Jahresbilanz Kreis Ostholstein: Arbeitsmarkt blieb trotz Herausforderungen stabil

- Sondereffekt im Jahresverlauf aufgrund der Betreuung ukrainischer Geflüchteter in den Jobcentern

- Sozialversicherungspflichtige Beschäftigung stieg weiter

- Arbeitslosenquote fiel mit 4,6 Prozent im Jahresdurchschnitt auf den niedrigsten Stand seit Aufzeichnung der Kreisdaten

- Sicherung des Fachkräftebedarfes bleibt zentrales Thema

29.03.2023 | Presseinfo Nr. 41

Während sich der Arbeitsmarkt allmählich von den Auswirkungen der Corona-Pandemie erholte, galt es neue Krisen zu bewältigen. Hier machte sich der Russland-Ukraine-Krieg und die dadurch ausgelösten Fluchtwellen bemerkbar. Die Beratung, Betreuung und finanzielle Sicherung der ukrainischen Geflüchteten hat der Gesetzgeber ab Juni ganzheitlich in die Hände der Jobcenter gegeben. Entsprechend stieg die Zahl der arbeitslos registrierten Menschen aus der Ukraine an. Dennoch fiel die Arbeitslosigkeit im Jahresdurchschnitt in Ostholstein auf den niedrigsten Stand seit Aufzeichnung der Kreisdaten. Gleichzeitig hat sich die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung deutlich erhöht und Kurzarbeit spielte kaum noch eine Rolle.

„Trotz aller Unwägbarkeiten, die das Jahr 2022 bereithielt, ist unser Arbeitsmarkt mit seinen vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen stabil geblieben und hat seinen Kurs gehalten. Ich bin zuversichtlich, dass er sich auch 2023 robust erweist und die Lübecker Bucht wieder vom innerdeutschen Tourismus profitieren kann. Der Arbeitsmarkt hat sich über die Jahre von konjunkturellen Schwankungen abgekoppelt. Angesichts der steigenden Arbeitskräfteknappheit versuchen viele Betriebe - unter anderem mit Hilfe von Kurzarbeit - ihre Beschäftigten auch in Schwächephasen zu halten. Fachkräftesicherung ist kein neues Problem, aber eines, das sich mit Blick auf den demografischen Wandel weiter verstärkt und immer mehr Wirtschaftsbereiche betrifft. Hier gibt es nicht die eine Lösung, sondern mehrere Stellschrauben, die wir alle gemeinsam drehen müssen. Forschungen belegen, dass Ausbildung vor Arbeitslosigkeiten schützt. Deshalb müssen möglichst viele Menschen die Möglichkeit zur Bildung und zur Entfaltung ihrer Potenziale erhalten. Wir investieren in Qualifizierung und unterstützen Arbeitslose sowie Beschäftigte. Neben der Aus- und Weiterbildung gilt es jedoch, alle innerdeutschen Potenziale auszuschöpfen und eine gezielte Zuwanderung zu ermöglichen. Dabei stehen wir unseren Arbeitsmarktpartner*innen hilfreich zur Seite“, erläutert Markus Dusch, Vorsitzender der Geschäftsführung in der Agentur für Arbeit Lübeck.

1. Beschäftigung

Daten zu sozialversicherungspflichtig Beschäftigten liegen aufgrund des Meldeverfahrens mit einer sechsmonatigen Wartezeit vor. Der aktuelle Wert von Ende Juni 2022 zeigt im Agenturbezirk Lübeck einen kontinuierlichen Anstieg der Beschäftigung seit 2006. Die Pandemie hatte den Wachstumstrend 2020 etwas gebremst, aber zu keinem Rückgang geführt. Mit Hilfe der Kurzarbeit wurden viele Arbeitsplätze in der Region gesichert und das eingearbeitete Personal in Unternehmen gehalten. Mitte des Jahres waren 167.840 Frauen und Männer zwischen Fehmarn und Lübeck beschäftigt, ein Plus von 3.458 oder 2,1 Prozent zum Vorjahr. Der Anstieg fiel damit höher als in Schleswig-Holstein (+2,0 Prozent) und im Bundesgebiet (+1,9 Prozent) aus.

