Eine lange Vergangenheit hat sein 2010 gegründeter Betrieb zwar nicht, an dessen Zukunft arbeitet Kristian Ritter umso energischer. Dass der Dachdecker dabei den richtigen Weg einschlägt, steht für die Agentur für Arbeit Koblenz-Mayen außer Frage: Sie verlieh dem Polcher Geschäftsmann ihr Zertifikat „Unternehmen mit Zukunft“.
Die Zeiten haben sich geändert, das spürt Kristian Ritter tagtäglich. Vor allem im Handwerk ist fast nichts mehr so wie vor zehn oder zwanzig Jahren. „Und das ist in mancher Hinsicht auch gut so“, sagt der 43-Jährige und denkt dabei an seine eigenen Lehr- und Gesellenjahre zurück. Damals war der Chef jemand, über dessen Anweisungen nicht diskutiert wurde. Selbst dann nicht, wenn es sinnvoll und notwendig gewesen wäre. Unternehmer und Angestellte auf Augenhöhe? Pustekuchen.
„So ein Chef wollte ich nie sein. Und so ein Chef bin ich auch nicht.“ Davon abgesehen, meint er, würde das heute auch kein Beschäftigter mitmachen. Im Gegenteil: Ritter ist überzeugt davon, dass seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor allem das gute Klima im Betrieb schätzen – und sich deshalb immer wieder für ihn entscheiden. Denn dass es längst nicht mehr ausreicht, einen Bewerber oder eine Bewerberin einmal zu gewinnen, ist ihm seit langem klar. „Heute sind auch im Handwerk Headhunter unterwegs und jeder Beschäftigte weiß, dass er problemlos woanders unterkommen kann.“
Das Verhältnis zwischen Chef und Abgestelltem sei deshalb im Grunde eine Beziehung wie jede andere auch: arbeitsintensiv, nicht immer ungetrübt, aber stets von gegenseitiger Wertschätzung geprägt. „Und wenn es doch mal kracht, müssen beide Seiten bereit sein, das Problem zu lösen und aufeinander zuzugehen.“ Dazu gehöre auch, dass man auf die persönlichen Bedürfnisse seiner Beschäftigten Rücksicht nehme. „Sie müssen zufrieden sein und spüren, dass sie nicht nur Arbeitskräfte sind, sondern auch als Menschen wahr- und ernstgenommen werden.“
Neben dem guten Betriebsklima und der Wertschätzung für seine Leute setzt Dachdecker Ritter aber auch auf konkrete Anreize. Das fängt bei hochwertigem Material, präzise geplanten Arbeitsabläufen und der Auswahl der Kunden an. Weit entfernte Baustellen übernehme sein Betrieb nicht mehr, erklärt der Chef, damit nicht zu viel Zeit in An- und Abfahrt investiert oder sogar Übernachtungen eingeplant werden müssten. Ohnehin beziehe er seine Mannschaft – zu der seit gut einem Jahr erstmals auch eine weibliche Azubine gehört – gern bei wichtigen Entscheidungen ein. „Wenn wir Maschinen oder Werkzeug anschaffen, besprechen wir das in der Gruppe. Schließlich arbeiten die Leute jeden Tag draußen auf dem Dach und können am besten beurteilen, wie sie ihre Arbeit am besten und am sichersten erledigen können.“
Gemeinsam hatte man vor einem halben Jahr auch entschieden, es mit der Vier-Tage-Woche zu probieren. Schließlich schien das in anderen Unternehmen gut anzukommen. Vier Monate später beschloss das Team, den Versuch abzubrechen. „In unserer Branche gibt es ja ohnehin viele Ausfallzeiten – im Winter ist es zu nass oder zu kalt, um aufs Dach zu klettern, im Sommer ab Mittag zu heiß. In der Praxis war es deshalb für die Beschäftigten zu stressig, auch noch den Freitag rauszuarbeiten.“
Mehr Unterstützung als in der Vergangenheit brauche heute oft der Nachwuchs – vor allem, wenn man wie Kristian Ritter keinen allzu großen Wert auf Noten legt. Denn natürlich müssen auch die angehenden Dachdecker die Berufsschule besuchen - und Prüfungen schaffen. Da benötige mancher Unterstützung. „Aber auch das praktische Anlernen ist wichtig. Schließlich ist unser Beruf nicht ganz ungefährlich. Die Teams müssen sich aufeinander verlassen können. Davon hängt im Zweifel das Leben des Einzelnen ab.“
Ritter weiß deshalb um den Wert älterer Arbeitnehmer – auch in seinem, körperlich ansruchsvollen Beruf. „Sie haben jede Menge Erfahrung und sind für die Anleitung der Jüngeren unersetzlich.“ Eine gesunde Mischung aus Alt und Jung ist für ihn deshalb ein weiteres Erfolgsrezept – inklusive gegenseitiger Rücksichtnahme und Wertschätzung. „In der täglichen Praxis ist das gar nicht so selbstverständlich, wie es sich in der Theorie anhört. Daran müssen alle Beteiligten jeden Tag arbeiten. Eins der wichtigsten Einstellungskriterien ist für mich deshalb, ob jemand ins Team passt oder nicht.“ Als Chef sei es vor allem seine Aufgabe, das Zusammengehörigkeitsgefühl zu stärken. „Gute Arbeit machen die Jungs und Mädels dann fast von allein.“
Beim Arbeitgeberservice der Agentur für Arbeit Koblenz-Mayen beobachtet man diese Haltung und die Erfolge, die sich daraus ergeben, seit langem mit Interesse. Denn wer einmal bei Dachdecker Ritter gelandet sei, bleibe meist dort hängen.
Dass die Arbeitsmarktexperten den von Kristian Ritter eingeschlagenen Weg für vielversprechend halten, unterstrichen sie mit der Verleihung des Zertifikats „Unternehmen mit Zukunft“. Thomas Becker, stellvertretender Agenturleiter, der die Auszeichnung in Polch überreichte, bestärkte den Dachdeckermeister jedenfalls in seiner Einschätzung. „Eine gute Stammbelegschaft ist mindestens so wertvoll wie eine treue Stammkundschaft. Während Letztere meist allein den Weg in den Betrieb findet, muss man nach guten Mitarbeitern oft lange suchen – und eine Menge dafür tun, damit sie bleiben.“