„Mein Interesse galt eigentlich schon immer der Natur“, erzählt die Paderbornerin. Also hat sie nach einer Ausbildung das Abitur nachgeholt und ein Biologie-Studium in Göttingen begonnen. „Mein Ziel war es, in der Forschung oder im medizinischen Bereich zu arbeiten“, sagt sie. Doch es sollte anders kommen. „Ich wollte meine Diplom-Arbeit am Klinikum in Göttingen schreiben. Aber dann wurde ich schwanger. Und während einer Schwangerschaft darf man nicht ins Labor“, so Ilka Dinkelmann. Also gab es eine Planänderung. Von Göttingen ging es für sie zurück nach Paderborn, wo sie ihre Tochter zur Welt brachte und sich seitdem um die Erziehung der heute 15-Jährigen kümmert. „Zum Glück konnte ich mein Studium 2009 - als meine Tochter noch klein war -, an der Uni Bielefeld abschließen. Aber Stellenangebote in den Bereichen Ökologie und Umweltschutz gab es rund um Paderborn damals keine“, erzählt die Diplom-Biologin.
In den Folgejahren hat Ilka Dinkelmann in verschiedenen Jobs gearbeitet. Sie war im Büro tätig, gab Kochkurse in der Volkshochschule, hat sich auf dem Gebiet der Ernährungsberatung weitergebildet – und ist letztendlich doch wieder an den Punkt gekommen, an dem sie sich eingestehen musste: „Die Pflanzen lassen mich nicht los. Ich will zurück zur Biologie!“
Den Kontakt zur Paderborner Agentur für Arbeit hatte Ilka Dinkelmann bereits in kurzen Phasen von Arbeitslosigkeit geknüpft. Gemeinsam mit ihrer Arbeitsvermittlerin Sandra Wendt begann nun die intensive Planung einer beruflichen Umorientierung. „Ich habe mich recht schnell in Richtung Garten- und Landschaftsbau orientiert, weil es um Pflanzen geht und mir die Vorstellung, handwerklich in der Natur zu arbeiten, gefallen hat.“ Von Januar 2021 bis Januar 2022 war Ilka Dinkelmann im GaLaBau tätig und der Gedanke, hier eine Umschulung zu machen und einen Berufsabschluss zu erlangen, verfestigte sich.
Sandra Wendt unterstützte Ilka Dinkelmann bei ihrem Vorhaben und initiierte eine Maßnahme zur Vorbereitung auf die Umschulung. Bei der FAW gGmbH, der Fortbildungsakademie der Wirtschaft, in Paderborn ging es dann um weitere Orientierung, Bewerbungstraining, Grundlagenunterricht und Praktika. Die Praktika führten die sympathische Frau in Gartenbaubetriebe – und zur Imkerei Hensel. Als ihr bewusst wird, dass die schwere körperliche Arbeit im GaLa-Bau - insbesondere die Pflasterarbeiten - auf lange Sicht nicht zu stemmen sein wird, und überdies der Arbeitgeber-Service der Arbeitsagentur die Stellenausschreibung von Lukas Hensel ins Spiel bringt, der eine/n Auszubildende/n sucht, trifft Ilka Dinkelmann eine Entscheidung: Tierwirtin, Fachrichtung Imkerei – das möchte sie werden!
„Das Berufsbild ist wenig bekannt. Dabei ist es super interessant“, weiß Sandra Wendt und verweist auf die Internetseite https://berufenet.arbeitsagentur.de/ auf der die Agentur für Arbeit wichtige Infos zum Tierwirt und anderen Berufen bereithält.
„Leider gibt es nicht viele Betriebe, die ausbilden. Deutschlandweit sind es gerade mal zehn“, beklagt Lukas Hensel. Der 32-Jährige führt die Imkerei in Brakel-Bellersen in dritter Generation. Die Freude an der Natur, die Begeisterung für ihre Vielfalt und die Liebe zu den Bienen sind sein Ansporn. „Im Sommer arbeiten wir schon mal 16 Stunden am Tag. Man muss es machen, weil es Spaß macht, nicht, weil man reich werden will“, erklärt Hensel, warum die Suche nach Auszubildenden nicht leichtfällt. Ilka Dinkelmann macht die Arbeit mit den Bienen definitiv Spaß. Seniorchef Oswald Hensel war sofort begeistert davon, wie die 49-Jährige mit den Tieren umgeht. Also Daumen hoch von allen Seiten für die betriebliche Einzelumschulung. „Es ist toll, dass der Arbeitgeber diese Umschulung in Teilzeit ermöglicht!“, freut sich auch Sandra Wendt. Im August dieses Jahres fiel für Ilka Dinkelmann in Brakel-Bellersen der Startschuss.
„Ich bin positiv überrascht, wie viele Aspekte aus dem botanischen Teil meines Biologie-Studiums ich nutzen kann und wie vielfältig die Tätigkeiten sind“, erzählt sie begeistert. Da geht es nicht nur um die Betreuung der 350 Bienenvölker mit jeweils 60.000 Tieren, die Aufzucht der Königinnen und die Honigernte. Auch Tischlerarbeiten, die Pflege der Pflanzen, die Obsternte, der kaufmännische Bereich und die Vermarktung gehören dazu. Zweieinhalb Jahre dauert die Umschulung in Teilzeit, inklusive Blockunterricht in der Berufsschule in Celle in den Monaten Januar, Februar und März, dann hat Ilka Dinkelmann den Berufsabschluss in der Tasche und darf sich Tierwirtin, Fachrichtung Imkerei nennen.
Ein bedeutender Beruf, denn: Bienen sind wichtig, weil sie die Blütenbestäubung und Baumpflege übernehmen und für Pflanzenvielfalt und reiche Ernten sorgen. „80 Prozent der Nutz- und Kulturpflanzen sind auf die Honigbiene angewiesen. Ohne sie würden Obst und Gemüse nicht wachsen“, erklärt Tierwirtschaftsmeister Lukas Hensel ihre Bedeutung für die Landwirtschaft. Aber Bienen brauchen Blüten, um Nahrung zu sammeln. Und diese Suche wird durch Monokulturen und Steingärten zu einer immer größeren Herausforderung in der heimischen Region. „Die Vielseitigkeit ist abhandengekommen. Darum müssen wir unsere Bienenstöcke in den Sommermonaten auf einen Biohof an der Müritz bringen“, bedauert Lukas Hensel. Überwacht und betreut werden die Tiere per Ferndiagnose, alle zwei bis drei Wochen fährt Hensel dann selbst in den Osten, um nach den Bienen zu sehen. „Die Honigbiene ist aufgrund dieser veränderten Lebensverhältnisse ohne den Imker nicht überlebensfähig. Sie braucht den Imker!“, betont Lukas Hensel. Sie braucht Menschen, die Freude an der Natur haben. Menschen wie Ilka Dinkelmann.