Die Arbeitslosigkeit in der Region hat erneut zugenommen. Ende Juli werden im Bezirk der Agentur für Arbeit Montabaur (Westerwald- und Rhein-Lahn-Kreis) 5.892 Menschen ohne Job gezählt – das sind 726 Personen mehr als vor einem Monat und 236 Personen mehr als vor einem Jahr. Mit aktuell 3,3 Prozent liegt die Arbeitslosenquote 0,4 Prozentpunkte über dem Vormonats- und 0,2 Prozentpunkte über dem Vorjahreswert.
„Leicht steigende Zahlen im Sommer sind ein bekannter Effekt, der vor allem die junge Generation betrifft“, sagt Elmar Wagner, Chef der Arbeitsagentur Montabaur. „Jetzt melden sich viele nach einer Ausbildung oder einem (dualen) Studium arbeitslos und orientieren sich neu. Angesichts des immensen Fachkräftebedarfs haben diese frisch qualifizierten jungen Leute beste Chancen am Markt.“
Während also diese saisonale Spitze erfahrungsgemäß in den nächsten Wochen wieder „ausgebügelt“ sein dürfte, ist der Großteil des Anstiegs dem Krieg in der Ukraine geschuldet. Seit Juni erhalten Geflüchtete Leistungen der Grundsicherung und melden sich vermehrt bei den zuständigen Jobcentern. Dies ist im Rhein-Lahn-Kreis schon während der beiden vergangenen Monate statistisch zu Buche geschlagen und setzt sich fort. Der Westerwaldkreis, wo diese Entwicklung bislang noch nicht so stark bemerkbar war, zieht nun erwartungsgemäß umso stärker nach.
„Wir wissen oft noch zu wenig über den Bildungs- und Qualifizierungsstand der Menschen aus der Ukraine, die hier Schutz suchen“, betont Elmar Wagner. „Zuallererst muss gesichert werden, dass die finanzielle Hilfe fließt. Danach rücken der Spracherwerb und anschließend die Arbeitsvermittlung in den Fokus. Die Jobcenter unterstützen die Geflüchteten bei der Suche nach Deutschkursen, Kinderbetreuung und einer passenden Stelle. Die meisten Ukrainer*innen wollen in ihre Heimat zurückkehren, wenn der Krieg vorüber ist.“
Die Unternehmen meldeten während der vergangenen Wochen 584 Stellen – 39 weniger als im Juni und 232 weniger als im Juli 2021. „Die Unsicherheit in den Betrieben ist groß“, beobachtet der Agenturchef. „Inflation, Materialnot und Probleme in den Lieferketten erschweren die Planung. Besonders die Energiekosten sind ein enormer Risikofaktor. Tatsache ist und bleibt aber: Fachkräfte werden heute dringend und in Zukunft noch dringender gebraucht.“ Dies spiegelt sich auch im hohen Bestand von 4.160 Stellen, die über die Agentur und die Jobcenter vermittelt werden können. Fast alle sind sozialversicherungspflichtig und sofort zu besetzen.
Das Potenzial für den Fachkräfte-Nachwuchs schmilzt weiter: Am Ausbildungsmarkt müssen die Betriebe inzwischen um Azubis werben und sich möglichst attraktiv darstellen. Seit Oktober 2021 (Beginn des Berichtsjahres) haben sich 1.702 junge Leute mit einem Ausbildungswunsch gemeldet; das sind 88 Personen weniger als 2020/21. Zeitgleich haben die Unternehmen 1.959 Lehrstellen angeboten. Hier steht ein Plus von 115 Stellen, das für die hohe Ausbildungsbereitschaft spricht. Aktuell sind noch 487 Bewerber*innen auf der Suche. Sie können unter 956 unbesetzten Ausbildungsplätzen wählen. Die Schere zwischen Angebot und Nachfrage hat sich im Vergleich zum Vorjahr weiter geöffnet. Der Markt wird wegen der „Nachwehen der Pandemie“ bis in den Herbst hinein in großer Bewegung bleiben, schätzt der Agenturchef: Lange Zeit waren Praktika, die ein gutes Instrument sind, um Kandidat*innen kennenzulernen, nicht möglich. Zudem zögert mancher Arbeitgeber aufgrund der allgemeinen Ungewissheit, Nachwuchskräfte einzustellen.
Und so verlief die Entwicklung in den beiden Landkreisen, die der Agenturbezirk Montabaur umfasst: Im Westerwaldkreis werden aktuell 3.566 Menschen ohne Job gezählt; das sind 569 mehr als im Juni und 7 weniger als im Juli 2021. Die Quote ist innerhalb eines Monats um 0,5 Prozentpunkte auf 3,1 Prozent gestiegen und liegt damit auf dem Vorjahreslevel. Im Rhein-Lahn-Kreis sind 2.326 Männer und Frauen arbeitslos – 157 mehr als vor einem Monat und 243 mehr als vor einem Jahr. Hier kletterte die Quote von Juni auf Juli um 0,3 Prozentpunkte. Mit nun 3,6 Prozent ist sie 0,4 Prozentpunkte höher als im Juli 2021.