Nachdem die Beschäftigung im Kreis Ostholstein zehn Jahre lang anstieg, gab es 2020 einen leichten Corona-bedingten Rückgang. Seitdem nimmt die Beschäftigung wieder zu und erreichte im Juni 2022 mit 64.696 Arbeitnehmenden den höchsten Stand der letzten 30 Jahre. Das waren 1.376 oder 2,2 Prozent mehr als im Vorjahr.

In den meisten Wirtschaftszweigen nahm die Beschäftigung zu. Den stärken Zuwachs verzeichnete das Gastgewerbe (+625), deren Beschäftigtenzahl den Vor-Corona-Stand inzwischen weit überschritten hat. Während auch sonstige Dienstleistungen (+123), Gesundheitswesen (+114), Heime- und Sozialwesen (+100) oder öffentliche Verwaltung (+96) eine Zunahme registrierten, gab es im Handel (-80) sowie bei Verkehr und Lagerei (-44) einen Rückgang.

Einen besonders starken Zuwachs gab es im Bezirk der Arbeitsagentur Lübeck bei Ausländern (+13,5 Prozent). Insgesamt 10,5 Prozent (17.651) der Beschäftigten haben eine ausländische Staatsangehörigkeit. In Schleswig-Holstein sind es 9,5 Prozent.

Im Kreisgebiet liegt der Anteil bei 9,8 Prozent. Die größte Gruppe der Ausländer stellen Menschen mit polnischer Staatsangehörigkeit (19,4 Prozent), gefolgt von rumänischer Staatsangehörigkeit (9,7 Prozent) und ukrainischer Staatsangehörigkeit (6,8 Prozent). Dabei hat sich die Zahl der Beschäftigten mit ukrainischer Staatsangehörigkeit innerhalb eines Jahres mehr als vervierfacht. Waren es im Juni 2021 noch 98 Beschäftigte, lag die Zahl im Juni 2022 bereits bei 440.

Die Zahl der geringfügig Beschäftigten ist ebenso wie im Bund (+2,8 Prozent) und Land (+1,8 Prozent) in zahlreichen Wirtschaftsbereichen wieder gestiegen. Im Agenturbezirk waren 38.414 Personen geringfügig beschäftigt, 2,9 Prozent mehr als im Vorjahr.

In Ostholstein lag die Zahl der geringfügig Beschäftigten im Juni 2022 bei 18.349 und damit 251 oder 1,4 Prozent über dem Vorjahr.

2. Arbeitskräftenachfrage

Die Nachfrage der Unternehmen nach Arbeitskräften kann über die Zugänge der gemeldeten Arbeitsstellen abgebildet werden. Weil bei der Stellenbesetzung zum Beispiel auch Stellenangebote in Zeitungen oder persönliche Kontakte genutzt werden, decken diese nur einen Teil der Nachfrage ab.

Wirtschaftliche und politische Unwägbarkeiten infolge des Ukraine-Krieges führten insbesondere in der zweiten Jahreshälfte zu einem schwächeren Stellenangebot. Im Agenturbezirk Lübeck wurden im Laufe des Jahres 9.144 offene Stellen zur Besetzung angeboten, das waren 1.377 oder 13,1 Prozent weniger als 2021. 5.217 (-615 oder 10,5 Prozent) dieser Stellen wurden in der Hansestadt Lübeck und 3.927 (-762 oder 16,3 Prozent) im Kreis Ostholstein gemeldet. Der Rückgang lag in Schleswig-Holstein bei 2,7 Prozent und im Bundesgebiet bei 2,4 Prozent.

In nahezu allen Branchen gab es eine schwächere Kräftenachfrage. Den größten Rückgang verzeichnete dabei die Arbeitnehmerüberlassung. Die meisten Stellen wurden in Ostholstein vom Gastgewerbe (696) angeboten. Weitere Schwerpunkte der Arbeitskräftenachfrage kamen aus den Wirtschaftszweigen Handel (583), freiberufliche, wissenschaftliche und technische Dienstleistungen (459), Gesundheits- und Sozialwesen (432) sowie sonstige wirtschaftliche Dienstleistungen (419).

Immer mehr Wirtschaftszweige haben mit Fachkräfteengpässen zu kämpfen, die weiter zunehmen. Im Jahresdurchschnitt waren monatlich 2.532 Stellen im Angebot, 561 oder 28,5 Prozent mehr als im Vorjahr. Bei drei Viertel dieser Stellen wurden Fachkräfte und Spezialisten gesucht. Die Herausforderungen, geeignetes Personal für die von den Unternehmen gewünschten Anforderungen zu finden, sind gestiegen.

Das Verhältnis von Angebot und Nachfrage verschiebt sich weiter zu Gunsten der Arbeitnehmenden. In Berufen der Mechatronik, Energie und Elektronik standen im Kreis Ostholstein zum Beispiel nur noch rechnerisch 0,4 Arbeitslose je gemeldeter Stelle zur Verfügung. In Hoch- und Tiefbauberufen, Reinigungsberufen sowie nicht medizinischen Gesundheitsberufen waren es je 0,5 Arbeitslose pro Stelle.

Entsprechend lang ist auch die Zeit von dem gewünschten Besetzungstermin bis zur tatsächlichen Besetzung der Stelle. Sie lag zum Beispiel in Berufen der Mechatronik, Energie und Elektronik bei 223 Tagen, in Hoch- und Tiefbauberufen bei 288 Tagen, in Reinigungsberufen bei 199 Tagen und in nicht medizinischen Gesundheitsberufen bei 263 Tagen.

3. Arbeitskräfteangebot

Nachdem die Arbeitslosigkeit sechs Jahre in Folge im Gesamtbezirk der Agentur für Arbeit Lübeck zurückging, gab es 2020 einen starken Corona-bedingten Anstieg. Nach den Lockerungen der Maßnahmen erholte sich der Arbeitsmarkt wieder. Trotz der neuen Herausforderungen im Zuge des Ukrainekrieges fiel die Arbeitslosigkeit im Jahresdurchschnitt 2022 sogar wieder unter das Vor-Corona-Niveau. Eine niedrigere Arbeitslosenzahl gab es im Agenturbezirk zuletzt 1981. Im Schnitt waren zwischen Fehmarn und Lübeck 13.601 arbeitslose Menschen gemeldet, 1.117 oder 7,6 Prozent weniger als 2021. Einen ähnlich starken Rückgang gab es in Schleswig-Holstein (‑8,2 Prozent) und im Bundesgebiet (-7,5 Prozent).

Von den 13.601 Arbeitslosen wurden 4.164 (-955 oder 18,6 Prozent) von der Agentur für Arbeit und 9.437 (-163 oder 1,7 Prozent) vom Jobcenter Lübeck und Ostholstein betreut. Der Anteil, der Arbeitslosen, die bei der Arbeitsagentur gemeldet waren, ist damit von 34,8 auf 30,6 Prozent gefallen. Von den beiden Jobcentern wurden 69,4 Prozent (Vorjahr 65,2 Prozent) der Arbeitslosen betreut. In den Jobcentern macht sich die Erfassung ukrainischer Geflüchteter bemerkbar.

Seit dem 01. Juni 2022 übernehmen die Jobcenter die Betreuung von Menschen, die aus der Ukraine nach Deutschland geflüchtet sind. Damit werden ukrainische Geflüchtete auch in der Statistik zum Arbeitsmarkt erfasst. Dieser Wechsel ist möglich, nachdem die zuständigen Ausländerbehörden einen Aufenthaltstitel (nach § 24 Abs. 1 AufenthG) erteilt oder eine Fiktionsbescheinigung (nach § 81 Abs. 5 i.V.m. Abs. 3 AufenthG) ausgestellt haben. Bis zum Jahresende haben sich 2.286 Menschen mit ukrainischer Staatsangehörigkeit arbeitslos gemeldet. Ein Teil davon nimmt inzwischen zum Beispiel an Sprach- und Integrationskursen teil, übt Betreuungspflichten aus, besucht eine Schule, absolviert eine Ausbildung oder hat eine Erwerbstätigkeit aufgenommen. Ende 2022 waren 1.043 Menschen mit ukrainischer Staatsangehörigkeit arbeitslos.

Im Kreis Ostholstein ging die Arbeitslosigkeit im Vergleich zum Vorjahr um 547 oder 10,2 Prozent auf 4.824 Frauen und Männer zurück und fiel damit auf den niedrigsten Stand seit Aufzeichnung der Kreisdaten. Die meisten Arbeitslosen waren mit 5.556 im Februar 2022 und die wenigsten mit 4.136 im Mai 2022 gemeldet.

