Der Ausbildungsmarkt in NRW hat nach zwei durch die Corona-Pandemie geprägten Jahren wieder Fahrt aufgenommen. Betriebe und Unternehmen meldeten von Oktober bis März wieder deutlich mehr Ausbildungsstellen als im selben Zeitraum vor einem Jahr. Mit rund 91.000 Stellen erreichte die Zahl der Ausbildungsplätze annähernd wieder das Vor-Corona-Niveau. Allerdings sind mit Blick auf die Zahl der gemeldeten Bewerberinnen und Bewerbern nach wie vor die Auswirkungen der Corona-Pandemie zu spüren. Bis Ende März hatten sich knapp 79.000 junge Menschen und damit noch einmal rund 2.500 Jugendliche weniger als vor einem Jahr für einen Ausbildungsplatz interessieren.
Anlässlich der Halbjahresbilanz am Ausbildungsmarkt sagte Torsten Withake, Leiter der Bundesagentur für Arbeit in NRW, nach zwei schwierigen Jahren in der Pandemie gibt es eine positive Dynamik bei den Ausbildungsstellen. Umso wichtiger sei es jetzt, dass möglichst viele Jugendliche die Chance erhalten, mit einer dualen Berufsausbildung in eine erfolgreiche Karriere- und gute Lebensperspektive zu starten.
„Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber investieren mit Blick auf die Zukunft verstärkt in die Ausbildung“, so Torsten Withake. „Dabei profitiert der Ausbildungsmarkt auch von der Stabilität, die der Arbeitsmarkt während der Pandemie gezeigt hat. Die Unternehmen konnten ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an Bord halten. Auf dieser Grundlage gehen sie nun wieder verstärkt die Herausforderung an, ihre Fachkräfte für eine erfolgreiche geschäftliche Zukunft auszubilden. Der erste Schritt für viele Unternehmen ist es, Praktika anzubieten und so interessierte Jugendlichen kennenzulernen und ihnen die Chance auf einen Einblick in die Welt der Berufe zu geben.“
Der Wandel hin zum Bewerbermarkt wurde in den Daten bis März auch im Agenturbezirk Krefeld weiter deutlich. Bei einer Relation von 128 Ausbildungsstellen auf 100 Bewerber ist eine Steigerung gegenüber den Vorjahren zu verzeichnen (März 2021: 113 zu 100). Bis März wurden für den Agenturbezirk Krefeld/Kreis Viersen 2.844 Ausbildungsstellen gemeldet und (März 2021: 2.695) und 2.219 Jugendliche suchten eine Ausbildungsstelle (März 2021: 2.378).
„Zwei Jahre Pandemie haben tiefe Spuren auf dem Ausbildungsmarkt hinterlassen. Besonders die Jugendlichen litten zu lange darunter, dass die vielen, von allen Partnern in vielen Jahren gemeinsam entwickelten tollen Unterstützungsangebote nur sehr eingeschränkt zum Einsatz kommen konnten. Bei allen richtigen Versuchen, digitale Wege zu gehen, fehlten doch ganz besonders die wertvollen Realbegegnungen mit der Arbeitswelt. Praktika, Messen, Börsen werden wir jetzt mutig und zupackend wieder ermöglichen. Die besonderen Herausforderungen motivieren uns dazu, nicht nur Bewährtes wie Pott & Deckel und Mach´s öffentlich im Rahmen der Check-in Woche nun wieder anzubieten, sondern als Partner im Ausbildungskonsens auch gemeinsame, neue Wege zu gehen. Nur um drei Beispiele zu nennen: Grüne Woche, StuBos (Koordinatoren der Studien- und Berufsorientierung) on Tour oder Elternveranstaltungen“, erläutert Rainer Imkamp, Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Krefeld.
„Aus eigener Erfahrung kann ich bestätigen, dass es eine unternehmerische Herausforderung bleibt, geeignete Fachkräfte zu finden“, erläutert Uwe Stein, Geschäftsführer der Dimension-Polyant GmbH in St. Hubert. „Nur mit Hilfe zuverlässiger und geschulter Mitarbeiter erreichen wir die Qualität und Flexibilität, die von unseren Kunden gefordert wird. Nur dann, wenn wir selber ausbilden, können wir die Stärken unserer Nachwuchskräfte früh erkennen und fördern. Ausbildung bedeutet heute zudem mehr als die reine Vermittlung von Fachwissen. Für eine lange Zusammenarbeit sind die Entwicklung der Gesamtpersönlichkeit, die Etablierung einer belastbaren Beziehung basierend auf Vertrauen wesentliche Eckpfeiler. Für uns gilt: Wir setzen weiter voll auf die Karte Ausbildung!“
Dimension-Polyant ist Weltmarktführer im Bereich von hochwertigen Segeltüchern. Sowohl für den Freizeitsport, als auch für den Profibereich. Dabei legt man Wert auf höchste Qualität. Es trifft traditionelles Handwerk (klassische Weberei) auf hoch technisierte Produktionsstätten und höchstes technologisches Niveau. Produziert wird an zwei Standorten in Kempen und Putnam (USA), seit 2021 klimaneutral. Seit der Gründung 1966 ist das Unternehmen erfolgreich am Markt. Dabei setzt man zum einen auf die langjährige Erfahrung und zum anderen auf die hauseigene Forschungs- und Entwicklungsabteilung. Neben den beiden Produktionsstandorten hat das Unternehmen mehrere Vertriebsstandorte weltweit.
Das Traditionsunternehmen beschäftigt derzeit etwa 100 Mitarbeiter. Ausgebildet werden die Berufe Elektroniker/in – Betriebstechnik, Maschinen- und Anlagenführer/in, Industriekaufmann/Industriekauffrau und Industriemechaniker/Industriemechanikerin.
Die Hoffnung, das Jahr 2021 mit mehr Ausbildungsverträgen als im Jahr 2020 abzuschließen, hat sich für die Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein erfüllt: Es gab insgesamt 4.015 neue Ausbildungsverträge und damit 18 mehr als im Jahr zuvor. Die Zahl der Verträge im gewerblich-technischen Bereich hat sich im Vergleich zum Vorjahr sogar um 5,9 Prozent erhöht. Im kaufmännischen Bereich hingegen wurden 2,1 Prozent weniger Verträge abgeschlossen. „Das hat mit den unterschiedlichen Auswirkungen der Pandemie auf die einzelnen Branchen zu tun“, erklärt IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz. „Während das produzierende Gewerbe die pandemischen Auswirkungen weniger stark gespürt hat, waren vor allem die Gastronomie, der Einzelhandel und das Veranstaltungswesen besonders von der Pandemie betroffen. Das hat zu einem Rückgang der kaufmännischen Vertragsabschlüsse geführt.“ Die aktuellen Zahlen zeigen zum 28. Februar 2022 ein Minus von 10,3 Prozent bei den Eintragungszahlen im Vergleich zum Vorjahr. „Natürlich haben die Zahlen noch nicht das Niveau der Jahre vor der Corona-Pandemie erreicht“, sagt Steinmetz. „Allerdings haben wir durch gezielte Maßnahmen und Projekte dafür sorgen können, dass der Ausbildungsmarkt durch die Corona-Pandemie nicht komplett eingebrochen ist.“
Erfreulich sei, dass Ausbildungsbetriebe aus der Region in einer aktuellen Befragung gespiegelt haben, dass die Corona-Situation keine besonderen Auswirkungen mehr auf die Ausbildungssituation hat, denn die Ausbildung läuft in den meisten Ausbildungsbetrieben wieder normal weiter. Für ein Drittel der Betriebe bietet das Ausbilden im Homeoffice oder im mobilen Arbeiten eine gute Alternative. „Dreiviertel der befragten Ausbildungsbetriebe werden dieses Jahr ihre Auszubildenden übernehmen. Und 82 Prozent der Ausbildungsbetriebe bilden weiter aus. Daneben gewinnen wir derzeit auch verstärkt neue Ausbildungsbetriebe. Das stimmt uns vorsichtig optimistisch“, so Steinmetz. Das wichtigste Thema für die Ausbildungsbetriebe sei derzeit die Rekrutierung von neuen Auszubildenden. Damit die Suche verstärkt über die Sozialen Medien erfolgen kann, bietet die IHK Mittlerer Niederrhein ihren Mitgliedsunternehmen ihre Plattform und entsprechende Beratung an. Auch finden wieder verstärkt Präsenztermine zum Kennenlernen zwischen Schülern und Unternehmen, so zum Beispiel die Check In Berufswelt vom 16. bis 19. Mai, statt.
Steinmetz: „Wir dürfen nicht nachlassen, für den hohen Stellenwert der dualen Berufsausbildung zu werben, damit auch im Jahr 2022 viele Schülerinnen und Schüler und Ausbildungsbetriebe zusammenfinden.“ Nur so könne die Wirtschaftsleistung in der Region trotz Fachkräftemangels gesichert werden.
