Im Bezirk der Agentur für Arbeit Helmstedt, zu dem auch Wolfsburg und Gifhorn gehören, meldeten sich vom 1. Oktober 2023 bis 30. September 2024 1.704 Bewerberinnen und Bewerber für einen Ausbildungsplatz bei der Berufsberatung der Agentur für Arbeit. Das sind 177 (bzw. 9,4 Prozent) weniger als im vorherigen Berufsberatungsjahr. 58 Bewerberinnen und Bewerber galten mit Stand 30.09. noch als unversorgt und damit 10 oder 20,8 Prozent mehr als im Vorjahr.
Die Zahl der gemeldeten Ausbildungsstellen war im Vergleich zum Vorjahr ebenso rückläufig. Ursächlich hierfür sind konjunkturelle Schwierigkeiten, die auch vor dem Ausbildungsmarkt nicht halt machen.
Insgesamt 2.355 Ausbildungsplätze wurden von ausbildenden Unternehmen und Institutionen bei der Arbeitsagentur und den angeschlossenen Jobcentern gemeldet, das waren 255 (9,8 Prozent) weniger als im letzten Beratungsjahr. 218 dieser Aus-bildungsplätze waren mit Stand 30.09. noch unbesetzt. Das waren 63 oder 22,4 Prozent weniger als im Vorjahresvergleich.
„In diesem Berufsberatungsjahr haben wir zum einen eine sinkende Anzahl an jungen Menschen zu verzeichnen, die mit unserer Hilfe einen Ausbildungsplatz gesucht haben. Das liegt einerseits an der demographischen Entwicklung, andererseits war auch der Wunsch, die berufliche Karriere mit einem Studium zu beginnen weiterhin hoch. Ebenso wurden uns rund 10 Prozent weniger Ausbildungsstellen zur Besetzung gemeldet. Die konjunkturellen Schwierigkeiten und damit verbundene Unsicherheiten in den Betrieben machten auch vor dem Ausbildungsmarkt nicht halt. Trotz des Rückgangs ist das Ausbildungsstellenniveau in unserer Region mit rund 2.400 Ausbildungsvakanzen weiterhin hoch. Rein rechnerisch kamen 74 Bewerber auf 100 Ausbildungsplätze. Das zeigt, dass sich die Betriebe, vor dem Hintergrund des Fachkräftebedarfs und der drohenden Fachkräftelücke, der wichtigen Rolle von Ausbildung weiterhin bewusst sind. Auch jetzt ist es übrigens noch nicht zu spät, dass junge Menschen und Betriebe zueinander finden. Über 200 Ausbildungsplätze gelten derzeit noch als unbesetzt. Oftmals ist auch noch ein späterer Start in die Berufsausbildung möglich. Wir unterstützen gemeinsam mit unseren starken Partnerinnen und Partnern die Nachvermittlung in die Ausbildung weiterhin bis in das neue Jahr hinein. Unsere Beraterinnen und Berater in den Jugendberufsagenturen, den Agenturen für Arbeit und den Jobcentern sind derzeit mit allen im Gespräch, die unversorgt geblieben sind, um eventuell doch noch in die Ausbildung zu vermitteln oder einen alternativen Weg zu besprechen,“ erläutert Ulf Steinmann, Leiter der Agentur für Arbeit Helmstedt.
Entwicklung der abgeschlossenen Ausbildungsverträge in der Region
Die Berichterstattung der Agentur für Arbeit Helmstedt berücksichtigt das bei Arbeitsagentur und den angeschlossenen Jobcentern gemeldete Angebot und die gemeldete Nachfrage für betriebliche Ausbildungen. Eine erste Übersicht der eingetragenen Ausbildungsverträge in der jeweiligen Zuständigkeit bieten die Handwerks-kammer und die Industrie- und Handelskammern mit dem Stand 30. September. Eine Gesamtübersicht über alle abgeschlossenen betrieblichen Ausbildungen steht erst Anfang 2025 zur Verfügung.
