Zusätzlich investiert die Bundesagentur für Arbeit pro Jahr rund zehn Mio. Euro (weitere 10 Mio. Euro übernimmt das SMK) für rund 300 Praxisberater in Sachsen, die vor Ort an den Schulen ab Klasse 7 erste Berufsorientierungsmaßnahme durchführen. Weitere acht Mio. Euro werden für rund 200 Berufseinstiegbegleiter bereitgestellt, die in Haupt- und Förder-schulen unterstützen, damit abschlussgefährde Jugendliche ihren Schulabschluss erreichen.
Die Unterstützung der Jugendlichen bei der Berufswahl ist also groß – und sorgt dafür, dass die Mehrheit erfolgreich in die Berufsausbildung startet. Für alle anderen ist es nicht zu spät: In den Jugendberufsagenturen finden sie immer die nötige Beratung und Hilfe, um den Weg in Ausbildung zu finden.
Stellvertretend für die Berufsberaterinnen und Berufsberater in Sachsen gibt Marion Köthe aus der Jugendberufsagentur Chemnitz einen Einblick in die wichtigsten Themen rund um die Berufsorientierung.
Wie kommen die Berufsberaterinnen und Berufsberater in Kontakt mit den Jugendlichen?
Die Berufsorientierung beginnt schon sehr zeitig, ab Klasse 7 und 8. Für diesen Start sind Praxisberaterinnen und Praxisberater vor Ort an den Schulen, führen Potentialanalysen durch, organisieren Betriebsbesuche, ermöglichen praktische Erfahrungen. Mit ihnen gemeinsam planen wir auch erste Unterrichtsstunden ab Klasse 7, in denen die Schülerinnen und Schüler ihre Berufsberaterin bzw. ihren Berufsberater an der Schule kennenlernen. Wir sprechen über Talente und Fähigkeiten, Berufs- und Studienmöglichkeiten, Alternativen und Überbrückungsmöglichkeiten. Jeder Jugendliche lernt die Online-Angebote der Agentur für Arbeit kennen und wie er sich selbst informieren kann. Wir reden aber auch über die Entwicklung des Ausbildungs- und Arbeitsmarktes sowie über Bewerbungen – eben alles, was die Jugendlichen zur Orientierung brauchen. Darüber hinaus haben wir an allen Schulen regelmäßige Sprechstunden. Also wenn die Schülerinnen und Schüler vor der Bewerbung stehen, kennen wir uns schon über Jahre. Wir unterstützen dann die Jugendlichen individuell bei der Suche nach einem Ausbildungs- oder Studienplatz. Und falls es dann während der Ausbildung zu Problemen kommen sollte, sind wir immer noch für sie da.
Mit welchen Themen kommen die Jugendlichen zu Ihnen?
Sie wollen viel über die Berufe selbst erfahren, was gehört alles dazu, welche Fähigkeiten und Anforderungen sind wichtig und welche Alternativen, welchen „Plan B“ gibt es. Wichtig ist ihnen die Unterstützung bei der Ausbildungs- und Studienplatzsuche sowie das Aufzeigen von Entwicklungswegen. Sehr häufig geht es auch um Unterstützung für die perfekte Bewerbung. Jede Beratung ist individuell mit unterschiedlichsten Themen – das macht den Beruf so interessant und herausfordernd.
Wie würden Sie ihre Rolle während der Berufswahl beschreiben?
Wir leisten Hilfe zur Selbsthilfe. Wir motivieren und aktivieren und stehen mit Rat und Tat zur Seite. Wir begleiten die Jugendlichen auf ihrem Weg zum Beruf oder Studium und zeigen auf, was sie können und was sie tun müssen, um ihr Ziel zu erreichen. Manchmal passen die Vorstellungen der Jugendlichen nicht zu den Anforderungen der Betriebe, dann wird das besprochen und gemeinsam eine Lösungsstrategie erarbeitet. Dabei können auch ganz neue Ideen entwickelt werden. Entscheidend sind immer die Interessen und Neigungen der Jugendlichen.
