Die Zahl der Bewerberinnen- und Bewerber steigt
Halbzeit auf dem Ausbildungsmarkt im Kreis Paderborn
Die Zahl der gemeldeten Bewerberinnen und Bewerber erholt sich weiter. Die Nachfrage nach einer dualen Ausbildung steigt nach dem Rückgang in der Corona-Krise das dritte Jahr in Folge. Der Anstieg fällt in diesem Jahr deutlich aus.
Unternehmen suchen im laufenden Ausbildungsjahr bisher weniger intensiv Auszubildende, um Fachkräfte für die Zukunft zu sichern. In der größeren Zurückhaltung liegt eine Gefahr: Investieren Arbeitgeber trotz der wirtschaftlichen Schwächephase nicht konsequent weiter in die Ausbildung zu Fachkräften, wird das die Region im Hinblick auf die steigenden Rentenabgänge in den nächsten Jahren wirtschaftlich nachhaltig schwächen.
• 848 Jugendliche noch nicht versorgt
• 1.111 Ausbildungsstellen nicht besetzt
• Der Ausbildungsmarkt bietet Bewerberinnen und Bewerbern gute Chancen. Passende Auszubildende zu finden, bleibt für Arbeitgeber mit großem Aufwand verbunden
• Auf 100 betriebliche Berufsausbildungsstellen kommen derzeit gerundet 100 Bewerberinnen und Bewerber
Am Ausbildungsmarkt im Kreis Paderborn ist es Zeit für einen Blick auf den Zwischenstand. Es ist Halbzeit. Das Ausbildungsjahr geht immer vom Monat Oktober eines Jahres bis Ende September eines Folgejahres; Heinz Thiele, Leiter der Agentur für Arbeit Paderborn, zieht auf Basis der Zahlen bis einschließlich März 2024 für das laufende Ausbildungsjahr 2023/2024 eine erste Bilanz.
„Die Suche nach einem Ausbildungsplatz geht in die heiße Phase. Für die Jugendlichen sind die Chancen auf einen Ausbildungsplatz gut: Die Zahl der gemeldeten Ausbildungsstellen in Unternehmen und Verwaltungen im Kreis Paderborn liegt etwas höher als die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber, die sich bislang bei der Agentur für Arbeit meldeten“, sagt Heinz Thiele.
Im ersten Halbjahr sind insgesamt 1.699 Bewerberinnen und Bewerber auf dem Ausbildungsmarkt aktiv geworden. Die Zahl betrug im März des Vorjahres 1.516. Das entspricht einer Steigerung zum Vorjahresmonat um 183 oder 12,1 Prozent. „Die Bewerberzahl erholt sich. Nach dem Einbruch in der Corona-Krise hält die Entwicklung im Kreis Paderborn das dritte Jahr in Folge an“, sagt Heinz Thiele: „Der deutliche Anstieg in der ersten Hälfte des Ausbildungsjahres ist erfreulich und zeigt, dass die duale Ausbildung weiterhin beliebt ist und nachgefragt wird. Trotzdem mangelt es vielen Unternehmen weiter an geeigneten Bewerberinnen und Bewerbern“.
Der Ausbildungsmarkt hat sich in den vergangenen Jahren von einem Arbeitgebermarkt zu einem Bewerberinnen- und Bewerbermarkt entwickelt. Seit 2019 werden in jedem Ausbildungsjahr zum Abschluss mehr Ausbildungsstellen als Bewerberinnen und Bewerber verzeichnet. Zum Ende des laufenden Ausbildungsjahres dürften sich beide Werte allerdings einander deutlich angenähert haben.
Die Zahl der gemeldeten Ausbildungsstellen liegt im März 2024 bei 1.735. Im März 2023 betrug der Wert 1.801. Das bedeutet einen Rückgang um 66 oder 3,7 Prozent in dem Zeitraum. So kommt auf jede gemeldete Bewerberin oder jeden gemeldeten Bewerber gerundet zurzeit eine Ausbildungsstelle.