Von den 4.824 Arbeitslosen wurden 1.963 (-434 oder 18,1 Prozent) von der Agentur für Arbeit und 2.862 (-112 oder 3,8 Prozent) vom Jobcenter Ostholstein betreut.

Bis zum Jahresende haben sich im Jobcenter 981 Menschen mit ukrainischer Staatsangehörigkeit arbeitslos gemeldet. Ein Teil davon nimmt inzwischen zum Beispiel an Sprach- und Integrationskursen teil, übt Betreuungspflichten aus, besucht eine Schule, absolviert eine Ausbildung oder hat eine Erwerbstätigkeit aufgenommen. Ende 2022 waren 483 Menschen mit ukrainischer Staatsangehörigkeit arbeitslos.

Die Arbeitslosigkeit ist kein fester Block und es gab viele Bewegungen am Arbeitsmarkt. Wobei sich auch hier die Fluchtmigration in den Daten bemerkbar machte. Im Laufe des Jahres 2022 haben sich im Gesamtbezirk in beiden Rechtskreisen 33.319 (+7,9 Prozent zum Vorjahr) Arbeitnehmende arbeitslos gemeldet und 32.213 (-2,1 Prozent) Frauen und Männer konnten die Arbeitslosigkeit wieder verlassen.

Im Kreis Ostholstein meldeten sich 12.850 (+8,3 Prozent) Frauen und Männer arbeitslos; 7.341 (+2,3 Prozent) davon in der Arbeitsagentur und 5.509 (+17,5 Prozent) im Jobcenter. Die Arbeitslosigkeit wieder verlassen konnten 12.415 (-2,7 Prozent) Arbeitnehmende; 6.983 (-7,2 Prozent) davon wurden von der Arbeitsagentur und 5.432 (+3,7 Prozent) vom Jobcenter betreut. Dabei sind 59,5 Prozent der Agenturkund*innen und 45,8 Prozent der Jobcenterkund*innen weniger als drei Monate arbeitslos. Diese Einmündung in Beschäftigung ist von längerer Dauer: 78,4 Prozent der Abgänge in Beschäftigung sind sechs Monate und 66,6 Prozent auch 12 Monate später noch sozialversicherungspflichtig beschäftigt.

Die Arbeitslosenquote auf Basis aller zivilen Erwerbspersonen betrug in Ostholstein im Jahresdurchschnitt 4,6 Prozent – der niedrigste Jahresdurchschnitt seit Aufzeichnung der Kreisdaten. Damit blieb sie erneut unter den Quoten von Schleswig-Holstein (5,2 Prozent) und vom Bundesgebiet (5,3 Prozent). Die Arbeitslosenquote bewegte sich zwischen dem niedrigsten Wert von 3,9 Prozent im Mai und dem höchsten Stand im Februar von 5,3 Prozent.

Die Jahresarbeitslosenquote der von der Arbeitsagentur betreuten Arbeitnehmenden ging um 0,4 Prozentpunkte auf 1,9 Prozent zurück. Im Jahresverlauf bewegte sie sich zwischen 1,4 und 2,6 Prozent. Die Quote der Kunden des Jobcenters Ostholstein ging auf 2,7 Prozent (‑0,1 Prozentpunkte) zurück. Hier bewegte sie sich zwischen 2,4 und 2,9 Prozent.

Auf allen regionalen Arbeitsmärkten gab es einen Rückgang der Arbeitslosigkeit.

Bezirk

Bestand an Arbeitslosen

 Prozent - Veränd. zum Vorjahr

Arbeitslosenquote

auf Basis aller zivilen Erwerbspersonen

SGB III-

Anteil

SGB II-

Anteil

Schleswig-Holstein

81.564

-8,2

5,2

33,6

66,4

Gesamtbezirk

13.601

-7,6

6,1

30,6

69,4

Hansestadt Lübeck

8.776

-6,1

7,6

25,1

74,9

Ostholstein

4.824

-10,2

4,6

40,7

59,3

Südbezirk (Geschäftsstelle Hauptagentur Lübeck und Umgebung)

9.906

-6,5

6,8

27,0

73,0

Mittelbezirk (Geschäftsstelle Eutin und Umgebung)

2.200

-9,4

4,9

37,0

63,0

Nordbezirk (Geschäftsstelle Oldenburg und Umgebung)

1.495

-11,7

4,8

45,1

54,9

4. Arbeitslosigkeit einzelner Personengruppen

Während in der Arbeitsagentur Arbeitnehmende vom Rückgang der Arbeitslosigkeit profitierten, gab es im Zuge der Fluchtmigration in den Jobcentern in einigen Personengruppen einen Anstieg.

