Von Odessa in den Schwarzwald: eine Integrationsgeschichte

Im Januar 2023 sind in Baden-Württemberg 24.704 Menschen mit ukrainischer Staatsangehörigkeit in den Jobcentern registriert. Darunter 7.940 Männer und 16.764 Frauen. Eine dieser Frauen war auch Olena Klymenko. Sie ist letztes Jahr im März mit ihren Kindern, ihrer Schwiegermutter sowie ihrem Hund aus der Ukraine von Odessa in den Schwarzwald geflohen.
 

09.02.2023 | Presseinfo Nr. 6

Seitdem ist viel passiert: Olena Klymenkos Kinder – ein Junge und ein Mädchen – gehen nur wenige Tage nach Ankunft in Deutschland bereits in die ortsansässige Schule und sind mittlerweile aktiv im Sportverein. Klymenko selber meldet sich nicht nur bei der Bundesagentur für Arbeit, sondern wird auch darüber hinaus aktiv und gründet mit weiteren geflüchteten Frauen eine Tanz- und Folkloregruppe „Kupalinka“. Mit der Gruppe organisiert sie mehrere Auftritte, unter anderem auch Benefizveranstaltungen zur Unterstützung der Ukraine. Auf einer dieser Veranstaltungen kommt Olena Klymenko mit Hans-Jürgen Muri, Rektor der Emil-Thoma-Realschule in Freiburg, ins Gespräch. Und Muri gewinnt Olena Klymenko als Mitarbeiterin für seine Schule: Sie unterrichtet seit Mai 2022 ukrainischen Schülerinnen und Schüler in Deutsch, da sie bereits über fundierte Sprachkenntnisse verfügte, und steht ihnen auch emotional zur Seite.    

Wie kann eine gute Integration gelingen? 

Wir haben NACHGEFRAGT bei Olena Klymenko, Hans-Jürgen Muri, Rektor der Emil-Thoma-Realschule in Freiburg sowie Anita Schulz, persönliche Ansprechpartnerin im Jobcenter Breisgau-Hochschwarzwald. 

Frau Klymenko, wo sehen Sie die größten Herausforderungen bei der Ankunft und Arbeitsaufnahme in Deutschland?
„Da sind viele Dokumente und Papiere, die man verstehen und ausfüllen soll. Das ist allein sprachlich schon eine Herausforderung. Ich hatte glücklicherweise Unterstützung von der ortsansässigen Caritas, dem Jobcenter sowie Herrn Muri. Dass ich so schnell eine Beschäftigung gefunden habe, hilft mir sehr, meine Sprachkenntnisse zu verbessern.“ 

Herr Muri ergänzt: 
„Diese Formulare auch alle zu verstehen und richtig auszufüllen, ist für ausländische Personen nicht ohne fremde Hilfe leistbar.“

Frau Schulz sieht noch weitere Herausforderungen: 
„Für viele geflüchtete Ukrainerinnen und Ukrainer ist die erste Herausforderung das Finden einer Wohnung. Aktuell erleben wir viele Versetzungen von einer Gemeinde in die nächste. Dies belastet die Kundinnen und Kunden sehr, da sie sich dort wieder neu orientieren müssen: eine neue Betreuung für die Kinder suchen, neue Sprachkurse finden und ein neues soziales Umfeld schaffen. Aufgrund der fehlenden Kinderbetreuung können viele Erziehende zudem nicht an Integrations- oder Sprachkursen teilnehmen. 
Viel Geduld benötigen vor allem diejenigen, die zum Beispiel im kaufmännischen Bereich arbeiten möchten, da hierfür Sprachkenntnisse auf hohem Niveau benötigt werden. Aber auch für die Aufnahme einer Ausbildung gilt: Je besser das Deutsch, desto leichter fällt auch die Berufsschule.“

Das Sprachniveau sowie eine gewisse Eigeninitiative scheinen Erfolgsfaktoren bei der Integration zu sein. Frau Schulz, was haben Sie beobachtet, welche sprachlichen und beruflichen Qualifikationen bringen die geflüchteten Menschen aus der Ukraine mit? 
„Insgesamt bringen viele Ukrainerinnen und Ukrainer gute Qualifikationen und/oder gute Berufserfahrungen mit. Auffällig hierbei ist, dass viele Kundinnen und Kunden ein bestimmtes Fach studiert, nach ihrem Studium aber nicht mehr in ihrem Studienbereich gearbeitet, sondern eine Tätigkeit in einem ganz anderen Bereich ausgeübt haben. 
Jedoch sprechen viele ukrainische Geflüchtete bei ihrer Ankunft kein Deutsch, was auch in den Beratungsgesprächen ein großer Nachteil ist, da die Kommunikation trotz der Übersetzungsgeräte sowie Übersetzerinnen und Übersetzer nicht so uneingeschränkt erfolgen kann wie mit Kundinnen und Kunden, die die deutsche Sprache beherrschen. Daher gilt es vor allem, zunächst die deutschen Sprachkenntnisse zu fördern. Als Arbeitsvermittlerin sehe ich auf jeden Fall eine hohe Kooperations- und Einsatzbereitschaft der Ukrainerinnen und Ukrainer.“

Frau Klymenko, welche Ausbildung und Berufserfahrungen bringen Sie aus der Ukraine mit? 
„Ich habe Musik studierte und bin ausgebildete Dirigentin sowie Sopran-Opernsängerin. Zuletzt habe ich als Lehrkraft in einem Musiklyceum in Odessa gearbeitet.“

Das sind sehr gute Voraussetzungen für ihre jetzigen Tätigkeit, findet Herr Muri: 
„Frau Klymenko unterrichtet unsere 24 ukrainischen Kinder und Jugendlichen in Deutsch. Gleichzeitig ist sie eine wichtige Ansprechpartnerin für deren Sorgen und Nöte. Da Frau Klymenko ein abgeschlossenes Studium als Musikerin hat, findet sie den Zugang auch über diesen kreativen Weg der Musik mit Klavierspielen und gemeinsamem Singen.

Es scheint, dass in der Integrationsgeschichte von Olena Klymenko einige Erfolgsfaktoren zusammengekommen sind: ein hohes Maß an Eigeninitiative, erste Deutschkenntnisse sowie die Fähigkeit, schnell ein soziales Netzwerk aufzubauen.

Generell benötigt eine gute und langfristige Integration Zeit und bei einigen bürokratischen Hürden auch Geduld. Dr. Susanne Koch, Geschäftsführerin operativ der Regionaldirektion Baden-Württemberg der Bundesagentur für Arbeit ordnet ein: „Wir als Bundesagentur für Arbeit haben – nicht nur wegen des zunehmenden Fachkräftebedarfs – das Interesse, die geflüchteten Menschen aus der Ukraine bei der Integration in einen qualifikationsadäquaten Beruf zu unterstützen. Das bedeutet zumeist, dass vor Arbeitsaufnahme Grundlagen in der deutschen Sprache und häufig auch die Anerkennung der Berufsqualifikationen vorhanden sein müssen. Bei diesem oftmals längerem Prozess unterstützen wir in den Jobcentern bei allen nötigen Prozessen von der Arbeitsaufnahme über den Spracherwerb bis hin zur Kinderbetreuung.“

Weitere Informationen unter:
https://statistik.arbeitsagentur.de/DE/Navigation/Statistiken/Themen-im-Fokus/Ukraine-Krieg/Ukraine-Krieg-Nav.html