In Stellwerken, Werkstätten, Führerständen, hinter dem Steuer der Busse, im Kundenservice oder bei den Zug-Begleiterinnen und -Begleitern – überall fehlen Mitarbeitende. Ein breites Bündnis aus Politik, Wirtschaft, Gewerkschaften und Verbänden geht das Problem jetzt gemeinsam an.
Ausbau und Attraktivität des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) sind wichtige Bestandteile für die Mobilitätswende. Damit diese gelingen kann, braucht es genügend Fachkräfte, die Busse und Bahnen fahren, warten und verwalten können. Doch wie in vielen Branchen grassiert auch im öffentlichen Verkehr der Fachkräftemangel. Dieser Trend wird sich künftig noch verschärfen. So ist beispielsweise mehr als die Hälfte der Busfahrerinnen und Busfahrern älter als 50 Jahre. „Wir brauchen engagierte Fachkräfte, um die Qualität im ÖPNV zu sichern. Für den Ausbau des ÖPNV benötigen wir sogar zusätzliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Auf Initiative des Landes hat sich deshalb ein breites gesellschaftliches Bündnis zur Gewinnung von Fachkräften gebildet. 16 Institutionen arbeiten nun Hand in Hand, um die Rahmenbedingungen für Fachkräfte zu verbessern und die Berufsbilder bekannter zu machen. Ich freue mich sehr, dass sich so viele Partner zusammengeschlossen haben. Denn die Mitarbeitenden im öffentlichen Verkehr sind systemrelevant. Für die Mobilitätswende benötigen wir sie dringend“, sagte Verkehrsminister Winfried Hermann bei der Landespressekonferenz.
Organisation und Finanzierung
Das Bündnis besteht derzeit aus 16 Institutionen, von denen das Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg (VM), der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen Baden-Württemberg (VDV) und der Verband Baden-Württembergischer Omnibusunternehmen e.V. (WBO) den Trägerkreis bilden. Zusammen mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) und der Bundesagentur für Arbeit, Regionaldirektion Baden-Württemberg, bilden diese fünf Organisationen den Steuerkreis. Alle Organisationen bringen sich mit ihrer Expertise in das Bündnis ein (siehe Organigramm, in der Cloud). Die beteiligten Trägerorganisationen VM, VDV und WBO finanzieren mit eigenen Mitteln die Geschäftsstelle.
Gemeinsames Ziel: Fachkräftemangel bekämpfen
Um den Fachkräftemangel in den Griff zu bekommen, hat das Bündnis drei Hauptaufgaben identifiziert: die Sichtbarkeit der Berufe erhöhen, Mehrwerte für die Beschäftigten schaffen und die Rahmenbedingungen verbessern.
a) Sichtbarkeit der Berufe erhöhen (Federführung Ministerium für Verkehr)
Die beteiligten Organisationen bündeln ihre Kommunikationsmaßnahmen und verschaffen mit einer gemeinsamen Kampagne zur Gewinnung von Fachkräften mehr Sichtbarkeit und Reichweite. Das Land beispielsweise hat mit seiner Mobilitätsmarke bwegt verschiedene Kommunikationskampagnen zur Gewinnung von Fachkräften gestartet (siehe unten, Link zu den Fotos). Zielgruppenorientiert spricht bwegt Berufsein- und Umsteigerinnen und Umsteiger an. Auch in Schulen und Ausbildungsmessen sollen sich Menschen verstärkt über Weiterbildungs- und Jobmöglichkeit informieren können. Das Land engagiert sich weiterhin in Sonderprogrammen, wie beispielsweise für die Aus- und Weiterbildung von Geflüchteten zur Triebfahrzeugführerinnen und -führern.
b) Rahmenbedingungen im betrieblichen Umfeld verbessern (Federführung VDV)
Grundvoraussetzung für die langfristige Bindung von Beschäftigten sind gute Arbeitsbedingungen, angemessene Löhne und Gehälter. Das Bündnis prüft außerdem in dieser Arbeitsgruppe, ob durch günstigen Wohnraum oder durch Unterstützung bei der Kinderbetreuung die Attraktivität der Berufe gesteigert werden kann.
Prof. Dr. Alexander Pischon, Vorsitzender der VDV-Landesgruppe Baden-Württemberg sagte: „Die ÖPNV-Branche benötigt in den kommenden Jahren viele motivierte und qualifizierte Arbeitskräfte, die in unseren Verkehrsunternehmen und Verkehrsverbünden einen guten ÖPNV für die Kundinnen und Kunden sicherstellen und weiterentwickeln. Damit wird neben dem finanziellen Rahmen, den Bund und Länder setzen, das Top-Thema Personal darüber entscheiden, ob die Klimaziele im Verkehrsbereich bis 2030 erreicht werden. Der VDV beteiligt sich deshalb sehr gerne am ÖPNV-Fach-kräftebündnis. Wir versprechen uns von dieser Initiative, dass gemeinsam mit den anderen beteiligten Organisationen gute Ideen zur Personalgewinnung und -bindung entwickelt und die attraktiven Berufsbilder in unserer Branche besser bekannt werden.“
c) Politische Rahmenbedingungen verbessern (Federführung WBO)
Das Bündnis möchte sich außerdem dafür einsetzen, die Hürden für den Zugang zu den entsprechenden Berufen zu senken. Dabei wird es sich beispielsweise für eine zielgerichtete Verbesserungen des Fahrerlaubnisrechts einsetzen Das Bündnis will zudem ein Konzept zur Gewinnung von Arbeitskräften aus dem Ausland erarbeiten und mittels Sprachkursen und Integrationsangeboten weitere Hürden abbauen.
