeitsagentur ausbildungsinteressiert, 128 weniger als im
Vergleichszeitraum des Vorjahres. 56 Ausbildungsinteressierte blieben unversorgt, das
sind 49 mehr als im Vorjahreszeitraum.
Von den Ausbildungsbetrieben im Main-Kinzig-Kreis wurden 2.201 offene
Ausbildungsstellen beim Arbeitgeber-Service der Agentur für Arbeit zur Vermittlung
gemeldet, 31 weniger als im Vorjahresvergleich. 263 Ausbildungsstellen blieben trotz
aller Bemühungen unbesetzt, 26 mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres.
„Die Entwicklung des Ausbildungsmarktes im Hanauer Agenturbezirk birgt wenig
Überraschendes. Es verlassen weniger Jugendliche die Schulen - das ist eine Folge
der demographischen Entwicklung. Dass sich immer weniger Jugendliche an einer
dualen Ausbildung interessiert zeigen, ist ein Trend, den wir schon seit Jahren
beobachten. Auch das Streben nach dem höchst möglichen Schulabschluss hat sich
verstetigt, egal, ob die Schulnoten das untermauern oder nicht“, so Geschäftsführer
Markus Milke.
„Neu ist dagegen unsere Strategie. War es bisher so, dass wir Bewerberinnen und
Bewerbern, wenn sie alle unsere Angebote durchlaufen und dennoch keinen
Ausbildungsplatz gefunden haben, als ‚unversorgt‘ klassifiziert und abgemeldet haben,
so gibt es hier ein anderes Verfahren. Egal, ob jemand alle Angebote erfolglos
durchlaufen oder sie vielleicht sogar abgelehnt hat: Wer am Ende nicht mit einem
Angebot - sei es Ausbildungsplatz, Schulbesuch, Studium - versorgt ist, der bleibt bei
uns ‚an der Angel‘. Daher weisen wir in diesem Jahr auch viel mehr ‚Unversorgte‘ in
der Statistik aus.
Damit reagieren wir auf veränderte Bedürfnisse der jungen Leute. Denn es ist
festzustellen, dass Jugendliche seit einigen Jahren weniger orientiert, weniger
entscheidungsfreudig und weniger konsistent im Handeln sind. Einigen geht erst ein
paar Monate nach dem Ende der Schulzeit auf, dass sie nicht dauerhaft im PauseStadium verharren können.
Wir haben unseren Fokus auf alle Jugendlichen erweitert, die ausbildungsinteressiert
sind - egal ob dahinter das Ziel duale Ausbildung oder Studium steht. Wir konzentrieren
uns dabei stärker auf die wachsende Gruppe der Jugendlichen, die
Unterstützungsbedarf haben.
Denn trotz hoher Aufnahmefähigkeit am Markt finden nicht alle Bewerber/innen einen
Ausbildungsplatz. Ein unbesetzter Ausbildungsplatz kann nicht beliebig besetzt
werden. Häufig passen die Anforderungen der Betriebe nicht zu dem, was
Bewerber/innen mitbringen. Und Jugendliche, die beispielsweise einen technischen
Beruf ergreifen wollen, werden nicht in einen Pflegeberuf oder das
Lebensmittelhandwerk einsteigen, bloß weil hier noch Chancen bestehen. Auch die
Mobilität ist häufig ein Hindernis. In dörflichen Gebieten ist die Erreichbarkeit von
Betrieb und Berufsschule für Jugendliche mitunter problematisch.
Jugendlichen, die nach der Schule noch nicht ausbildungsreif sind, bietet die Agentur
für Arbeit ein vielfältiges Angebot an unterstützenden Maßnahmen. Auch Betriebe
werden gefördert, wenn sie Jugendlichen mit Unterstützungsbedarf eine Chance
geben, nicht nur finanzieller Art, sondern auch durch Möglichkeiten der
sozialpädagogischen Begleitung vor und während der Ausbildung.
Wie gut eine duale Ausbildung Menschen auf vielversprechende Karriereschritte
vorbereiten kann, zeigen die folgenden Beispiele.“
Vom Geflüchteten zum erfolgreichen Unternehmer
Besim Hoti ist als 15-jähriger mit seinen Eltern aus dem Kosovo nach Deutschland
gekommen. 1998 herrschte Krieg im Kosovo; auf Umwegen kam die Familie nach
Gründau-Rothenbergen, von wo aus der Schüler an der Kaufmännischen Schule
Hanau einen Sprachkurs absolvierte und den Hauptschulabschluss machte. Im Kosovo
hatte er noch vor gehabt zu studieren, aber das rückte in Deutschland wegen der
mangelnden Deutschkenntnisse in weite Ferne.
