Dass im Sommer, kurz vor den großen Ferien, die Arbeitslosigkeit ansteigt, ist ein bekanntes Phänomen. Experten sprechen vom „kleinen Sommerloch“, das entsteht, wenn Ausbildungsverhältnisse auslaufen, die betroffenen jungen Leute aber nicht sofort eine Anschlussbeschäftigung finden oder auf den Beginn ihres Studiums im Herbst warten. Diesmal fällt der saisonale Einbruch allerdings wegen des Zuzugs ukrainischer Flüchtlinge ein bisschen tiefer aus als üblich.
So meldet die Agentur für Arbeit Ende Juli für den Landkreis Cochem-Zell 1.251 arbeitslose Frauen und Männer – 122 mehr als im Juni und 116 mehr als vor einem Jahr. Die Arbeitslosenquote steigt um 0,3 Punkte auf 3,7 Prozent.
Der Anstieg geht fast ausschließlich zu Lasten der Jobcenter, die seit rund acht Wochen für die Betreuung der Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine zuständig sind. Tatsächlich können 282 der zum Monatsende arbeitslos gemeldeten Personen dieser Personengruppe zugeordnet werden. Insgesamt sind derzeit im Landkreis Cochem-Zell 456 erwerbsfähige Ukrainerinnen und Ukrainer registriert – 382 davon haben sich arbeitssuchend gemeldet. Vor einem Jahr tauchte diese Personengruppe so gut wie gar nicht in der Arbeitslosenstatistik auf.
„Damit setzt sich der Trend fort, der sich bereits im Juni abgezeichnet hat, als die Jobcenter zur Anlaufstelle für Ukraine-Flüchtlinge wurden“, erklärt Frank Schmidt, Leiter der Agentur für Arbeit Koblenz-Mayen, und betont, dass der aktuelle Zuzug zwar eine Herausforderung für den regionalen Arbeitsmarkt darstelle. „Aber eine, die wir gut bewältigen können.“ Schließlich habe man in der Flüchtlingskrise, die 2015 ihren Anfang nahm, viel Erfahrungen gesammelt und wichtige Netzwerke geknüpft, auf die man nun zurückgreifen könne. „Außerdem sind die Integrationschancen der Menschen, die nun zu uns kommen, sehr gut. Sie sind meist gut ausgebildet und wollen unbedingt arbeiten.
Haupthindernis sei, wie immer in solchen Situationen, die Sprache. Doch auch hier erkenne er großes Engagement bei den Betroffenen. Allerdings müssten viele der geflüchteten Frauen ihre Kinder gut versorgt wissen, um entspannt Deutschkurse zu besuchen oder arbeiten zu gehen. Auch ausländische (Berufs-) Abschlüsse könnten nicht von einem auf den anderen Tag anerkannt werden. Allerdings seien die meisten Flüchtlinge in dieser Hinsicht sehr flexibel und durchaus bereit, zumindest zweitweise in anderen Berufen zu arbeiten.
Dass der Arbeitsmarkt in der Region in der Lage ist, Fachkräfte unterzubringen, zeigt der Blick auf den Stellenmarkt. Aus dem COC-Kreis wurden dem Arbeitgeberservice der Agentur in den letzten vier Wochen 86 zusätzliche freie Stellen gemeldet. Damit liegen derzeit 524 Stellenangebote aus der Region vor.
Welche Auswirkungen der Krieg selbst und die mit ihm einhergehenden Lieferengpässe auf die weltweite und damit auch auf die regionale Wirtschaft haben werden, könne hingegen niemand sagen, betonte Schmidt. „Eine Prognose wage ich da nicht.“
Im Endspurt befindet sich der Ausbildungsmarkt. Einzelne Ausbildungsverträge, die in diesem Jahr geschlossen wurden, sehen den Einstieg der Nachwuchskräfte im August vor, das Gros startet offiziell Anfang September. Günstig ist die Lage – eigentlich – für die jugendlichen Bewerber, da die Zahl der angebotenen Stellen die der Interessenten auch in diesem Jahr deutlich übersteigt. So kamen bislang im laufenden Ausbildungsjahr – das den Zeitraum von Anfang Oktober 2021 bis Ende September 22 umfasst – 536 Stellenangebote auf 270 Bewerberinnen und Bewerber. Ende Juli sind laut Statistik noch 67 junge Leute auf Ausbildungssuche. Ihnen stehen 209 unbesetzte Lehrstellen gegenüber.
„Das zeigt sehr deutlich, dass viele junge Menschen trotz üppigem Angebot Probleme haben, ihre Traumstelle zu finden“, sagt Schmidt und sieht die Gründe dafür vor allem in der Schwierigkeit, sich auf dem sich schnell verändernden Markt zu orientieren. „Es gibt Berufe, von denen viele Jugendliche noch nie gehört haben, die für sie und ihre Talente aber durchaus interessant wären. Hinzu kommt, dass sich in den nächsten Jahren viele Berufsbilder völlig verändern werden oder sogar ganz wegfallen, während völlig neue Berufe entstehen. Professionelle Unterstützung ist daher bei der Berufswahl wichtiger denn je.“ Er appellierte deshalb vor allem an diejenigen, die noch keine klare Vorstellung von ihrer beruflichen Zukunft haben, die kostenlosen Angebote der Berufsberatung wahrzunehmen.
Termine bei der Berufsberatung der Arbeitsagentur können auch kurzfristig unter der Hotline 0261 – 405 444 vereinbart werden.