Seit Jahren ähneln sich die sogenannten Top10-Berufe, also die beliebtesten der 324 anerkannten Ausbildungsberufe in Deutschland. Ändern sich die Trends denn nie?
Ein bisschen ändern sich die Trends durchaus und die Jugendlichen bekommen sehr genau mit, was gefragt ist. Aktuell interessieren sich z.B. viele für Berufe rund um IT und Medien – das war bisher nicht so ausgeprägt. Wir merken aber auch die Auswirkungen von Corona. Die Jugendlichen haben ein gutes Gespür entwickelt, welche Branchen während der Pandemie durchgearbeitet haben – entsprechend ist dort die Nachfrage. Dazu passt leider auch, dass z.B. der frühere Trendberuf Koch/Köchin jetzt weniger gefragt ist, weil die Gastro-Branche mit am stärksten betroffen war.
Gibt es auch einen Wechsel der Trends in den letzten Jahrzehnten?
Ich bin ja Berufsberaterin seit 1995 und kann sagen: Die Jugendlichen sind heute kaum anders als vor 25 Jahren, aber Berufe haben sich rasant entwickelt und die Arbeitswelt hat sich sehr verändert. Es gab Zeiten, da galt eine Vita mit vielen beruflichen Stationen als schlecht. Heute ist es für viele Arbeitgeber interessant, wenn im beruflichen Werdegang viele Karrierestationen aufgezeigt werden können. Dann gelten Diejenigen als flexibel, leistungsmotiviert und bereit, lebenslang zu lernen. Insofern ist es heute selbstverständlicher, das mit der ersten Ausbildung eine gute Basis gelegt wird und damit unzählige Entwicklungsmöglichkeiten offenstehen. Um es bildhaft zu machen: In den 1990er Jahren wollten sehr viele in den öffentlichen Dienst. Das bot Sicherheit. Heute sind Entwicklungsmöglichkeiten und Karriere ebenso wichtig.
Wie viel Einfluss haben die Eltern?
Eltern haben einen großen Einfluss. Viele Studien belegen, dass Eltern die wichtigsten Partner ihrer Kinder bei der Berufs- und Studienwahl sind. Niemand kann Stärken und Schwächen der Kinder besser einschätzen. Elternarbeit gehört auch zum Aufgabenspektrum der Berufsberatung, dafür werden in verschiedenen Klassenstufen auch Elternabende angeboten. Uns muss es aber noch besser gelingen, Eltern aktiv in den Prozess einzubinden, damit sie ihrer verantwortungsvollen Rolle gerecht werden.
Hat Corona die Berufsberatung verändert?
Auf jeden Fall. Allein schon deshalb, weil wir nicht vor Ort in den Schulen sein durften. Dar-über hinaus sind Praktika, Messen und Betriebsbesuche ausgefallen. Es wurden zwar schnell interessante digitale Formate und Veranstaltungen entwickelt, aber um eine Vorstellung von Berufen zu bekommen, ist das eigene Erleben extrem wichtig: riechen, anfassen, selber machen. Wir haben versucht, durch engen digitalen Kontakt und Videoberatungen vieles möglich zu machen. Für einige Jugendliche war diese neue Form der Beratung an-fangs allerdings gewöhnungsbedürftig und viele schienen von digitalen Angeboten und Homeschooling irgendwann übersättigt zu sein.
Jetzt gilt es umso mehr, wieder persönlich als Berufsberaterin oder Berufsberater präsent zu sein, um eventuell entstandene Lücken schnell zu schließen. Die digitalen Angebote werden dabei aber nicht wieder verschwinden.
Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, welcher wäre das?
Ich möchte noch viele Jugendliche bei einem erfolgreichen Start in die Ausbildung oder das Studium unterstützen. Wichtig ist mir dabei, Entwicklungsmöglichkeiten nach einer Facharbeiterausbildung bewusster zu machen, egal ob Meister, Bachelor, Master.
Kontakt zur Berufsberatung der Agentur für Arbeit Plauen: