Im Ausbildungsjahr 2021/2022 bewarben sich in der Region Osnabrück 2.583 junge Menschen um einen Ausbildungsplatz – im Vorjahresvergleich ein leichtes Plus von neun Personen bzw. 0,3 Prozent. Dagegen waren 4.310 Ausbildungsstellen gemeldet – ein Rückgang um 182 Stellen bzw. 4,1 Prozent. Statistisch konnte somit jeder Bewerber aus einem Angebot von 1,7 Ausbildungsstellen wählen. Bis Ende September 2022 blieben indes 160 Bewerber unversorgt. 432 Ausbildungsstellen – 11,1 Prozent weniger als im Vorjahr – blieben unbesetzt. Je Bewerber ohne Ausbildungsplatz blieben folglich rein rechnerisch 2,7 Stellen vakant.
Fern: Zahl der Bewerber stabilisiert, weiterhin großes Ausbildungsangebot.
„Den Ausbildungsmarkt hat es in den vergangenen Jahren mächtig durchgerüttelt“, sagt Christiane Fern, Vorsitzende der Geschäftsführung der Osnabrücker Arbeitsagentur. „Die Zahl der Bewerber ist in der Pandemiezeit spürbar zurückgegangen, glücklicherweise konnten wir in diesem Jahr wieder verstärkt in die Schulen und durch umfassende Berufsorientierung die Gruppengröße zumindest stabilisieren. Jetzt geht es für uns darum, eng bei den noch unversorgten zu bleiben und den einen oder anderen doch noch in eine Ausbildung zu vermitteln.“
Mehr ausländische Bewerber, vor allem auch aus Asylherkunftsländern.
Während die Agentur mit 2.098 Bewerbern deutscher Staatangehörigkeit 2,9 Prozent weniger als im Vorjahr registrieren konnte, wuchs die Gruppe ausländischer Bewerber um 17,5 Prozent auf 484 Personen. Somit verfügte knapp jeder fünfte Bewerber über eine ausländische Staatbürgerschaft. 119 dieser Bewerber entstammten weiteren EU-Staaten, 365 sogenannten Drittstaaten – letzteres ein Plus von 22,9 Prozent im Vorjahresvergleich. 219 Menschen davon wiederum können Asylherkunftsländern zugerechnet werden (ein Plus von 25,9 Prozent), alleine 134 der arabischen Republik Syrien (plus 10,7 Prozent gegenüber 2021). Fern: „Unter ausländischen Staatsbürgern gibt es enormes Potential, dass wir jetzt und künftig für Ausbildungen gewinnen könnten. In dieser Gruppe wollen wir auch unbedingt mehr die Frauen erreichen.“
Ausbildungsbereitschaft in der Region weiter groß.
Trotz des Rückgangs bei der Zahl der gemeldeten Ausbildungsplätze sieht Fern weiterhin großes Ausbildungspotential: „Wir haben immer noch einen deutlichen Überschuss an Ausbildungsangeboten in der Region. Das verdeutlicht den immensen Fachkräftebedarf der Betriebe, und die enorme Bereitschaft auszubilden – und dies alles trotz der widrigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen.“ Mehr Stellen als im vorherigen Ausbildungsjahr boten Betriebe etwa im Bereich „Metallerzeugung und -bearbeitung“, bei der „Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen“, im Bereich „Erziehung und Unterricht“ und vor allem im Handel an. Deutlich weniger Stellen als im Vorjahr verzeichneten beispielsweise das Bau- und das Gastgewerbe.
Passungsprobleme verhindern mehr Ausbildungsverträge.
