Es ist gerade mal 15 oder 20 Jahre her, da gingen die Bewerbungen um einen Ausbildungsplatz waschkörbeweise bei den Firmen der Region ein. Wer „nur“ einen befriedigenden Schulabschluss vorweisen konnte, hatte beim Start ins Berufsleben schlechte Chancen. Doch diese Zeiten sind vorbei. Der demografische Wandel sorgt dafür, dass nicht länger Ausbildungsplätze knapp sind, sondern jugendliche Bewerberinnen und Bewerber, die einen solchen haben wollen. Seit Jahren geht die Schere zwischen Angebot und Nachfrage stetig weiter auseinander. Davon ist auch die Bilanz der Agentur für Arbeit Koblenz-Mayen zum soeben beendeten Ausbildungsjahr 2021/22 geprägt.
2.540 junge Menschen suchten zwischen Oktober 2021 und September 2022 bei der Berufsberatung Unterstützung bei ihrer Suche nach einem Ausbildungsplatz – das sind 161 weniger als im Jahr zuvor und sogar 575 weniger als im entsprechenden Zeitraum des vorletzten Ausbildungsjahres.
Zwar gingen auch die gemeldeten Ausbildungsstellen zurück, doch bei weitem nicht so stark. Während die Betriebe im Agenturbezirk zuletzt 3.409 offene Stellen meldeten, waren es in den beiden Jahren zuvor 50 beziehungsweise 75 mehr. Damit kamen 2019/20 immerhin noch 92 Bewerberinnen und Bewerber auf 100 Stellen, ein Jahr später waren es noch 80 und 2021/22 nur noch 77. Verschärft wird die Diskrepanz dadurch, dass am Ende eine ganze Reihe der ursprünglichen Bewerber*innen doch lieber weiter zur Schule geht, studiert oder eine Auszeit nimmt.
Eine Entwicklung, die nicht nur Arbeitgebern, sondern auch Frank Schmidt, dem Leiter der Agentur für Arbeit Koblenz-Mayen Sorgen macht. „Zumal sich an der demografischen Schraube nun mal nicht drehen lässt.“ Umso wichtiger sei es, alle anderen Register zu ziehen, um den Mangel an Nachwuchskräften abzumildern.
Denn: „Qualifizierter Nachwuchs ist für jedes Unternehmen eine Überlebensfrage, aber auch für die gesamte Gesellschaft hängt viel davon ab, dass Strukturen erhalten bleiben. Viele Menschen machen bereits jetzt die Erfahrung, dass sie unendlich lange auf Handwerker warten müssen, dass Läden schließen oder Restaurants ihre Öffnungszeiten drastisch einschränken, weil kein Personal vorhanden ist. Wenn die geburtenstarken Jahrgänge in den nächsten Jahren in Rente gehen, ohne dass sie ersetzt werden können, wird sich diese Situation deutlich verschärfen.“
Noch sei die Lage nicht in allen Branchen gleich stark angespannt. Das lege nahe, dass vor allem Berufe, die bei jungen Leuten wenig beliebt seien, attraktiver gemacht werden müssten – sei es über interessante Arbeitszeitmodelle, attraktive Unterstützungsangebote oder eine bessere Bezahlung. „Mittlerweile gibt es Handwerksbetriebe, die die Wochenarbeitszeit auf Montag bis Donnerstag verteilen und ihren Mitarbeitern dadurch ein dreitägiges freies Wochenende ermöglichen. Andere finanzieren ihren Nachwuchskräften den Führerschein oder zahlen mehr als andere. Der Kreativität sind da keine Grenzen gesetzt.“ Es sei nun mal eine Tatsache, dass Arbeitgeber heute auch bei der Werbung um Nachwuchskräfte in Konkurrenz zueinanderstehen stehen und Jugendliche sich für den entscheiden, der ihnen die besten Konditionen biete.
Aber auch bei den Berufseinsteigerinnen und -einsteigern sieht Schmidt Nachholbedarf. „Der Arbeitsmarkt wandelt sich in einem nie gekannten Tempo. Beinahe täglich entstehen neue Berufe oder sogar ganze Branchen. Da ist es schon bedenklich, dass sich bei den Vorlieben der Schulabgängerinnen und -abgänger seit Jahrzehnten kaum etwas geändert hat. Sie wollen noch immer Bürokaufleute, Kfz-Mechatroniker oder Friseurin werden.“
Das liege nicht zuletzt daran, dass viele junge Menschen sich nach wie vor daran orientierten, wie die Erwachsenen in ihrem unmittelbaren Umfeld ihr Geld verdienten. Doch auch diese Vorbilder seien häufig nur unzureichend darüber informiert, ob ihr Beruf tatsächlich eine sichere Zukunft habe. Berufsberaterinnen und -berater gingen deshalb zunehmend dazu über, nicht nur Jugendliche, sondern auch Eltern über das zu informieren, was am Arbeitsmarkt vor sich gehe. „Denn Orientierung ist angesichts des rasanten Fortschritts tatsächlich keine einfache und keine schnelle Angelegenheit.“
Dass viele Schulabgängerinnen und -abgänger sich zu spät mit diesem komplexen Thema auseinandersetzen, ist laut Schmidt der Hauptgrund, dass trotz bester Voraussetzungen auch zum Ende des gerade ausgelaufenen Ausbildungsjahres rund 100 junge Frauen und Männer gezählt wurden, die leer ausgegangen waren. Da ihnen fast dreimal so viele unbesetzte Ausbildungsplätze gegenüberstanden, konnte ein großer Teil auch nach dem offiziellen Start der Ausbildung noch vermittelt werden – und das Zusammenbringen von Arbeitgebern und Jugendlichen geht noch immer weiter.
Doch manchmal passe es einfach nicht, räumt der Agenturleiter ein. Schließlich müsse ein Beruf zu den Vorlieben und Talenten eines jungen Menschen passen. Und dann gebe es – trotz aller Zugeständnisse, die manche Arbeitgeber zu machen bereit seien – auch Bewerberinnen und Bewerber, die einfach (noch) nicht reif für eine Ausbildung seien. „Doch auch hier haben wir viele Möglichkeiten, um Defizite auszugleichen und die jungen Leute, etwa über ein Langzeitpraktikum, optimal auf eine Bewerbung im nächsten Jahr vorzubereiten. Denn für uns ist es wichtig, dass jeder junge Mensch, der am Arbeitsmarkt Fuß fassen will, die optimale Chance bekommt, das auch zu tun.“
Jugendliche und ihre Eltern können über Sondernummern Kontakt zur Berufsberatung aufnehmen: 0261 – 405 444 (Koblenz) oder 02651 – 950 333 (Mayen).
Ausbildungswillige Betriebe können sich über die kostenfreie Hotline an den Arbeitgeberservice der Agentur wenden: 0800 – 4 55 55 20.