Im Kreisgebiet ging im Jahresdurchschnitt die Zahl der Männer (-12,3 Prozent) stärker zurück als die der Frauen (-7,5 Prozent). Damit stieg auch der Anteil der Frauen an allen Arbeitslosen auf 45,7 Prozent an. Insgesamt waren 2.203 Frauen (923 SGB III, 1.280 SGB II) und 2.621 Männer (1.039 SGB III, 1.582 SGB II) im Jahresdurchschnitt arbeitslos.

Insgesamt ging die Zahl der Jüngeren unter 25 Jahren zurück, wobei insbesondere Kund*innen der Arbeitsagentur profitierten. Im Jahresdurchschnitt waren 473 Jüngere (186 SGB III, 287 SGB II) arbeitslos gemeldet, 5,3 Prozent weniger als 2021. Ihr Anteil an allen Arbeitslosen lag bei 9,8 Prozent. In Schleswig-Holstein betrug der Anteil 9,0 Prozent.

Arbeitslose älter als 50 Jahre konnten überproportional vom Rückgang profitieren. Insgesamt waren im Kreis Ostholstein im Jahresdurchschnitt 2.045 (990 SGB III, 1.055 SGB II) ältere Arbeitslose gemeldet, 12,0 Prozent weniger als 2021. Ihr Anteil an allen Arbeitslosen lag bei 42,4 Prozent und blieb damit höher als in Schleswig-Holstein mit 35,1 Prozent.

Überdurchschnittlich stark ging die Arbeitslosigkeit auch bei Langzeitarbeitslosen zurück. 1.734 Arbeitnehmende waren ein Jahr und länger arbeitslos, 14,0 Prozent weniger als im Vorjahr. Ihr Anteil an allen Arbeitslosen lag bei 35,9 Prozent und damit niedriger als in Schleswig-Holstein mit 36,5 Prozent. Bei der Arbeitsagentur waren 10,6 Prozent aller Arbeitslosen länger als ein Jahr arbeitslose (208) und beim Jobcenter 53,3 Prozent (1.526). Je geringer die Qualifikation, umso höher ist das Risiko, arbeitslos zu bleiben. 59,5 Prozent der Langzeitarbeitslosen haben keinen Berufsabschluss. Als weiteres Risiko kommt das Alter dazu. Mehr als ein Drittel ist älter als 55 Jahre. Aber auch Langzeitarbeitslosen eröffneten sich 2022 Chancen. 315 Personen konnten eine Erwerbstätigkeit aufnehmen und 357 mit einer Maßnahme starten.

Im Jahresdurchschnitt waren im Jobcenter Ostholstein 1.929 Arbeitslose ohne abgeschlossene Berufsausbildung gemeldet. Ihr Anteil an allen Arbeitslosen von 69,0 Prozent war nahezu doppelt so hoch wie in der Arbeitsagentur mit 36,8 Prozent. Hier hatten 641 Frauen und Männer keinen Berufsabschluss. Eine abgeschlossene Ausbildung verbessert deutlich die Chancen auf dem Arbeitsmarkt. So war die Arbeitslosenquote bei Arbeitslosen ohne Abschluss mit 18,1 Prozent mehr als sechs Mal so hoch wie bei Personen mit Berufsabschluss (2,7 Prozent).

Dass sich ein Abschluss auch finanziell lohnt, belegen Untersuchungen des IAB (Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit). Ausgebildete Fachkräfte verdienen mehr als Beschäftigte ohne Ausbildung. Über das ganze Erwerbsleben hinweg summiert sich der Unterschied auf rund 330.000 Euro. Arbeitsagenturen und Jobcenter beraten Arbeitslose und Beschäftigte, die einen Berufsabschluss machen möchten, gerne zu den Möglichkeiten. Informationen zu Entwicklungswegen bietet auch die Internetseite www.arbeitsagentur.de/karriere-und-weiterbildung.