„Das Verhältnis von Stellen zu Bewerberinnen und Bewerbern bleibt für die Ausbildungssuche weiter günstig, während Arbeitgebern die Fachkräftesicherung große Mühen macht und mitunter deutliche Probleme bereiten kann. Bewerberinnen und Bewerbern bieten sich momentan Ausbildungsmöglichkeiten in der ganzen Breite der Berufe“, sagt Heinz Thiele.
„Wer noch eine Ausbildung in diesem Jahr aufnehmen will, sollte jetzt mit der Stellensuche beginnen und sich bewerben. Zur beruflichen Orientierung empfehle ich allen Ausbildungsinteressierten, unabhängig von unserem ständigen Angebot der Berufsorientierung und Berufsberatung, auch die Offene Sprechstunde unserer Berufsberaterinnen und Berufsberater in der Agentur für Arbeit Paderborn in den Osterferien – ein Angebot für qualifizierte und individuelle Beratung und Ausbildungsstellenvermittlung ohne Termin. Es ist wie immer kostenlos. Es lohnt sich definitiv, dieses wahrzunehmen“, sagt Thiele.
Den Rückgang bei den gemeldeten Ausbildungsstellen sieht der Ausbildungs- und Arbeitsmarktexperte mit Sorge. Es bestehe ein Risiko, dass einige Arbeitgeber etwa aufgrund zuletzt mäßigen Erfolgs in der Nachwuchskräftegewinnung ihr Angebot zurückfahren: „Wenn Mühen nicht direkt zu Erfolgen führen, ist das immer schade. Aber die eigene Ausbildung ist die wichtigste Maßnahme zur Gewinnung von Fachkräften und es sollte immer wieder versucht werden, junge Menschen für sich zu gewinnen. Dabei lohnt es sich auch, die eigenen Strategien zur Bewerbergewinnung zu überprüfen“, sagt Thiele. Sich entmutigen zu lassen, sei auf alle Fälle ein Fehler. Dabei werde der Schaden erst nach einigen Jahren eintreten. Denn dann scheidet eine große Zahl erfahrener Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter altersbedingt aus dem Erwerbsleben. „Auch vor dem Hintergrund der aktuellen konjunkturellen Schwäche an der Ausbildung zu sparen ist grundsätzlich falsch. Ausbildung muss als langfristige Strategie gesehen werden, die in der Zukunft einen Wettbewerbsvorteil mit sich bringt“, sagt Thiele. Es gelte im Übrigen: „Eigens entwickelte Fachkräfte sehen sich häufig in besonderer Weise ihrem Ausbildungsbetrieb zugehörig. Manche kehren selbst nach einem Wechsel später einmal zurück – mit einigen hinzugewonnenen Jahren Berufserfahrung“.
Thiele betont daher: „Auszubilden bleibt bedeutender Schlüssel für unternehmerischen Erfolg. Als Wirtschaftsregion sind wir auch erfolgreich, weil das immer als unangefochtenes Prinzip gegolten und alle Akteure in ihrem Handeln angeleitet und geeint hat. Eine entschiedene Haltung zur Ausbildung ist Ausdruck besonderen wirtschaftlichen Zusammenhalts im Kreis“.
Sein Appell an Arbeitgeber lautet mit Blick auf die zweite Hälfte des Ausbildungsjahres: „Für ein effizientes Matching zwischen Ausbildungssuchenden und Arbeitgebern ist es essentiell, dass möglichst viele Ausbildungsstellen der Agentur für Arbeit gemeldet werden. Das Angebot am Markt sollte voll abgebildet werden!“
Auch vor dem Hintergrund des anhaltenden Fachkräftemangels empfiehlt der Leiter der Agentur für Arbeit, Menschen mit sprachlichen und fachlichen Förderbedarfen stärker einzustellen als bisher: „Potential muss bei personellen Entscheidungen am Ausbildungsmarkt eine größere Rolle spielen. Mit Unterstützungsangeboten wie Praktika im Rahmen der Einstiegsqualifizierung, Sprachförderung und Nachhilfeunterricht werden Fortschritte in der Ausbildung effektiv erreicht – am Übergang von der Schule in den Beruf gilt es, allen Interessierten faire Chancen zu eröffnen“. Werde in der wirtschaftlichen Schwächephase nicht konsequent weiter in Nachwuchs investiert, drohe das die Region auch mit Blick auf die erwarteten Rentenabgänge wirtschaftlich substantiell zu schwächen.
