Der Mangel an Bewerberinnen und Bewerbern macht es den rheinhessischen Betrieben seit Jahren schwer, ihre freien Ausbildungsstellen zu besetzen. Allerdings konnte bereits im letzten Jahr der Trend zu immer weiter sinkenden Bewerberzahlen gestoppt und damit die negative Entwicklung abgebremst werden. Auch im jetzt abgelaufenen Berufsberatungsjahr lagen laut der aktuellen Bilanz der Mainzer Arbeitsagentur die Bewerberzahlen mit 2.637 Bewerberinnen und Bewerbern nur geringfügig unter den Vorjahreszahlen. Auch die Zahl der zum 30. September noch unversorgten Jugendlichen lag mit 227 etwa so hoch wie im Vorjahr.
Von den Bewerberinnen und Bewerbern hatte knapp ein Viertel einen ausländischen Pass. Von diesen waren rund 20 Prozent älter als 25 Jahre und über ein Drittel hatte einen Fluchthintergrund. 30 Prozent von allen Bewerberinnen und Bewerbern hatte die Schule mit der Hochschul- oder Fachhochschulreife abgeschlossen, 1 Prozent weniger als im Vorjahr.
Weniger Ausbildungsplätze als im Vorjahr
Anders als bei den Bewerbern konstatiert die Arbeitsagentur bei den gemeldeten Ausbildungsstellen einen Rückgang gegenüber dem Vorjahr– dennoch gibt es nach wie vor deutlich mehr freie Ausbildungsplätze als Bewerber. Das Handwerk meldete rund 15 Prozent weniger Stellen; bei den Stellen im Zuständigkeitsbereich der Industrie- und Handelskammer waren es gut 7 Prozent weniger. Insgesamt wurden 3.455 Stellen gemeldet, 248 weniger als im Vorjahr. Im Verhältnis kamen 79 Bewerberinnen und Bewerber auf 100 Ausbildungsstellen. Im Jahr zuvor waren es 74. Zum Stichtag 30. September 2024 waren noch 449 Stellen unbesetzt, 76 oder rund 14 Prozent weniger als im Vorjahr.
Gemeinsame Anstrengungen für die Nachwuchsgewinnung
„Die Betriebe stellen inzwischen noch bis in den späten Herbst hinein ein, so dass in den nächsten Wochen und Monaten noch viele der Bewerber und Stellen zusammenfinden werden“, so Heike Strack, Leiterin der Mainzer Arbeitsagentur. „Dennoch werden auch in diesem Jahr wieder zahlreiche Ausbildungsstellen unbesetzt bleiben.“ Obwohl die gemeinsamen Anstrengungen der Partner am Ausbildungsmarkt für eine Steigerung des Images der dualen Ausbildung in den letzten Jahren spürbar gefruchtet hätten, dürfe man hier nicht nachlassen. „Nach wie vor gibt es verbreitet die Erwartung, dass akademische Berufe bessere Perspektiven bieten als Ausbildungsberufe. Dabei zeigen die Karriere- und Verdienstmöglichkeiten im heimischen Handwerk und in den Industrie- und Dienstleistungsbetrieben ein ganz anderes Bild“, so Strack.
Auch Anja Obermann, Hauptgeschäftsführerin der Handwerkskammer Rheinhessen, betont die Wichtigkeit weiterer Anstrengungen für die Nachwuchsgewinnung. „Unbekümmert von der derzeitigen konjunkturellen Flaute bekennt sich das Handwerk weiter zu seiner Verantwortung im Bereich der dualen Ausbildung. Die drohende Renteneintrittswelle lässt die Betriebe ihre Anstrengungen bei der Suche nach Azubis weiter verstärken, erhöht aber gleichzeitig die Konkurrenz mit anderen Wirtschaftsbereichen und Bildungsgängen. Um für jeden und jede den passenden Weg in die berufliche Zukunft zu finden, braucht es weiterhin mehr Berufsorientierung und praktische Erprobungsmöglichkeiten.“
Weiterhin Bewegung am Ausbildungsmarkt
Wie die Arbeitsagentur stellt auch die Industrie- und Handelskammer zum Herbst hin noch Bewegung am Ausbildungsmarkt fest. „Wir werben nach wie vor mit aller Kraft um jeden Ausbildungsplatz“, sagt IHK-Hauptgeschäftsführerin Karina Szwede. Zwar verzeichnete die IHK zum 30.9. noch rund 40 Ausbildungsverträge weniger als im Vorjahr, in dem die Zahl der Verträge um 7 Prozent gestiegen war. „Aber wir bleiben optimistisch, dass wir zum Jahresende wieder ein ähnliches Niveau erreichen wie 2023“, macht Szwede deutlich. Schließlich liege der Gesamtbestand der IHK-Ausbildungsverträge in Rheinhessen mit 4.915 Verträgen bereits über den beiden Vorjahren, resultierend aus dem Zuwachs der vergangenen beiden Ausbildungsjahre. Bewegung gebe es auch bei den Berufen selbst: So lösten die Kaufleute im Einzelhandel die Kaufleute für Büromanagement an der Spitze der beliebtesten IHK-Berufe ab, neu kamen Chemikanten und Hotelfachleute in die Top Ten der Berufe mit den meisten Ausbildungsverträgen.
Vom Mangel an geeigneten Bewerberinnen und Bewerbern sind laut Heike Strack nicht alle Ausbildungsberufe gleichermaßen betroffen. Vor allem in den Bereichen Verkauf von Lebensmitteln sowie Lebens- und Genussmittelherstellung, im Bereich Lagerwirt, Post und Zustellung, in der Gastronomie und im Handel gab es deutliche Stellenüberhänge. In diesen, aber auch in anderen Bereichen hätten viele Betriebe die Suche bereits eingestellt und würden gar keine Stellen mehr melden, erläutert Strack. Mehr Bewerber als Stellen gab es dagegen beispielsweise im Bereich Softwareentwicklung, bei Malern und Stuckateuren, bei technischen Zeichnern, in der Körperpflege oder in der Fahrzeug-, Luft- und Raufahrttechnik.
Nachhaltige Integrationserfolge bei Geflüchteten
Erfreulich nennt Strack, dass die Integration von Geflüchteten in Ausbildung zusehends vorankomme. Vor allem das Handwerk leiste hier einen großen Integrationsbeitrag. Und dies zahle sich für die Betriebe durchaus aus. Laut einer aktuellen Studie des Instituts für Arbeits- und Berufsforschung (IAB) arbeiteten rund 70 Prozent der Geflüchteten auch drei Jahre nach Abschluss der Ausbildung weiterhin im Ausbildungsbetrieb. Bei den deutschen Auszubildenden sind dies rund 60 Prozent. „Dies ist auch ein Beleg dafür, dass eine Strategie, die zunächst auf Spracherwerb und Qualifikation setzt, letztlich zu nachhaltigen Integrationserfolgen führt“, so Strack.