Eher aus einer Laune heraus entschied er sich, ein Praktikum als Maler und Lackierer
zu machen. Die Arbeit ging ihm so gut von der Hand, dass ihm im Anschluss an das
Praktikum sofort ein Ausbildungsplatz angeboten wurde. Aber Menschen aus dem
Kosovo war zu diesem Zeitpunkt die Arbeitsaufnahme verboten. Es dauerte noch ein
halbes Jahr, bis dieses Verbot fiel und er seine Lehre endlich beginnen konnte. „Die
Arbeit an sich war kein Problem - aber mein Deutsch ließ zu wünschen übrig und das
machte sich in der Berufsschule bemerkbar“, so Besim Hoti. Dennoch schloss er 2004
die Ausbildung mit Erfolg ab und arbeitete fünf Jahre in seinem erlernten Beruf.
Im Jahr 2009 machte sich der Familienvater selbständig und gründete ein
Unternehmen im Bereich Hausmeisterservice. Das Unternehmen florierte, aber es gab
immer wieder Arbeiten, die nicht ausgeführt werden durften, weil es keinen Meister im
Betrieb gab. Also entschloss sich Hoti, nebenher den Meisterabschlusses zu machen.
Im Jahr 2020 legte er dann die Meisterprüfung ab.
Jetzt, mit 41 Jahren, beschäftigt er in seiner Firma drei Leute. Sein ältester Sohn Leonit
ist im 2. Lehrjahr und hat vor, später in das elterliche Unternehmen einzusteigen.
Fragt man Besim Hoti, wie er die Bilderbuchkarriere vom Jugendlichen mit
Fluchthintergrund zum erfolgreichen Inhaber eines Familienunternehmens geschafft
hat, wird er nachdenklich: „In Deutschland in Frieden leben zu können - das war die
Basis dafür, dass ich mich entwickeln konnte. Dann hatte ich immer den festen Willen,
unabhängig zu sein, mein Geld selbst zu verdienen. Das war vielleicht entscheidend.
Und ich habe immer sehr viel gearbeitet, von frühmorgens bis spät in die Nacht. Es war
hart - aber wenn man das macht, was man wirklich will, dann kann man es
durchziehen.“
Ein Koch mit Abitur
Als Jan Iwanitzky vor drei Jahren sein Abitur an der Hanauer Otto-Hahn-Schule
abgelegt hat, dachte er zunächst an ein Studium. „In der Oberstufe arbeiten eigentlich
alle auf das Ziel hin, einen für das Studium fit zu machen. An eine Ausbildung nach
dem Abitur wird man nicht herangeführt“, so der 22-jährige. Er entschied sich dennoch
dafür, auch weil ein Studium ihm nicht den nötigen Praxisbezug bieten würde.
Jan bewarb sich für eine Ausbildung zum Koch in der Evonik-Betriebskantine im
Industriepark Hanau-Wolfgang. Wie es dazu gekommen ist? Kochen war schon immer
seine Leidenschaft und nach dem Abitur jobbte er in einem Restaurant in seinem
Heimatort Neuberg in der Küche. Weil ihm alles daran Freude machte - das Kochen,
die Organisation, die Arbeit im Team - entschied er sich, es mit der Ausbildung zu
versuchen. In diesem Sommer hat er seine Berufsausbildung erfolgreich
abgeschlossen, sogar als Kammerbester.
Jan sieht seine berufliche Zukunft definitiv in der Gastronomie. Demnächst will er ein
duales Studium im Bereich Foodmanagement dranhängen. Dort kann er seine
praktischen Kenntnisse um Know-how in Management, Betriebsführung, Human
Resources, Marketing ergänzen und wäre dann mit gerade einmal 25 Jahren
qualifiziert, große Einheiten zu führen, zum Beispiel Cateringunternehmen,
Restaurantketten, Großküchen - oder sich erfolgreich selbständig zu machen.
Welchen Tipp Jan jungen Leuten mit auf den Weg geben würde? „Verschafft euch
Einblicke in Berufe, am besten durch verschiedene Praktika. Redet mit Leuten, fragt
sie, wie ihr Berufsalltag aussieht. Und habt keine Scheu davor, etwas handwerkliches
zu lernen, darauf kann man immer aufbauen und sich fortbilden"