Es war eine Nacht, die niemand je vergessen wird, der sie miterlebt hat: Am späten Abend des 14. Juli 2021 versank das gesamte Ahrtal in den Fluten des Flüsschens, das nach tagelangem Regen zum reißenden Strom geworden war. Die Folgen: Viele tote Menschen, traumatisierte Überlebende, die alles verloren haben, zerstörte Gebäude und Landschaften.
Mitten im dramatischen Geschehen waren auch die Patienten und Beschäftigten der Kliniken Bad Neuenahr, einer orthopädischen Reha-Einrichtung, die bis dahin mit ihrer malerischen Lage unmittelbar am Fluss punkten konnte. 251 überwiegend frisch-operierte und gehbehinderte Patienten wurden von 33 Beschäftigten aus Ärzteschaft, Pflegepersonal, Technik und Verwaltung - die teilweise in die Kliniken zurückgekehrt waren, nachdem sich das Ausmaß der Katastrophe abzeichnete - unter dramatischen Bedingungen in die oberen Stockwerke der bis zu zehnstöckigen Anlage gebracht.
„Es gab kein Handynetz, keinen Strom und demzufolge auch kein Licht oder Aufzüge. Wir waren abgeschnitten von der Außenwelt“, erinnert sich Geschäftsführer Rainer Ziegler. Erst am nächsten Abend gegen 21 Uhr war der letzte Patient evakuiert worden. Was im allgemeinen Chaos zunächst nicht sicher war: Kein Mensch war zu Schaden gekommen.
Anders sah es bei den Gebäuden aus, die zu der rund 15.000 Quadratmeter großen Anlage gehören: Hier waren und sind Zerstörung und Schäden gewaltig. Auf 21 Millionen Euro wurden die Sanierungskosten anfangs geschätzt. Mittlerweile geht Ziegler vom Doppelten aus. Denn neben dem völlig zerstörten Keller- und Erdgeschoss fielen der Flut auch viele Spezialgeräte zum Opfer. Und viele notwendige Erneuerungen, wie etwa die der Stromleitungen, ließen sich eben nicht auf die unmittelbar betroffenen Geschosse reduzieren. Kein Wunder, dass Ziegler die Entscheidung, die Einrichtung wiederaufzubauen, keinesfalls für selbstverständlich hält. Am Ende war es Günter Kill, Geschäftsführer und Gründer der Kliniken Bad Neuenahr, der seinem Lebenswerk eine zweite Chance geben wollte.
Mittlerweile ist rund die Hälfte der Räume wieder nutzbar. Und nachdem die wichtigste Infrastruktur wieder funktioniert, sind auch die ersten Patienten zurückgekehrt. Im nächsten Jahr, hoffen Kill und Ziegler, werden alle Therapieräume saniert sein und der Betrieb kann wieder in normalen Bahnen laufen. Falls der Personalschlüssel stimmt.
Denn neben der Mammutaufgabe Wiederaufbau, der vom Land gefördert wird, stehen die Verantwortlichen der Klinik vor einem besonderen Problem: Auf dem heiß umkämpften Arbeitsmarkt für Pflegekräfte hat die Flut sie aus dem Rennen katapultiert. „Ohne Hilfe der Arbeitsagentur hätten wir das nicht geschafft“, sagt Personalchefin Sandra Kehr, die im Sommer 21 erstmals in ihrem Berufsleben Kurzarbeit beantragen musste. „Zum Glück haben die Mitarbeiter der Agentur auch dabei geholfen.“
Doch diese „erste Hilfe“ war nicht die einzige Unterstützung, die die Klinik in den letzten drei Jahren von den Arbeitsmarktexperten erfahren hat. Das war auch dringend nötig, denn von den einstmals 220 Beschäftigten blieben nur 90. Das könne er verstehen, räumt Ziegler ein. „Unsere Leute haben wochenlang Schlamm weggeschaufelt, das war einfach bewundernswert. Aber als dann klar war, dass wir nicht in einigen Wochen oder Monaten wieder an den Start gehen konnten, ist ein großer Teil abgewandert. Schließlich musste jeder an seine eigene berufliche Zukunft denken.“
Trotzdem: Neues Personal zu finden, ist gerade in der Pflege kein leichtes Unterfangen – vor allem, wenn es auch noch andere Probleme gibt, die die Aufmerksamkeit binden. Auf das Unterstützungsangebot der Arbeitsagentur griffen Rainer Ziegler und Sandra Kehr deshalb gern zurück und die Mitarbeiter des Arbeitgeberservice wurden zu regelmäßigen und gern gesehenen Besuchern.
Doch schnell war klar, dass auch von Arbeitgeberseite Kompromisse notwendig waren, denn Fachkräfte konnten die Unterstützer nicht herbeizaubern. Stattdessen wurden vorhandene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu Fachkräften qualifiziert. Neue, nicht optimal ausgebildete Leute bekamen dank Fördergeldern wie dem Eingliederungszuschuss die Chance, sich während der Beschäftigung weiterzubilden. Aber auch ausländische Fachkräfte konnten dank Agentur gewonnen werden. Derzeit ist man im Gespräch darüber, auch geflüchteten Menschen Arbeitsplätze anzubieten. …
All das sei natürlich kein exklusives Programm für Kliniken Bad Neuenahr, sondern Teil des Ahrflut-Engagements seines Hauses, betont Agenturleiter Frank Schmidt. „Und alle Angebote stehen auch Unternehmen zur Verfügung, die nicht von der Flut betroffen sind.“ Trotzdem haben ihn Management und Belegschaft der Reha-Einrichtung in Bad Neuenahr besonders beeindruckt. „Es ist heute ja schon schwierig, überhaupt eine Pflegeeinrichtung zu führen. Das im Wiederaufbau zu leisten, ist mehr als beachtlich.“
Rainer Ziegler jedenfalls bleibt in Sachen Personalfindung optimistisch. „Ein Gutes hat unsere Situation ja immerhin: Wir sind technisch auf dem neusten Stand. Und weil wir keine Akutklinik sind, geht es bei uns vielleicht auch ein bisschen entspannter zu als in anderen Einrichtungen.“ Zumindest wird das wohl so sein, wenn erst die Baustellen auf dem Klinikgelände verschwunden sind.