Integration ukrainischer Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt gelingt – Eine Erste Bilanz

23.02.2023 | Presseinfo Nr. 3

Pressemitteilung

 

Nr. 03 / 2023 – 23. Februar 2023

 

Integration ukrainischer Flüchtlinge in den
Arbeitsmarkt gelingt – Eine Erste Bilanz

 

Seit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine ist fast ein Jahr vergangen. Dieser Krieg löste eine der größten Fluchtbewegungen seit dem zweiten Weltkrieg aus: Rund 180.000 Menschen sind zwischenzeitlich in Bayern angekommen. Nach der ersten Hoffnung wieder schnell zurückzukehren, wurde immer klarer, dass dieser Krieg wahrscheinlich noch lange dauern wird. Zu Beginn standen für die Geflüchteten zunächst humanitäre Hilfen im Vordergrund – von der Wohnmöglichkeit bis hin zur medizinischen Betreuung, da vor allem Frauen, Kinder und ältere Menschen Schutz und Sicherheit suchten. Doch der Krieg hält bis heute an: Deshalb heißt es für die Geflüchteten aus der Ukraine, sie müssen sich hier ein neues Leben schaffen, Ankommen in der Gesellschaft, Ankommen im neuen Alltag, in der Schule, Ankommen auf dem Arbeitsmarkt, um selbst für sich zu sorgen.

 

Die EU hat schnell reagiert: Mit der Aktivierung der sogenannten „Richtlinie zum vorübergehenden Schutz“ wurde eine gute Grundlage geschaffen. Zwei Drittel der ukrainischen Geflüchteten haben aufgrund dieser Richtlinie eine zunächst bis März 2024 befristete Aufenthaltserlaubnis erhalten, rund ein Fünftel eine Fiktionsbescheinigung, die bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis ausgestellt wird. Ukrainischen Geflüchteten ist es somit möglich eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen oder Leistungen vom Jobcenter zu beziehen. Seit dem 1. Juni 2022 wurden zudem die Leistungen zum Lebensunterhalt, mit der Übernahme in das Grundsicherungssystem des Sozialgesetzbuch II im Bedarfsfall, schnell in die Förderstruktur der Jobcenter integriert.

 

Für die Teilhabe am bayerischen Arbeitsmarkt bringen ukrainische Geflüchtete gute Voraussetzungen mit
 

Im Oktober 2022, dem aktuellen Berichtsmonat, sind in Bayern rund 59.200 erwerbsfähige Leistungsberechtigte gemeldet: Davon sind 75 Prozent weiblich (44.430) und 67 Prozent sind zwischen 25 und 55 Jahre, je 15 Prozent sind Jüngere und Ältere über 55 Jahre.
Die Zahl der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten ist seit Februar 2022 bis zum aktuellen Berichtsmonat (Okt. 22) um 57.084 gestiegen. Arbeitslos gemeldet sind davon 22.878 (Jan.23), das entspricht einem Aufwuchs in der Arbeitslosigkeit von 21.795 im Zeitraum Februar 2022 bis Januar 2023. Insgesamt 
sind in Bayern im Januar 271.289 Personen arbeitslos. Der Anteil der Ausländer beträgt 37,7 Prozent (102.346), davon sind 22.878 ukrainischen Arbeitslosen, das entspricht einem Anteil von rund 8,4 Personen an allen Arbeitslosen. Die Anzahl der Arbeitslosen ist also zunächst gestiegen, nimmt aber monatlich betrachtet, weiterhin ab. Das liegt zum einen an der Teilnahme an Sprach- und Integrationskursen des BAMF (Arbeitslosenstatus ist beendet, Erfassung über die Unterbeschäftigung), zum anderen an der guten Integration in Arbeit.