Während die Arbeitslosigkeit bei Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit in der Arbeitsagentur zurückging (-10,6 Prozent), gab es im Jobcenter einen Anstieg (+21,6 Prozent). Dies liegt insbesondere an der Erfassung ukrainischer Geflüchteter. Im Jahresdurchschnitt waren in Ostholstein 1.021 Ausländer arbeitslos gemeldet, 11,4 Prozent mehr als 2021. 259 der ausländischen Arbeitslosen wurden von der Arbeitsagentur und 762 vom Jobcenter Ostholstein betreut. Die größte Gruppe stellen mit 33,1 Prozent ukrainische Staatsangehörige, gefolgt von syrischen mit 14,9 Prozent und afghanischen mit 6,9 Prozent.

Ende des Jahres haben 1.024 Menschen mit ukrainischer Staatsangehörigkeit Leistungen vom Jobcenter Lübeck erhalten. Davon waren 483 arbeitslos, 365 nichtarbeitslose Arbeitsuchende, weil sie zum Beispiel an Sprach- und Integrationskursen teilnahmen, und weitere 176 übten Betreuungspflichten aus, besuchten eine Schule oder absolvierten eine Ausbildung und waren nichtarbeitsuchend.

Laut einer Studie des Institutes für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (https://iab.de/bericht-gefluechtete-ukraine/ ) möchten 37 Prozent der Geflüchteten für immer oder mehrere Jahre in Deutschland bleiben, 34 Prozent bis Kriegsende, 27 Prozent sind noch unentschieden und 2 Prozent planen, Deutschland innerhalb eines Jahres wieder zu verlassen. Die überwiegende Mehrheit der erwachsenen Geflüchteten sind Frauen (80 Prozent). Viele von ihnen sind ohne Partner (77 Prozent) nach Deutschland gekommen, 48 Prozent mit minderjährigen Kindern. 72 Prozent verfügen über einen Hochschulabschluss. Nur wenige Geflüchtete haben zum Befragungszeitpunkt gute Deutschkenntnisse (4 Prozent). Wer in Deutschland bleiben will, wird individuell auf dem Weg in den Arbeits- und Ausbildungsmarkt unterstützt. Ziel ist es, eine Beschäftigung zu finden, die der jeweiligen Qualifikation entspricht. Deshalb stehen Spracherwerb, Kinderbetreuung sowie die Anerkennung von Schul- und Berufsabschlüssen im Vordergrund und bei Bedarf auch Qualifizierung.

5. Unterbeschäftigung

Neben dem gesetzlich definierten Kreis der Arbeitslosen gibt es weitere Menschen, die ohne Beschäftigung sind. Sie werden in der Unterbeschäftigung erfasst und monatlich veröffentlicht, um den Arbeitsmarkt transparent zu machen. Die Unterbeschäftigung stellt damit das Defizit an regulärer Beschäftigung dar. Hier werden neben den Arbeitslosen beispielsweise Personen in Qualifizierungsmaßnahmen oder Arbeitsgelegenheiten, Krankgeschriebene, geförderte Existenzgründer oder Arbeitsuchende mit Vorruhestandsregelungen ausgewiesen.

In Ostholstein betrug 2022 die Unterbeschäftigung im Jahresdurchschnitt 6.034 Personen. Die Zahl ging in den letzten zwölf Monaten um 506 Personen (-7,7 Prozent) zurück. Die Unterbeschäftigungsquote lag mit 5,7 Prozent (-0,4 Prozentpunkte zum Vorjahr) unter der von Schleswig-Holstein mit 6,7 Prozent. 1.209 Personen befanden sich im Jahresdurchschnitt in Entlastungsmaßnahmen.

6. Ausgaben für den Bezirk der Arbeitsagentur Lübeck

Die Agentur für Arbeit Lübeck hat 2022 in der Hansestadt Lübeck und im Kreis Ostholstein 142 Millionen Euro ausgegeben, 111,7 Millionen oder 44,0 Prozent weniger als 2022. Das lag insbesondere am Rückgang beim Kurzarbeitergeld, aber auch Arbeitslosengeld I musste weniger in Anspruch genommen werden.

56,6 Prozent der Haushaltsmittel wurden für die Lohnersatzleistungen Arbeitslosengeld I (80,4 Millionen Euro, Vorjahr 97 Millionen Euro) und 0,9 Prozent für Insolvenzgeld (1,2 Millionen Euro, Vorjahr 1,0 Millionen Euro) gezahlt.