Rein statistisch betrachtet hätten durchaus weitere Ausbildungsverhältnisse zustande kommen können. So blieben etwa im „Verkauf“ 26 Plätze unbesetzt bei zeitgleich 24 auf diesen Bereich fokussierten, unversorgten Bewerbern. Auch in Betrieben, die Arzt- und Praxishilfen ausbilden, blieben 25 Stellen unbesetzt, obwohl immerhin zehn Bewerber noch zur Verfügung gestanden hätten. Zudem standen im Sektor „Softwareentwicklung und Programmierung“ zuletzt zehn offene Stellen zehn suchenden Bewerbern gegenüber. Fern: „In vielen Wirtschaftszweigen fehlen die Bewerber, um vakante Positionen zu besetzen. In anderen Bereichen sind Bewerber zwar da, aber es gibt Gründe, warum es trotzdem nicht passt. An dieser Stellschraube müssen wir drehen, denn nicht selten gibt es Unterstützungsmöglichkeiten und Angebote der Arbeitsagentur, mit denen sich die Differenzen überbrücken lassen könnten.“
Mehr Bewerber für Ausbildung gewinnen.
Ein wichtiges Ziel sei es, wieder deutlich mehr Jugendliche für Ausbildungen zu gewinnen, so die Expertin. „Der Trend, den höchstmöglichen Berufsabschluss zu erreichen, besteht weiterhin. Auch in diesem Jahr haben sich wieder gut 400 Bewerber dafür entschieden, weiter zur Schule zu gehen oder statt einer Ausbildung ein Studium zu beginnen. Das ist nicht für jeden der richtige Weg, wenn man beispielsweise sieht, dass gut jeder Vierte deutschlandweit sein Studium abbricht. Die Chancen, mit einer Ausbildung gut ins Berufsleben zu starten, stehen in unserer Region besser als je zuvor. Wir müssen die jungen Menschen daher wieder für Ausbildungen begeistern. Daran arbeitet die Arbeitsagentur, und daran arbeiten wir mit unseren Arbeitsmarktpartnern zusammen.“
Statement Industrie- und Handelskammer: Chance auf Ausbildung weiter nutzen.
Auch Juliane Hünefeld-Linkermann, Leiterin des Geschäftsbereichs Aus- und Weiterbildung der Industrie- und Handelskammer Osnabrück - Emsland - Grafschaft Bentheim, sieht in der Region Osnabrück eine hohe Ausbildungsbereitschaft. „Es bleibt laut der aktuellen IHK-Aus- und Weiterbildungsumfrage für die Betriebe eine große Herausforderung, die dringend benötigten Fachkräfte über die eigene Ausbildung zu sichern. Lediglich etwas mehr als die Hälfte – 61 Prozent – der regionalen Unternehmen konnte im vergangenen Ausbildungsjahr alle ihre angebotenen Ausbildungsplätze besetzen. Hiervon sind besonders die Branchen Gastgewerbe, Industrie, Logistik, IT sowie Handel betroffen“, erläutert Juliane Hünefeld-Linkermann, IHK-Geschäftsbereichsleiterin Aus- und Weiterbildung. Bis Ende September 2022 registrierte die IHK im Agenturbezirk Osnabrück 2.167 neue Ausbildungsverträge. Dies entspricht einem Rückgang um 3,2 Prozent. In Niedersachsen gab es ebenfalls einen Rückgang von drei Prozent bzw. 782 Verträgen im Vergleich zum Vorjahresmonat.
Vor dem Hintergrund der aktuellen Marktlage richten sich die Aktivitäten der IHK auf die Gewinnung weiterer Jugendlicher für die berufliche Bildung. Hierbei wird vor allem auf digitale Formate gesetzt, so u.a. die Online-Ausbildungskampagne „Moin Future - Eine Ausbildung machen. Alles werden.“ Als besondere Zielgruppe stehen aktuell junge Migranten im Fokus. Um diese und deren Eltern von den Vorteilen einer beruflichen Ausbildung zu überzeugen, veröffentlicht die IHK muttersprachliche Informationen auf den Social-Media-Kanälen (u.a. türkisch, arabisch, ukrainisch). Ukrainischen Flüchtlingen bietet die IHK seit dem 15. August 2022 mit der IHK-Projektkoordinatorin Ukraine, Anastasija Daut, eine neue Ansprechpartnerin an. „Auf dem Ausbildungsmarkt ist nach wie vor Bewegung und die Ausbildungsbetriebe bieten freie Ausbildungsstellen in unterschiedlichen Branchen an. Unser Appell an alle, die jetzt noch einen Ausbildungsplatz suchen: Nutzen Sie die Chancen, die sich bieten", so Hünefeld-Linkermann.
