Typische Männerberufe? Die sollte es im 21. Jahrhundert nicht mehr geben. Eigentlich. Die Realität sieht anders aus. Noch immer schlagen zu viele junge Frauen eingefahrene Wege ein. Der Girls´ Day will mit diesem überholten Rollendenken aufräumen und den Blick weiten: Mädchen gehen in Betriebe, um in Bereiche hineinzuschnuppern, in denen die Jungs dominieren. Besonders wirkungsvoll ist es, wenn andere mit gutem Beispiel vorangehen – wie die drei (angehenden) Kfz-Mechatronikerinnen der Jungbluth Nutzfahrzeuge Service&Miet GmbH.
Lena Kreten-Wenn (29) ist bereits seit 13 Jahren im Unternehmen und hat ihre Entscheidung nie bereut: „Nach der zehnten Klasse habe ich das Gymnasium geschmissen. Ich wollte raus aus der Schule und rein in die Werkstatt!“ Ihre persönliche Geschichte beeindruckt die Besucherinnen, die zum Girls´ Day in die Firma Jungbluth gekommen sind: Reinhilde Willems, Geschäftsführerin operativ der Regionaldirektion Rheinland-Pfalz-Saarland der Bundesagentur für Arbeit und Kristin Walter, Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt der Arbeitsagentur Montabaur.
Mit Geschäftsführer Toni Jungbluth und Personalentwickler Detlef Schömig entspinnt sich sofort ein lebhaftes Gespräch. Das 1950 gegründete Unternehmen hat an den beiden Standorten Plaidt und Ransbach-Baumbach insgesamt 100 Beschäftigte, davon 25 im Westerwald. Die Arbeit an den schweren Lastkraftwagen ist dank Hilfsmitteln und moderner Technik leichter geworden, und das kommt in der Werkstatt Männern genauso wie Frauen zugute. „Es hat sich vieles geändert“, sagt Toni Jungbluth. „Keine Diagnose läuft ohne Computer. Aber die schmutzigen Hände holt man sich natürlich immer noch, wenn Motor, Getriebe oder Bremsen repariert werden.“ So gibt auch Lena Kreten-Wenn bei der Fehlersuche über die PC-Tastatur Befehle ein, während sie auf den Monitor schaut – um dann vielleicht durch den Lkw zu kriechen, einen Kabelbaum instand zu setzen und festzustellen: „Es gibt kein besseres Gefühl, als den Defekt zu finden und zu beheben!“
Zwei weitere junge Frauen machen derzeit bei Jungbluth die Ausbildung zur Kfz-Mechatronikerin. Katharina Strohbach, 3. Lehrjahr, ist Azubi-Botschafterin der Handwerkskammer. Ein Lehrjahr darunter ist Theresa Faßbänder, die das Abitur gemacht hat und auf keinen Fall studieren wollte. Aber wohin sollte die berufliche Reise gehen? Da sah ihr Vater einen Slogan, den Toni Jungbluth auf der Suche nach betrieblichem Nachwuchs selbst verfasst hat: Bei uns zählen nicht die Noten, sondern der Wille! „Da wusste ich: Das muss was werden“, lacht Theresa. Über ein Praktikum lernten die junge Frau und der Arbeitgeber sich kennen, und wenig später war der Ausbildungsvertrag unterschrieben.
Ausprobieren und bleiben: Auf diese Weise haben schon viele junge Menschen ihren Platz in der Berufswelt gefunden, oft unterstützt von der Agentur für Arbeit. Toni Jungbluth beobachtet im Kontakt mit Schulen und bei Ausbildungsbörsen, dass Schülerinnen immer noch zu wenig Interesse für die Werkstatt zeigen. Er würde gerne mehr Frauen einstellen. Eine Haltung, die Kristin Walter freut: „Wenn Arbeitgeber offen sind und Mädchen sich auf scheinbar untypische Felder wagen, ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung getan.“
Das gilt übrigens auch für die andere Seite. Am selben Tag wie der Girls´ Day steht der Boys´ Day im Kalender. Und ebenso wie bei den Mädchen scheint bei den Jungs die Top Ten Liste der angestrebten Ausbildungen seit Jahrzehnten in Stein gemeißelt zu sein. Auch hier muss sich noch vieles bewegen. Reinhilde Willems bringt es auf den Punkt: „Es sollte nicht um Männer oder Frauen gehen, sondern um Menschen und um Jobs mit Zukunft.“