Mit 11,9 Millionen Euro (Vorjahr 109,9 Millionen Euro) wurden 8,4 Prozent der Haushaltsmittel für Kurzarbeitergeld gewährt. 7,5 Millionen Euro davon wurden den Unternehmen für konjunkturelle Kurzarbeit und 2,9 Millionen Euro für Sozialversicherungsbeiträge erstattet. Für Saisonkurzarbeit wurden 0,8 Millionen Euro (Vorjahr 1,6 Millionen Euro) und für Transferkurzarbeit 40.000 Euro (Vorjahr 0,5 Millionen Euro) entrichtet.

10,8 Prozent der Haushaltsmittel (15,3 Millionen Euro, Vorjahr 15,1 Millionen Euro) wurde für die Teilhabe von Menschen mit Behinderung, 10,1 Prozent (14,3 Millionen Euro, Vorjahr 12,6 Millionen Euro) für Weiterbildung und Qualifizierung, 3,0 Prozent (4,3 Millionen Euro, Vorjahr 4,6 Millionen Euro) für die Förderung Jugendlicher sowie 0,7 Prozent (1,0 Millionen Euro, Vorjahr 1,2 Millionen Euro) für die Förderung der Selbständigkeit gezahlt.

Die Integration von Arbeitslosen auf dem Arbeitsmarkt wird 2022 durch arbeitsmarktpolitische Maßnahmen weiter unterstützt. Für Weiterbildung, Eingliederungszuschüsse, Aktivierung und berufliche Eingliederung, Förderung der Selbständigkeit oder spezielle Maßnahmen für Jugendliche wurden insgesamt 13,4 Millionen Euro veranschlagt.

Arbeitnehmenden, die sich beruflich neu oder umorientieren wollen, zeigt das Erkundungstool ‚NewPlan' Möglichkeiten für ihre Entwicklung auf.

Interessierten Unternehmen, die ihre Beschäftigten weiterentwickeln möchten, bietet die Internetseite www.arbeitsagentur.de/weiterbildung-qualifizierungsoffensive weitere Informationen.

7. Entwicklung im Jobcenter Ostholstein

„Trotz der unsicheren Rahmenbedingungen ist der Arbeitsmarkt in Ostholstein weiterhin sehr robust und aufnahmefähig. Dies hilft auch den Kundinnen und Kunden des Jobcenters. Gut 1.600 Frauen und Männer haben 2022 mit Unterstützung des Jobcenters einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz gefunden. Auch 2023 wollen wir für und mit unseren Kundinnen und Kunden alles tun, damit viele einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz finden“, erklärt Karsten Marzian, Geschäftsführer des Jobcenters Ostholstein.

 8. Ausbildungsmarkt 2021/2022

Die Entwicklung hin zum Bewerbermarkt hat sich fortgesetzt. Die Zahl der angebotenen Ausbildungsstellen übersteigt das sechzehnte Jahr in Folge die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber deutlich. Mit 1.413 mehr angebotenen Stellen als gemeldete Bewerbende wurde der höchste Abstand der letzten 30 Jahre erreicht. Der Arbeitsagentur Lübeck wurden im sogenannten Berufsberatungsjahr, das von Oktober 2021 bis September 2022 dauerte, 3.518 Ausbildungsstellen gemeldet. Das waren 43 oder 1,2 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. 2.105 Jugendliche haben die Berufsberatung bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz eingeschaltet, 27 oder 1,3 Prozent weniger als im Vorjahr. Damit standen rein rechnerisch jedem Jugendlichen 1,7 Ausbildungsstellen (Vorjahr 1,6) zur Verfügung. Am Ende des Beratungsjahres waren noch 188 Bewerber*innen auf der Suche und 746 Stellen nicht besetzt; rechnerisch waren das 4,0 Ausbildungsstellen je Jugendlichen.

Im Kreis Ostholstein gab es nach einem spürbaren Rückgang an gemeldeten Stellen wieder einen Anstieg, während die Zahl der Ausbildungssuchenden weiter zurückging. Es wurden 1.532 Ausbildungsstellen zur Besetzung angeboten, 24 oder 1,6 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. 845 Bewerber*innen haben die Berufsberatung bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz eingeschaltet, 42 oder 4,7 Prozent weniger als im Vorjahr. Rein rechnerisch standen jedem Jugendlichen 1,8 Ausbildungsstellen zur Verfügung (Vorjahr 1,7). Am Ende des Beratungsjahres suchten noch 70 Bewerber*innen einen Ausbildungsplatz und 352 Stellen waren nicht besetzt; rechnerisch 5,0 Ausbildungsstellen je Jugendlichen.

