Im Ahrtal hat Helfen seit gut einem Jahr eine tiefe, oft sogar lebenswichtige Bedeutung: Hier hilft jeder jedem wo und wie er oder sie kann. Und manchmal profitieren alle von der gegenseitigen Unterstützung. Wie im Fall von Tanja Niessner.
Die erfahrene Archäologin betreut seit einigen Wochen den Infopoint des Helfer-Stabs in Ahrweiler. Dort hilft sie Menschen, die mit der Beantragung von Fluthilfen überfordert sind - und reiht sich mit Begeisterung ins Team ihres gemeinnützigen Arbeitsgebers ein. Dass sie zueinandergefunden haben, verdanken Wissenschaftlerin und Helfer-Stab dem AHRweit in Arbeit-Team von Arbeitsagentur und Jobcenter, dessen Mitarbeiterin Tatjana Hell-Zimmermann den Lebensweg der Archäologin seit langem begleitet.
Dass sie einmal als Katastrophenhelferin im Ahrtal landen würde, hätte Tanja Niessner zu Beginn ihres Studiums nicht geglaubt. Sie wollte nach Spuren der Vergangenheit graben, Geschichte aufspüren, leitete Ausgrabungen, dokumentierte Funde. Ein Traumjob, um den viele sie beneideten.
Doch sie wurde erst krank, dann arbeitslos und landete schließlich beim Jobcenter, wo sie Arbeitsvermittlerin Tatjana Hell-Zimmermann begegnete. Der erste Schritt zurück ins Berufsleben führte über das Teilhabechancengesetz zu einem Digitalisierungsunternehmen. Das brachte der 48-Jährigen zwar die gesundheitlich benötigte Ruhe, war ihr aber auf Dauer zu eintönig. „Daten zu digitalisieren war weit weg von den Dingen, die mir Spaß machten. Vor allem sehnte ich mich nach Kontakt zu Menschen.“ Doch wie ließen sich die Erfahrungen aus ihren Jobs sinnvoll verbinden?
Tatjana Hell-Zimmermann, die mittlerweile dem AHRweit in Arbeit-Team angehörte, mit dem Arbeitsagentur und Jobcenter im Flutgebiet schnelle und möglichst unbürokratische Hilfe leisten wollen, war hellhörig. Gemeinsam mit ihren Kolleginnen und Kollegen ist sie täglich im Flutgebiet unterwegs, weist auf Unterstützungsmöglichkeiten hin und versucht auch dort zu helfen, wo dies anfangs aussichtslos erscheint.
Die Zusammenarbeit mit dem Helfer-Stab ist da unausweichlich. Schließlich ist aus dem zunächst losen Zusammenschluss ehrenamtlicher Helfer*innen längst die wichtigste Schnittstelle zwischen Behörden, Verbänden, Ministerien, Kommunen und privaten Helferinnen und Helfern geworden. Außerdem dokumentiert der Helfer-Stab das Geschehen an der Ahr, „damit wir die Chance haben, etwas aus den dramatischen Ereignissen während und nach der Flut zu lernen“. So unvorbereitet wie die Bewohner des Ahrtals soll niemand mehr von einer Katastrophe überrollt werden.
Der Helfer-Stab ist aber auch Arbeitgeber. Denn viele der Aufgaben, die er übernommen hat, lassen sich auf Dauer nur von hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erledigen. Von denen wurden im Laufe der Zeit immer mehr gebraucht. „Ich wusste gleich, dass das etwas für Tanja Niessner sein könnte“, schmunzelt Tatjana Hell-Zimmermann in der Rückschau. Also lud sie die Archäologin zu einer der für den Helfer-Stab organisierten Bewerberrunden ein.
Dort begegnete sie Gabi Schneider, Personalverantwortliche des Helfer-Stabs. „Eigentlich suchten wir vor allem Leute für die Aufsuchende Hilfe.“ Nicht unbedingt das, was Tanja Niessner sich vorstellte, zumal sie nicht mal ein Auto besitzt. „Aber ich hatte das Gefühl, dass wir gut zusammenpassen“, sagt Schneider. Also wurde anja Niessner mit Unterstützung des Jobcenters eingestellt.
Ihr Job ist es nun, Flutopfer beim Ausfüllen der Anträge auf Wiederaufbauhilfe zu unterstützen. Ihre Aufgabe geht allerdings weit darüber hinaus, erklärt Niessner. „Die Leute, die zu mir kommen, bringen ja ihre ganze Geschichte mit. Und wenn ich erkenne, dass sie auch auf anderen Ebenen Hilfe brauchen, versuche ich, diese zu organisieren.“ Das breitgefächerte Spektrum des Helfer-Stabes ist dabei eine enorme Hilfe.
Gabi Schneider ist mit ihrer Mitarbeiterin jedenfalls mehr als zufrieden. Besonders schätzt sie deren Gabe, strukturiert vorzugehen und trotzdem dicht an der Not ihres Gegenübers zu sein. „Empathie und Fingerspitzengefühl sind Kernkompetenzen, die unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mitbringen müssen – egal, ob sie als Hausmeister, Lkw-Fahrer, im Büro oder in der Aufsuchenden Hilfe eingesetzt sind. Viele Menschen an der Ahr sind auch ein Jahr nach der Flut noch immer traumatisiert. Damit muss man umgehen können.“
Eine weitere wichtige Voraussetzung für effektive Hilfe ist laut Schneider eine gehörige Portion Flexibilität. Das gelte für jeden Einzelnen, aber auch für den gesamten Helfer-Stab. „Unsere Arbeit verändert sich mit den Bedürfnissen der Menschen. Wie wir in einem oder zwei Jahren aufgestellt sind, kann deshalb niemand sagen.“
Ein dickes Lob schickt Gabi Schneider in Richtung AHRweit in Arbeit-Team, das knapp die Hälfte der rund 50 Beschäftigten vermittelte. „Wenn wir Unterstützung brauchen, können wir uns auf dieses Team verlassen. Das erleichtert uns die Arbeit ungemein. Ohnehin ist die gewaltige Aufgabe nur zu bewältigen, wenn viele zusammenarbeiten und sich gegenseitig unterstützen.“