Statement Handwerkskammer: Im Kammerbezirk fünf Prozent weniger Neuverträge.
Das regionale Handwerk meldet ein Minus von 5,4 Prozent bei neuen Lehrverträgen. So starteten im Kammerbezirk Osnabrück-Emsland-Grafschaft Bentheim mit 2.419 Personen insgesamt 137 Nachwuchshandwerker weniger als im Vorjahr in das neue Ausbildungsjahr (Stand: 1. Oktober). Die Zahlen für den Landkreis Osnabrück: 827 neue Lehrverträge (2021: 847, minus 2,4 Prozent). Die Zahlen für die Stadt Osnabrück: 331 (2021: 385, minus 14 Prozent). Die über 11.000 Handwerksbetriebe im Kammerbezirk beschäftigen derzeit über alle Lehrjahre 6.612 Auszubildende (minus vier Prozent). Insgesamt verzeichnet das Handwerk im Kammerbezirk über 100.000 Beschäftigte. Anna Brockhoff, Geschäftsführerin des Dezernats Berufsbildung und Recht bei der Handwerkskammer, stellt die Vorteile einer Ausbildung heraus: „Jeder, der einen Beruf von der Pike auf lernt, hat später viel drauf. Auszubildende können sich im Handwerk einbringen und weiterentwickeln. Egal ob Bau, Mode, Technik, Gesundheit oder Genuss: Wer Bereitschaft und Einsatz zeigt, wird zur begehrten Fachkraft ausgebildet.“
Der Präsident der Handwerkskammer, Reiner Möhle, warnt angesichts der bisherigen Zahlen vor einem regionalen Fachkräftemangel: „Damit der Beitrag der beruflichen Bildung zur Gestaltung der Zukunft unseres Landes stärker sichtbar und mittel- und langfristig gesichert wird, brauchen wir zeitgleich zur Klima- und Mobilitätswende eine Bildungswende“, fordert er. „Die Gleichwertigkeit beruflicher und akademischer Bildung muss noch in dieser Legislaturperiode echte Realität werden, um die Attraktivität beruflicher Bildung auch nach außen erkennbar zu machen und um damit wieder mehr junge Menschen für eine duale Ausbildung zu gewinnen“, so Möhle weiter. Der Kammerpräsident stellt allerdings auch klar, dass die Ausbildungsbetriebe der Region trotz des Rückgangs der Zahlen nicht in ihrer enormen Ausbildungsleistung nachlassen: „Wir sind aufgrund der immer noch hervorragenden Ausbildungszahlen unseren Ausbildungsbetrieben im Handwerk zu großem Dank verpflichtet, denn nur durch deren Initiative rangiert unser Kammerbezirk weiterhin unter den bundesweit stärksten Ausbildungsregionen im Handwerk.“
Auf einen Blick:
Ausbildungsstellen
Die Zahl der bei der Agentur für Arbeit und den Jobcentern gemeldeten Stellen ist gegenüber dem Vorjahr auf 4.310 gesunken (minus 183 Stellen bzw. minus 4,1 Prozent).
Bewerber/innen
Die Zahl der Bewerber/innen um einen Ausbildungsplatz ist auf 2.583 gestiegen (plus neun Personen bzw. plus 0,3 Prozent).
Unversorgte Bewerber/innen und unbesetzte Ausbildungsstellen
Die Zahl der Ende September noch unversorgten Jugendlichen ist auf 160 gestiegen (plus 55 Personen bzw. plus 52,4 Prozent). Es sind 432 Stellen unbesetzt geblieben (minus 54 Stellen bzw. minus 11,1 Prozent).