Unter jungen Menschen registriert Heinz Thiele zunehmendes Interesse an der Ausbildung: „Das deutsche Modell spricht Jugendliche an, weil es Abwechslung verspricht, und sich Praxis und Theorie sinnvoll ergänzen.“ Ausbildungsordnungen wurden zuletzt angepasst; digitale und nachhaltige Inhalte halten immer weiter Einzug. Die Jugendlichen sehen außerdem verstärkt die Möglichkeit, an eine Ausbildung ein Studium anzuschließen. „Wer eine Ausbildung aufnimmt, hat sich damit nicht automatisch gegen ein Studium entschieden. Über eine Ausbildung stehen viele Karrieremöglichkeiten offen; Wege führen auch in Führung und Management“, betont Heinz Thiele.
Die Berufsberaterinnen und Berufsberater sind dieses Jahr wieder für die berufliche Orientierung viel unterwegs in Schulklassen. Darüber hinaus sind sie für ein individuelles Beratungsgespräch in der Agentur für Arbeit Paderborn erreichbar.
Die Offene Sprechstunde in den Osterferien findet bis zum 4. April 2024 immer werktags in der Zeit von 8 Uhr bis 15.30 Uhr statt – nur mittwochs und zusätzlich am Freitag, den 5. April, endet die Offene Sprechstunde um 12.30 Uhr. Mit noch 1.111 unbesetzten Stellen ist noch vieles möglich. Jede Bewerbung muss gut vorbereitet sein: „Jugendliche ohne Ausbildungsstellenzusage sollten die Osterferienaktion nutzen“, rät der Leiter der Agentur für Arbeit.
Für die berufliche Orientierung empfiehlt sich auch ein Blick auf die digitale Berufsorientierungsplattform Connect: www.connect-pb.de. Hier gibt es Informationen über aktuelle Veranstaltungen und Termine zur beruflichen Orientierung sowie Tipps und Tricks rund um Bewerbungen.
Gesamtangebot / Gesamtnachfrage mit Stand März 2024:
1.735 gemeldete Ausbildungsstellen / 1.699 gemeldete Bewerber
Bis März 2024 wurden der Agentur für Arbeit Paderborn im laufenden Berichtsjahr 1.735 Ausbildungsstellen zur Besetzung gemeldet. Das sind 66 Stellen weniger als im Vorjahr (minus 3,7 Prozent).
Bisher haben sich im Laufe des Berichtsjahres zugleich 1.699 Jugendliche über die Berufsberatung der Agentur für Arbeit um einen Ausbildungsplatz bemüht. Das sind 183 junge Menschen mehr als im Vorjahr (plus 12,1 Prozent).
Von den Ausbildungsstellen sind Ende März 2024 noch 1.111 Stellen unbesetzt. Zugleich sind noch 848 Jugendliche auf der Suche nach einer Ausbildungsstelle.
Daten für die vergangenen sieben Jahre zeigen, wie sich der Ausbildungsmarkt im Kreis Paderborn zunehmend von einem Arbeitgebermarkt zu einem Bewerberinnen- und Bewerbermarkt entwickelt hat: Gab es im März 2017 im Kreis Paderborn rechnerisch noch 121 Bewerberinnen und Bewerber je 100 betriebliche Berufsausbildungsstellen, sind es im März 2024 100 Bewerberinnen und Bewerber je 100 betriebliche Berufsausbildungsstellen. Und kamen im März 2017 im Kreis Paderborn 115 unversorgte Bewerberinnen und Bewerber auf 100 unbesetzte Ausbildungsstellen, sind es im März 2024 76 unversorgte Bewerberinnen und Bewerber.