„Eines ist mir aber angesichts des sehr guten Qualifikationsniveaus der ukrainischen Geflüchteten sehr wichtig: Wir informieren die Geflüchteten nicht nur frühzeitig und umfassend über unsere Angebote und unsere Leistungen, sondern wir wollen nach Möglichkeit ausbildungsadäquat beraten und natürlich auch vermitteln, damit erworbene Qualifikationen nicht verloren gehen. Das sage ich auch mit Blick auf die vielen geflüchteten Frauen, die besonders qualifiziert sind“, bestärkt Holtzwart. Bayerns Innenminister Joachim Hermann ergänzt: „Gerade die ukrainischen Kriegsflüchtlinge sind für unseren Arbeitsmarkt wegen ihres hohen Bildungsniveaus eine große Chance. Ausreichend Fachkräfte sind ein ent­schei­dender Erfolgsfaktor für unsere Wirt­schaft und unseren Wohlstand in Bayern. Wir dürfen uns auch nicht damit abfinden, dass etwa gut ausgebildete ukrainische Frauen in Helferberufe einmünden und dort verbleiben! Das ist nicht nur für die Betroffenen selbst unbefriedigend, sondern wird auch der bestehenden Nachfrage an Fachkräften nicht gerecht.“

Hohe Bereitschaft zum Deutschlernen
 

Aus einer bundesweiten Befragung des IAB geht hervor, dass nur wenige der Geflüchteten über gute deutsche Sprachkenntnisse verfügen: Acht von zehn Geflüchteten gaben in der Befragung an, die zwischen August und Oktober 2022 durchgeführt wurde, dass sie keine oder eher schlechte Deutschkenntnisse besitzen. Zum Befragungszeitpunkt besuchten schon 51 Prozent der erwachsenen Geflüchteten einen Deutschkurs oder hatten diesen abgeschlossen.

36 Prozent haben dabei einen Integrationskurs oder ein anderes (Sprach-)Kursangebot des BAMF genutzt. Die Zahl der Kursteilnehmenden ist mit zunehmender Aufenthaltsdauer schnell gestiegen: Zwei Monate nach dem Zuzug besuchten 9 Prozent der Befragten einen Deutschkurs, nach vier Monaten 33 Prozent und nach sechs Monaten 49 Prozent (Quelle: https://iab.de/bericht-gefluechtete-ukraine)

„Aktuell sind in Bayern 21.032 der gemeldeten erwerbsfähigen Personen in Integrations- und berufsbezogenen Deutschsprachkursen. Große Abgangszahlen erwarten wir im April und Mai: 16.141 Ukrainer:innen werden nach jetzigem Stand die Integrations- und Berufssprachkurse beenden und stehen dem Arbeitsmarkt zur Verfügung. Ich würde mich freuen, wenn die kompletten Integrationsangebote stärker berufsbegleitend stattfinden könnten und die Geflüchteten nicht so lange bis zur Aufnahme einer Beschäftigung warten müssen. Die Jobcenter bereiten sich bereits jetzt vor und beraten entsprechend, um die Geflüchteten aus der Ukraine gut in Arbeit zu bringen. Diese Ukrainer:innen haben damit sehr gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt unterzukommen.“, so Holtzwart.

Sozialversicherungspflichtige Beschäftigung von Geflüchteten aus der Ukraine: Verglichen mit der Gesamtbevölkerung ihres Herkunftslandes haben die in Deutschland lebenden Geflüchteten einen hohen Bildungsabschluss
 

Von Februar bis November 2022 (aktuellste hochgerechnete Daten) ist diese Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten Ukrainer:innen um 12.188 auf 23.900 Personen angestiegen. Ukrainerinnen und Ukrainer arbeiten in allen Branchen. Ein Großteil, 38 Prozent, arbeitet im Verarbeitenden Gewerbe (2.804), im Gastgewerbe (2.503) oder Handel (2.274) beschäftigt. Aber auch in den Branchen Immobilien, freie, wissenschaftliche und technische Dienstleistungen sind 1.721 und in der Metall-, Elektro- und Stahlindustrie haben 1.559 Ukrainer:innen eine Beschäftigung gefunden.

Erwerbstätigkeit, Berufsausbildung, Maßnahmen oder Rückkehr bzw. Weiterreise in andere Länder sind Gründe für Abmeldungen bei den bayerischen Agenturen für Arbeit
 

Zwischen Februar 2022 und Januar 2023 haben insgesamt 49.109 Personen ihre Arbeitslosigkeit beendet. Ein großer Teil, 27.419, ist wegen Ausbildungsbeginn oder verschiedene Maßnahmeteilnahmen u. a. Integrationskurse des BAMF (21.532), abgegangen, rund 9.000 Menschen sind abgegangen ohne Gründe, d. h. sie sind zurückgekehrt in ihre Heimat, weitergereist in ein anderes Land oder haben sich länger nicht mehr gemeldet. Fast 8.500 ukrainische Geflüchtete sind bis Juni 2022 in Erwerbstätigkeit eingemündet. Das zeigt eine hohe Beweglichkeit und eine hohe Eigenmotivation.

