Seit Beginn des Jahres dreht sich bundesweit der „Job-Turbo“ – ein auf Initiative des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales angestoßenes Projekt, um Menschen mit Fluchthintergrund schnell und nachhaltig an den Arbeitsmarkt heranzuführen. Der „Job-Turbo“ verfolgt dabei einen etwas anderen Ansatz der Arbeitsmarktintegration als bei früheren Flüchtlingswellen, wie Hans-Martin Rump, Leiter der Agentur für Arbeit Kiel betont: „Der Begriff ‚Job-Turbo‘ beschreibt eigentlich sehr plastisch, worum es bei diesem neuen Projekt geht. Wir – die beiden Jobcenter und die Agentur für Arbeit - wollen Menschen, die Grundkenntnisse der deutschen Sprache erworben haben und die arbeiten wollen und können, zeitnah an eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung auf dem Arbeitsmarkt heranführen. Insofern hat sich die Gewichtung von Sprache und Beruf in Richtung Beschäftigung am ersten Arbeitsmarkt verschoben. Die Vorteile liegen dabei auf der Hand. Dadurch, dass, Menschen mit Fluchthintergrund einer geregelten Beschäftigung nachgehen, lernen sie durch den täglichen Umgang in der Kollegenschaft leichter den Zugang zur deutschen Sprache, anders als wenn sie sich beispielsweise nur innerhalb von Sprachkursen bewegen. Sie sind schon vor Ort, müssen nicht angeworben werden; sie verdienen durch die Beschäftigungsaufnahme ihr eigenes Geld und helfen Betrieben, Lücken in der Belegschaft zu schließen. Es freut mich deshalb umso mehr, dass die Unternehmensverbände in Kiel und im Kreis Ostholstein-Plön, die Idee, die hinter dem ‚Job-Turbo‘ steckt, unterstützen, indem sie heute mit uns – der Arbeitsagentur und den beiden Job-Centern – diese Veranstaltung mit Betrieben in der Region gemeinsam durchführen.“
Für Ingo Scheuse, Hauptgeschäftsführer Unternehmensverband Kiel e.V. kommt der „Job-Turbo“ vor dem Hintergrund zunehmender Arbeit- und Fachkräftebedarfe zur richtigen Zeit: „In vielen Unternehmen ist die akute Personalknappheit bereits Alltag. Der Job-Turbo kann eine echte Win-Win-Win-Lösung sein: Betriebe können Fach- und Arbeitskräftelücken schneller schließen, geflohene Menschen werden leichter in Arbeit und Gesellschaft integriert und stehen auf eigenen Füßen und nebenbei wird das Sozialsystem entlastet. Das hat Potential!“
Ähnlich sieht es auch Hannes Wendroth, scheidender Geschäftsführer des Unternehmensverbandes Ostholstein-Plön e.V.: „Für mich ist es - endlich - ein Sieg der Vernunft! Jeder, der schon einmal im Ausland gearbeitet hat, weiß um den Wert der Sprachausbildung am Arbeitsplatz.“
Mehr als 30 Betriebe aus unterschiedlichen Branchen sind der gemeinsamen Einladungen aller Institutionen in die Räume der Bäckerei Günther in Kiel-Wellsee gefolgt. Das zeigt, das auf der einen Seite das große Interesse der Betriebe in der Region an diesem Thema, aber auch den Bedarf der Betriebe an neuen oder zusätzlichen Arbeitskräften.
Um geeignete Arbeitskräfte zu finden und an sich zu binden, bieten die Jobcenter Kiel und Kreis Plön ihre Unterstützung an, wie Ayfer Bayram, stellvertretende Geschäftsführerin des Jobcenters in der Landeshauptstadt Kiel ausführt: „Unser Job-Turbo-Team ist aktiv auf der Suche nach geeigneten Stellen und Bewerber*innen und organisiert Formate, in denen sich Arbeitgeber*innen und Bewerber*innen kennenlernen können.“
Michael Westerfeld, Geschäftsführer des Jobcenters Kreis Plön, weist darauf hin, dass nach dem ersten Step der Vermittlung an einen Arbeitsplatz die Unterstützung von Jobcentern und Arbeitsagenturen weitergeht: „Beratung und Begleitung zu Berufssprachkursen und Beschäftigtenqualifizierung sind weitere Schritte auf dem Weg zur Fachkraft und einer nachhaltigen beruflichen Integration.“
Über reichlich Erfahrung im Umgang mit Menschen mit ausländischer Herkunft berichtet im Anschluss Christin Heinz, Personalleiterin bei der Bäckerei Günter. Bei der Bäckerei Günther sind demnach aktuell 20 Menschen mit Fluchthintergrund beschäftigt, immerhin 5 Prozent der Belegschaft. Die Bäckerei in Kiel-Wellsee hofft auch, über den „Job-Turbo“ zusätzliche Arbeitskräfte zu finden.
Marco Lübker, Leiter des gemeinsam von den Jobcentern und der Agentur für Arbeit neu installierten „Job-Turbo-Teams“, berichtet abschließend über erste Erfahrungen aus der Praxis und Erfolge und steht den Arbeitgebenden für deren Fragen zur Akquise und Förderangeboten am Ende der Veranstaltung zur Verfügung.
Arbeitsmarktlicher Hintergrund (Region LH Kiel plus Kreis Plön):
Der aktuelle Aufwuchs der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung im Bezirk der Agentur für Arbeit Kiel (+0,4% oder +600 gegenüber dem Vorjahr; Stand September 2023) wird nur durch die gestiegene Beschäftigung von Menschen mit ausländischer Herkunft (+8,1% oder +1.000) erreicht; bundesweit liegt die Zahl des Anstiegs ausländischer sozialversicherungspflichtiger Beschäftigte gegenüber dem Vorjahr bei 5,6 % (i.Vgl .nur Westdeutschland 5,2%).
Während die Anzahl der jüngeren sozialversicherungspflichtig Beschäftigten unter 25 Jahren mit ausländischem Pass zunimmt (+11% gegenüber dem Vorjahr), sinkt sie bei der deutschen Vergleichsgruppe (-2,2%). Und rund zwei Drittel der ausländischen Arbeitskräfte arbeiten bereits jetzt auf Fachkraftniveau (Zahl: 8.200) und das trotz ggfs. fehlender fachlichen Qualifikation. Auf der anderen Seite steigt der Anteil von arbeitslosen mit ausländischer Staatsangehörigkeit (+6,4 % gegenüber März des Vorjahres). Diese wenigen Zahlen illustrieren die Chancen des aktuellen Arbeitsmarktes.
Das „Job-Turbo-Team“ von Jobcentern und Arbeitsagentur hat bislang rund 300 Menschen mit Fluchthintergrund durch verschiedene Veranstaltungsformate und Beratungs-/Vermittlungsgespräche mit Betrieben in Kiel und im Kreis Plön zusammengebracht.