Neubrandenburg / Borrentin, 28. Oktober 2024 - Der Landhof Erik Franz in Borrentin, im Norden des Landkreises Mecklenburgische Seenplatte, hat im August 2023 einen wichtigen Schritt gemacht und bildet seitdem erfolgreich einen Jugendlichen mit Behinderung in einer dreijährigen Ausbildung zum Fachpraktiker Landwirtschaft aus. Lucas R. (17), der mittlerweile im zweiten Ausbildungsjahr ist, lebt mit einer Lese-Rechtschreib-Schwäche und hat die neunte Klasse an einer Förderschule abgeschlossen. Für ihn war der Einstieg in die Ausbildung der erste Schritt zur Erfüllung eines lang gehegten Traums, denn der Landhof Franz war für ihn seit seiner Kindheit ein Sehnsuchtsort.
„Lucas war gerade mal neun Jahre alt, als er zum ersten Mal um unseren Hof herumschlich“, erinnert sich Landwirt Erik Franz. „Er war von Anfang an fasziniert von der Arbeit hier und hat uns in den Ferien immer wieder unterstützt – ob bei Praktika oder Ferienjobs, lange bevor die Ausbildung überhaupt zur Sprache kam.“ Dass Lucas eine Lese-Rechtschreib-Schwäche hat oder auf einer Förderschule war, spielte für Franz keine Rolle. „Ich habe viele Jahre gar nicht gewusst, dass Lucas Förderschüler ist. Selbst wenn ich es früher erfahren hätte, wäre es mir völlig egal gewesen – im praktischen Bereich hat er schon immer überzeugt.“
Bereits in der sechsten Klasse machte Lucas sein erstes Praktikum auf dem Hof, und seit der siebten Klasse war beiden klar: Ein Ausbildungsvertrag wird unterschrieben. „Lukas ist sehr motiviert und fleißig, arbeitet größtenteils selbstständig und vorausschauend. Natürlich gibt es Bereiche, in denen wir ihn intensiver unterstützen müssen, aber gemeinsam meistern wir alle Herausforderungen. Seine schulischen Schwächen sind hier kein Problem – im Gegenteil. Ich unterstütze ihn, wo ich kann, sei es bei der praktischen Arbeit auf dem Hof oder beim Lernen für den Traktorführerschein. Besonders der theoretische Teil ist für Lukas eine große Herausforderung,“ betont Franz.
Inklusion als Teil der Unternehmenskultur
Die Ausbildung von Lucas wird durch die Arbeitsagentur Neubrandenburg im Rahmen des Programms „Begleitete betriebliche Ausbildung (bbA)“ – dass im Sozialgesetzbuch (SGB) Drittes Buch (III) im § 117 SGB III geregelt ist - unterstützt. Dieses Förderprogramm entlastet den Landhof Franz von einem großen Teil der Kosten, die mit der Ausbildung verbunden sind, und bietet Lucas zudem gezielte Unterstützung durch qualifizierte Fachkräfte. „Für kleine (Landwirtschafts-)Betriebe wie unseren ist es eine Chance, Jugendlichen mit besonderen Bedürfnissen einen Einstieg in die Ausbildung zu ermöglichen“, erklärt Franz.
Auch Andreas Wegner, Leiter der Neubrandenburger Arbeitsagentur, betont die Bedeutung solcher Programme: „Leider scheuen sich noch immer viele Unternehmen, Jugendlichen mit vermeintlich schwächeren schulischen Leistungen oder einer Behinderung eine Ausbildung zu ermöglichen. Dabei ist es wichtig, den Fokus auf ihre Stärken zu legen. Lucas ist ein wunderbares Beispiel dafür, wie viel Potenzial in diesen jungen Menschen steckt.“
Praktische Fähigkeiten im Vordergrund
Für Erik Franz ist klar, dass die Ausbildung junger Menschen mit Teilleistungsschwächen zusätzliche Anforderungen an den Ausbilder stellt. „Man muss besonders darauf achten, dass die Jugendlichen nicht sich selbst überlassen werden“, sagt Franz. „Vor allem bei theoretischen Inhalten ist mehr Geduld gefragt, aber das ist es wert, wenn man sieht, wie sie sich entwickeln.“
Einmal in der Woche erhält Lucas Nachhilfe von einem Bildungsdienstleister aus Neubrandenburg, der dafür in das 50 Kilometer entfernte Borrentin kommt. Diese Unterstützung hilft ihm, seine Hürden im Lesen und Schreiben zu meistern, während er in der Praxis bereits voll überzeugt. Ob bei der Pflege der Felder oder bei den alltäglichen Aufgaben auf dem Hof und der Werkstatt – Lucas ist eine wertvolle Unterstützung und hat sich längst in den Arbeitsalltag integriert.