„Deutschland steht vor großen Herausforderungen: beim Klimaschutz, bei der Digitalisierung, bei der Modernisierung der Infrastruktur, im Wohnungsbau. Um diese Herausforderungen zu bewältigen, braucht es Handwerkerinnen und Handwerker, die die Vorhaben praktisch umsetzen. Große Sorge bereitet es mir, dass schon jetzt in vielen Handwerksberufen Fachkräfte dringend gesucht werden. Deutschlandweit fehlen rund 250.000 Fachkräfte im Handwerk - mit steigender Tendenz. Denn jährlich bleiben rund 20.000 Ausbildungsplätze unbesetzt. Und jeder unbesetzte Ausbildungsplatz heute bedeutet eine Fachkraft weniger in der Zukunft. Es ist mittlerweile so, dass das Abitur der Regelschulabschluss ist und bei den meisten Jugendlichen, die Abitur machen, immer noch das Studium auf dem Lebensplan steht, auch wenn viele Absolventen gar nicht dafür geeignet sind und in Berufen, in denen sie mit Hand und Kopf arbeiten können, in vieler Hinsicht viel besser aufgehoben wären. Leider hat Corona diese Situation noch verschärft. Die Botschaft, dass Handwerk krisensicher ist, konnte nicht wie sonst beispielsweise auf Ausbildungsmessen oder Veranstaltungen in Schulen vermittelt werden. Besonders betroffen waren wieder die Nahrungsmittelhandwerke wie Bäcker und Fleischer, aber auch die Friseure. Hier sind die Zahlen seit Jahren schon rückläufig. Zulegen konnten hingegen die Ausbildungszahlen im Bau- und im Ausbaubereich. In den Köpfen muss ankommen, dass eine berufliche, handwerkliche Ausbildung genauso viel wert ist wie eine akademische Ausbildung. Warum ist ein Studium immer noch oft die einzige Vorstellung von einem gelungenen Leben? Warum steht Wissen über Können, wenn wir beides brauchen?
Handwerk ist zukunftsfest! Das bestätigt auch eine Forsa-Umfrage aus dem Herbst 2021. Hier geben 93 % der Befragten an, dass Handwerk für sie persönlich sehr wichtig ist. Und über 80 % schreiben dem Handwerk sichere Arbeitsplätze und gute Zukunftschancen zu. Das Handwerk ist Tradition. Das Handwerk ist aber auch Innovation. Das gilt nicht nur für Arbeitsprozesse. Das Handwerk ist auch offen und aufgeschlossen für neue Wege, um Auszubildende zu gewinnen. Auch Abiturienten sind im Handwerk willkommen. Manchmal merken junge Menschen erst während des Studiums, dass eine akademische Ausbildung nicht das richtige für sie ist. Für diejenigen, die sich dann entscheiden, das Studium abzubrechen, bietet das Handwerk viele interessante Beschäftigungsmöglichkeiten. Teilzeitausbildung ist eine Möglichkeit, die bislang im Handwerk eher selten genutzt wurde. Hier steigt die Nachfrage. Ein duales oder sogar triales Studium bieten interessante Perspektiven. Auch für Zuwanderer ist das Handwerk offen. Das hat schon die Zeit nach 2015 gezeigt. Hier war es das Handwerk, dass die größte Ausbildungsleistung in der Gesamtwirtschaft erbracht hat. Unser Bildungsträger bietet Projekte nicht nur für Geflüchtete, sondern beispielsweise auch für junge Menschen, die noch besonderen Unterstützungsbedarf haben, um in der Arbeitswelt zu bestehen“, führt Marc Peters, Hauptgeschäftsführer Kreishandwerkerschaft Niederrhein, aus.
Kirsten Wittke-Lemm, Hauptgeschäftsführerin der Unternehmerschaft Niederrhein, ergänzt: „Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels sehen insbesondere viele kleine und mittelständische Industrieunternehmen am linken Niederrhein im Fachkräftemangel eine der größten Gefahren für ihre Geschäftsentwicklung. Es zahlt es sich daher aus, die Fachkräfte von morgen selbst auszubilden, vor allem in den stark unterbesetzten MINT-Berufen“, so Kirsten Wittke-Lemm, Hauptgeschäftsführerin der Unternehmerschaft Niederrhein. „Die Wirtschaft in der Region geht hier seit Jahren vorbildlich voran und bietet jungen Menschen gezielt Top-Einstiegschancen in eine Berufsausbildung.“ Da das Angebot mittlerweile größer sei als die Nachfrage, gelte es nun, den Anteil unbesetzter Ausbildungsplätze zügig gemeinsam zu reduzieren. Daher appelliert die Unternehmerschaft Niederrhein auch an Eltern und Lehrer. „Überzeugen Sie mit uns Arbeitgebern aktiv junge Menschen von den vielfältigen Vorteilen und Karrierechancen der dualen Ausbildung! Das stärkt nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen, sondern trägt auch zur Standort- und Beschäftigungssicherung am linken Niederrhein bei.“
"Das Handwerk ist eine tragende Säule unserer Wirtschaft. Leider hat es gerade dieser Bereich besonders schwer, junge Menschen für eine Ausbildung zu gewinnen", erklärt Bürgermeister Christoph Dellmans. "Dabei kann ich jungen Menschen eine Ausbildung im Handwerk nur empfehlen. Es gibt dort viele interessante und abwechslungsreiche Berufe und die Jobchancen waren nie besser."