„In den nächsten Jahren gehen die Babyboomer-Jahrgänge in Rente und die Ersatzbedarfe steigen. Die Ausbildungsbereitschaft der Betriebe ist groß. Berufliche und akademische Bildung sind unterschiedlich in ihren Zielen und Voraussetzungen, aber gleichwertig in ihrer Bedeutung für Wirtschaft und Gesellschaft in Deutschland. Es wird oft verkannt, dass die betriebliche Ausbildung hervorragende Karrierechancen und gute Verdienstmöglichkeiten bietet. Gute Entwicklungsmöglichkeiten bestehen zum Beispiel mit einer Weiterbildung zu Meister*innen, Techniker*innen, Betriebswirt*innen oder Fachwirt*innen. Solche Spezialist*innen erzielen laut Forschungsberichten vergleichbare Lebensentgelte wie Personen mit Hochschulabschluss. Mehr als 2.900 Ausbildungsstellen sind bereits in Lübeck und Ostholstein für den Herbst im Angebot. Warten Sie nicht zu lange und starten Sie jetzt Ihre Bewerbungen! Die Berufsberatung unterstützt Sie dabei“, rät Markus Dusch Jugendlichen.

Die Berufsberatung ist für Jugendliche da und berät nicht nur in den Schulsprechstunden, der Arbeitsagentur und den Jugendberufsagenturen, sondern auch telefonisch oder per Video-Chat. Gespräche können unter der E-Mail Luebeck.Berufsberatung@arbeitsagentur.de oder Ostholstein.Berufsberatung@arbeitsagentur.de vereinbart werden.

Jugendliche, die noch nicht genau wissen, welcher Ausbildungs- oder Studiengang der richtige ist, können ihre Fähigkeiten und Interessen mit dem Erkundungstool 'Check-U' unter www.check-u.de herausfinden.

9. Handlungsbedarf 2023

Demografischer Wandel, Strukturwandel, Digitalisierung, Transformation und klimafreundlicher Ausbau der Wirtschaft beschleunigen die Veränderungen am Arbeitsmarkt. Dabei darf der „Faktor Mensch“ nicht außer Acht gelassen werden. Arbeitnehmende können sich aussuchen, wo sie arbeiten. Insbesondere junge Menschen möchten eine sinnstiftende Arbeit und achten auf Work-Life-Balance. Da sind neben guten Löhnen familienfreundliche Arbeitszeiten, Mitbestimmung, Wertschätzung, Gestaltungs- und Entwicklungsmöglichkeiten gefragt“, erklärt Agenturchef Markus Dusch.

„Alle Unternehmen werden ihre Bemühungen und ihre Kreativität ausbauen müssen. Die Aus- und Weiterbildung ist ein wichtiger Schlüssel bei der Gewinnung von Fachkräften. Aber auch andere Potenziale, die oft noch ungenutzt sind, müssen besser ausgeschöpft werden. Es muss zum Beispiel die Beschäftigung und Arbeitszeit von Frauen und Minijobbenden gesteigert, mehr Beschäftigung von Älteren und Menschen mit einer Beeinträchtigung ermöglicht, in Deutschland lebende Menschen mit Migrationshintergrund besser integriert und Zuwanderung von Fachkräften gezielt genutzt werden. Gerne stehen wir Unternehmen und Arbeitnehmenden dabei zur Seite“, bietet Dusch an.

Für interessierte Unternehmen enthält die Internetseite www.arbeitsagentur.de/weiterbildung-qualifizierungsoffensive weitere Informationen.

Arbeitslose und Beschäftigte finden unter www.arbeitsagentur.de/karriere-und-weiterbildung Wissenswertes vom Nachholen des Berufsabschlusses und Berufswechsel bis zu beruflichen Entwicklungs- und Aufstiegsmöglichkeiten.

Junge Erwachsene, die ihren Berufsabschluss nachholen möchten, unterstützt die Initiative Zukunftsstarter unter www.arbeitsagentur.de/k/zukunftsstarter auf ihrem Weg.