Mutmacher für andere Betriebe
Die Landhof Franz GmbH zeigt, dass die Ausbildung von Jugendlichen mit Teilleistungsschwächen nicht nur möglich, sondern auch äußerst lohnenswert ist. „Jungen Menschen die Chance auf einen Ausbildungsplatz zu geben, bedeutet für uns, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen und ihm zu helfen, sein Potenzial zu entfalten – das ist für mich Inklusion“, betont Erik Franz. „Wir hoffen, dass unser Beispiel andere Betriebe ermutigt, ähnliche Schritte zu gehen und jungen Menschen, die individuelle Unterstützung benötigen, eine Chance zu geben.“
Aufruf an Unternehmen: Arbeitsagentur unterstützt Betriebe
Die Neubrandenburger Arbeitsagentur ermutigt weitere Unternehmen, sich für die Ausbildung von Jugendlichen mit Behinderungen zu öffnen. Der Arbeitsagenturchef ruft interessierte Arbeitgeber auf: „Wenn Sie darüber nachdenken, Jugendlichen mit besonderen Bedürfnissen eine Ausbildung zu ermöglichen, zögern Sie nicht! Der Arbeitgeberservice der Arbeitsagentur und das Jobcenter im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte stehen Ihnen mit umfassender Unterstützung zur Seite. Nehmen Sie Kontakt mit uns auf – entweder direkt mit Ihren bekannten Ansprechpersonen im Arbeitgeberservice oder über unsere kostenfreie Servicerufnummer 0800 4 5555 20.“
Lucas selbst blickt optimistisch in die Zukunft: „Ich habe immer davon geträumt, hier zu arbeiten“, sagt er strahlend. „Die Arbeit macht mir großen Spaß und es ist ein schönes Gefühl, dass ich hier meine Ausbildung machen kann.“
Mit Lucas hat die Landhof Franz GmbH nicht nur einen talentierten und motivierten Auszubildenden gewonnen, sondern auch ein starkes Zeichen für gelebte Inklusion gesetzt – ein Zeichen dafür, dass es sich lohnt, über Hindernisse hinauszusehen und Talente zu fördern.
Vorteile der begleiteten betriebliche Ausbildung auf einen Blick
Ein von der Arbeitsagentur beauftragter Bildungsträger steht Betrieben und Ihrer Nachwuchskraft während der gesamten Ausbildungszeit zur Seite.
- Die begleitete betriebliche Ausbildung bietet Unternehmen bedarfsgerecht:
Hilfestellungen bei der Organisation und Durchführung der Ausbildung,
Begleitung und Unterstützung im Ausbildungsverlauf,
Angebote zum Umgang mit behinderungsbedingten Besonderheiten und
Beratung zur Beantragung von Fördermitteln.
- Auszubildenden mit Behinderungen erhalten:
Unterstützung bei der Vermittlung von fachtheoretischen Ausbildungsinhalten und
Hilfestellung und Begleitung während der Ausbildung.
Betrieben entstehen keine Kosten für bbA!
Die Kosten für diese Unterstützung werden durch Ihre Arbeitsagentur übernommen. Die Rechte und Pflichten aus dem Ausbildungsverhältnis bleiben für Betriebe und Ihre Auszubildenden bestehen. Die Auszubildenden erhalten vom Arbeitgeber die übliche Ausbildungsvergütung.