„Die Vereinfachung des Erwerbs des Busführerscheins und der Berufskraftfahrerqualifikation sind Maßnahmen, die den Zugang zum Beruf beschleunigen und weitere Zielgruppen erschließen“, führte WBO-Vizepräsident Franz Schweizer aus und lenkt den Blick nach Vorarlberg in Österreich. Dort sind weitaus mehr Frauen als Busfahrerinnen tätig als in Baden-Württemberg. „Möglich macht das unter anderem ein deutlich günstigerer und schneller zu erwerbender Busführerschein. Durch spezifisch ausgestaltete Förderprogramme werden Frauen dort zudem beim Einstieg in den Beruf der Busfahrerin unterstützt“, erläutert Schweizer und sieht darin ein Konzept, das dem Fachkräftebündnis in weiten Teilen als Vorbild dienen kann. Weiteres Potenzial sieht er in der Anwerbung von Fachkräften im Ausland. „Ein gemeinsames Konzept zur Rekrutierung von Personal im Ausland durch die Branche und die Landesregierung – zusammen mit weiteren Partnerinnen und Partnern und begleitet durch Maßnahmen zur Förderung der Integration – kann dazu beitragen, ausländische Fachkräfte zu gewinnen und nachhaltig zu binden“, so Schweizer und betonte: „Ein wichtiger Aspekt in diesem Zusammenhang ist auch die Anerkennung ausländischer Führerscheine.“
Gute Arbeitsbedingungen und sichere Arbeitsplätze mit Perspektive
Maren Diebel-Ebers, stellvertretende Vorsitzende Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB) Baden-Württemberg sagte: „Gute Arbeitsbedingungen, bessere Möglichkeiten zur Vereinbarung von Beruf und Familie, aktive Mitbestimmung: Das sind die Voraussetzungen dafür, dass der öffentliche Verkehr zu einer Branche der guten Arbeit wird. Dazu gehört das klare Bekenntnis zur Tarifautonomie, zu Tarifbindung und betrieblicher Mitbestimmung. Der gemeinsame Blick von Arbeitgebern, Auftraggebern und Interessensvertretungen der Beschäftigten ist die Stärke des Bündnisses. Ganz konkret heißt das: gemeinsam daran zu arbeiten, junge Menschen für eine Ausbildung im öffentlichen Verkehr zu gewinnen und zu begeistern. Jeder Siebte zwischen 20 und 34 Jahren im Land ist ohne Ausbildung. Dieses Potenzial gilt es auch für den öffentlichen Verkehr zu heben und gleichzeitig den Menschen eine Perspektive in dieser Zukunftsbranche zu geben.“
Die Regionaldirektion Baden-Württemberg der Bundesagentur für Arbeit (BA) mit Sitz in Stuttgart versteht sich als erste Dienstleisterin auf dem Arbeitsmarkt im Land. Sie ist das Bindeglied zwischen den Agenturen für Arbeit und den Jobcentern in Baden-Württemberg und der Zentrale in Nürnberg.
„Die Berufe des öffentlichen Verkehrs sind Berufe mit Zukunft“, erklärte Martina Musati, Vorsitzende der Geschäftsführung der Regionaldirektion Baden-Württemberg der Bundesagentur für Arbeit. „Bus und Bahn bieten regionale, flexible und sichere Arbeitsplätze mit vielfältigen Perspektiven. Wer im öffentlichen Verkehr arbeitet, kann die Verkehrswende aktiv mitgestalten. Die BA arbeitet im Fachkräftebündnis mit dem Ministerium und den Partnern gemeinsam daran, die Fachkräfte-Potenziale im Inland wie auch im Ausland noch stärker zu heben und damit mehr Beschäftigte für den öffentlichen Verkehr zu gewinnen.“
Das Fachkräftebündnis für den öffentlichen Verkehr in Baden-Württemberg setzt sich wie folgt zusammen:
Weitere Bündnismitglieder
- Albtal-Verkehrs-Gesellschaft mbH (AVG)
- GoAhead Baden-Württemberg
- Landkreistag Baden-Württemberg
- Regio Baden-Württemberg
- Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB)
- SWEG Südwestdeutsche Landesverkehrs-GmbH
- Transdev Region Süd
- ver.di Landesbezirk Baden-Württemberg
- Verkehrsbetriebe Karlsruhe GmbH (VBK)
- Städtetag Baden-Württemberg
- Westfrankenbahn