Bei den Lehrverträgen in ihrem Bezirk verzeichnete die Handwerkskammer Braunschweig-Lüneburg-Stade Ende Oktober 4369 neue Abschlüsse. In der Region Braunschweig gab es Ende Oktober 1543 neue Lehrverträge und damit 119 weniger als im Vorjahr. „Unsere Betriebe wissen, dass sie qualifizierte Fachkräfte am besten durch die Ausbildung im eigenen Betrieb gewinnen. Deswegen hat die Ausbildung für sie unverändert einen hohen Stellenwert und viele Betriebe suchen weiterhin motivierte Auszubildende“, sagt Claudia Meimbresse, Leiterin Berufliche Bildung bei der Handwerkskammer. Die Erfahrung aus den Vorjahren zeige, dass noch bis zum Jahresende Bewegung auf dem Lehrstellenmarkt sei. Im Trend liegen laut Meimbresse klimarelevante Berufe wie Anlagenmechaniker im Sanitär-, Heizungs- und Klimahandwerk und Elektroniker. Auch die Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker mit dem Schwerpunkt System- und Hochvolttechnik sei mit Blick auf die E-Mobilität stark im Kommen. Trotz dieser Entwicklung gibt Meimbresse aber keine Entwarnung, was die Nachwuchssorgen im Handwerk betrifft: „Der Markt ist heiß um-kämpft und gerade kleine Handwerksbetriebe haben es oft schwer, sich im Wettbewerb als Arbeitgeber gegen die Industrie durchzusetzen“ sagt sie. „Um später genug Fachkräfte zu haben, müssen wir die Nachwuchsarbeit verstärken. In einigen Branchen wird es immer schwieriger, Auszubildende zu finden.“ Eine systematische Berufsorientierung sei daher an allen Schulformen – insbesondere an Gymnasien - dringend notwendig, damit sich mehr junge Menschen für den beruflichen Ausbildungsweg entschieden. Darüber hinaus setze sich die Handwerkskammer für mehr Wertschätzung für das Handwerk und eine Gleichstellung der beruflichen und akademischen Bildung ein. „Auch Abiturienten finden im Handwerk spannende und herausfordernde Berufe, die gleiche Karrierechancen wie ein Studium bieten“, so Meimbresse.
Zum 30. Oktober 2024 verzeichnet die Industrie- und Handelskammer Lüneburg-Wolfsburg (IHKLW) im gesamten Bezirk 3.611 neue Ausbildungsverträge in IHK-Berufen – 2,6 Prozent weniger als im Vorjahresmonat. In Wolfsburg sind es mit 691 Neuverträgen sogar 8,7 Prozent weniger. Im Landkreis Gifhorn weist die IHKLW-Statistik Ende Oktober 383 neue Ausbildungsverträge aus. Das sind 4,6 Prozent mehr Verträge als 2023.
„Insgesamt ist das Ergebnis durch zwei Entwicklungen geprägt“, sagt Sönke Feldhusen, Ausbildungsexperte und IHKLW-Bereichsleiter ´Menschen bilden´: „Erstens ist die Industrie in wirtschaftlich schwieriges Fahrwasser geraten und steht vor her-ausfordernden Transformationsprozessen. Dies gilt insbesondere für die Automobil-wirtschaft und ihre Zulieferer. Zweitens gelingt es aber auch einer wachsenden Zahl von Unternehmen nicht mehr, alle Ausbildungsplätze zu besetzen. Nur jeder zweite Ausbildungsbetrieb im IHK-Bezirk schafft dies aktuell noch. Besondere Probleme haben die unternehmensorientierten Dienstleister, aber auch die Banken und die Industrie. Die demografische Entwicklung macht sich immer deutlicher bemerkbar.“
Aktuell und perspektivisch spielt der Fachkräftemangel Berufseinsteigern weiter in die Karten und ist für die regionale Wirtschaft ein zunehmendes Problem. Ausbildungsunternehmen konkurrieren deshalb mit attraktiven Angeboten um talentierte junge Menschen. „Die aktuelle Standortschwäche in der Industrie betrifft unsere Region als wichtiger Standort der Automobilwirtschaft natürlich besonders. Die Chancen in der Ausbildung sind allerdings dennoch weiterhin hoch. Denn der sich zunehmend auftuenden Fachkräftelücke sind sich die Unternehmen bewusst. Und sie wissen, dass sie vor allem beruflich qualifizierte Fachkräfte betreffen wird. Wer sich für eine duale Ausbildung entscheidet, hat entsprechend weiterhin gute Karrierechancen. Wer dicht an der Praxis lernen will, findet in den rund 300 dualen Ausbildungsberufen in Industrie, Handel, Dienstleistungen, Pflege und Handwerke viele Möglichkeiten”, sagt Sönke Feldhusen: “Und danach ist alles offen: ob klassisches oder duales Studium oder auch das Erreichen von Bachelor- oder Masterniveau über berufsbegleitende IHK-Fortbildungen. Die Karriereoptionen sind zeitlich und inhaltlich unbegrenzt. Eine Ausbildung ist somit eine hervorragende Grundlage für weitere Schritte auf der Karriereleiter.“
„Gute Ausbildung braucht gute Rahmenbedingungen“, sagt Dr. Kirsten van Elten, Abteilungsleiterin Beruf & Bildung bei der IHK Braunschweig. Die duale Ausbildung in Deutschland wird weltweit vielfach bewundert und hat großen Vorbildcharakter. Trotzdem sind die Herausforderungen für Ausbildungsbetriebe groß. Laut der DIHK-Ausbildungsumfrage konnte jedes zweite Unternehmen im Bereich Industrie und Handel nicht alle Ausbildungsplätze besetzen. „Dennoch ist die Ausbildungsbereitschaft der Unternehmen ungebrochen hoch“. Schwierig ist, dass viele junge Menschen oftmals wenig über die Vorteile einer dualen Ausbildung wissen.
„Deshalb ist es auch unser Auftrag, Karriereperspektiven, Chancen und Vorteile der Beruflichen Bildung sichtbar zu machen. Wir arbeiten daran, diese Themen in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken, beschreibt van Elten. In diesem Zusammen-hang bieten Kampagnen, wie die bundesweite Ausbildungskampagne jetzt#könnenlernen und die neue Plattform „Meine Ausbildung in Niedersachsen“ gute Angebote im Bereich der Berufsorientierung, aber auch einen Überblick bei dem doch vielfältigen Ausbildungsangebot.
Besonders die neue Plattform für Ausbildungsplätze der niedersächsischen Industrie- und Handelskammern ist ein weiterer Meilenstein in der Fachkräftesicherung und erhöht die Karrierechancen junger Menschen.
Das Angebot ist niedrigschwellig und für Jugendliche gut zu erreichen, da die Website mit wenigen Klicks die Ausbildungsplatzangebote unserer Region zusammen-fasst. Ein weiteres Format über das Unternehmen sich wortwörtlich spielerisch mit potenziellen Auszubildenden vernetzen können ist der Karriere Kick. Hier lernt man sich bei einem gemeinsamen Kickerturnier kennen und tauscht sich in lockerer Atmosphäre über die Themen Ausbildung und Beruf aus. „Das ist nicht zuletzt auch eine weitere Möglichkeit für unsere Mitgliedsunternehmen, ihre freien Lehrstellen zu präsentieren“, so van Elten.
„Bei allen Herausforderungen ist unser Lichtblick, dass wir wie auch im letzten Jahr, einen leichten Anstieg der eingetragenen Ausbildungsverträge verzeichnen können“, sagt die IHK-Abteilungsleiterin.
Insgesamt wurden bei der IHK Braunschweig bis zum 30. September 2.358 Ausbildungsverträge eingetragen – zwei Prozent mehr als im Vorjahr.
Im Landkreis Helmstedt sank die Zahl der eingetragenen Ausbildungsverhältnisse um 12,7 Prozent auf 133 neu eingetragene Ausbildungsverträge.