 

„Diese Zahlen sind beeindruckend angesichts der relativ kurzen Zeit in der die Ukrainer:innen in Bayern sind. Wir haben in Bayern mit 6 Mio Beschäftigten einen Höchststand an sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung; Angesichts der 147.000 gemeldeten Stellen bayerischer Unternehmen, könnte diese Zahl noch höher sein. Allein aus dem Bestand der deutschen Arbeitslosen können wir diesen hohen Bedarf nicht mehr bedienen. Die Ukrainer:innen mit ihrer guten Qualifikation und dem Willen zu arbeiten, könnten hier einen großen Beitrag für die bayerische Wirtschaft leisten. Angesichts dieser Zahlen zeigt sich auch: Beschäftigungswachstum braucht auch ausländische Arbeits- und Fachkräfte!“, so Holtzwart.

 

Beschäftigungswachstum braucht Zustrom aus dem Ausland

 

In der langfristigen Betrachtung waren 2007 4,4 Mio. Menschen beschäftigt, 2021 waren es schon 5,7 Mio., aktuell sogar schon bei knapp 6 Mio. (aktuellste hochgerechnete Daten von Nov. 2022).

Im Jahr 2007 betrug der Ausländeranteil unter den Beschäftigten noch 7,7 Prozent oder absolut 343.065, im Jahr 2021 hingegen hat sich die Zahl mehr als verdoppelt auf einen Anteil von 16,2 Prozent oder absolut 934.080 Personen.

„Wir sehen, dass die Menschen, die zu uns gekommen sind, nicht nur Ukrainer:innen, mittlerweile in Bayern eine Heimat gefunden haben und gut angekommen sind: In der Gesellschaft, im Arbeitsleben und das freut uns sehr, auch weil Bayern dringend Arbeitskräfte benötigt. Wir freuen uns über alle, die hier ankommen und womöglich bessere Chancen als im Herkunftsland haben, sei es wegen Krieg oder schlechter wirtschaftlicher Lage“, so Ralf Holtzwart, Vorsitzender der Geschäftsführung der Regionaldirektion Bayern, der Bundesagentur für Arbeit.

 

Bemerkung: Partizipation ukrainischer Staatsangehöriger am Arbeitsmarkt Vorbemerkungen
 

  • Mit dem Aufenthaltstitel nach § 24 AufenthG ist der vollständige Zugang für Geflüchtete aus der Ukraine zum Arbeitsmarkt grundsätzlich geöffnet.
     
  • Aber erst mit dem Übergang zu Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II wurden die Geflüchteten aus der Ukraine in den Statistiken der Bundesagentur für Arbeit zur Arbeitslosigkeit und Grundsicherung für Arbeitsuchende sichtbar.
     
  • Seit 1. Juni 2022 können geflüchtete Ukrainerinnen und Ukrainer bei Hilfebedürftigkeit Leistungen aus der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II erhalten. Für die Beantragung galt eine Übergangsfrist von drei Monaten.
     
  • Um die Leistungsgewährung möglichst schnell zu realisieren, haben die Jobcenter schon vor dem genannten Stichtag damit begonnen, Daten von Geflüchteten zu erfassen. Das erklärt den merklichen Anstieg von registrierten ukrainischen Staatsangehörigen schon im Mai.
  • Die Berichterstattung über etliche Strukturmerkmale von geflüchteten Ukrainerinnen und Ukrainern ist nach wie vor qualitativ eingeschränkt.
  • Aufgrund der teilweise unvollständigen Erfassung können folgende Merkmale von ukrainischen Staatsangehörigen aktuell nicht berichtet werden:
    • Aufenthaltsstatus und damit Fluchthintergrund
    • Migrationshintergrund
    • Einreisedatum
    • Schulbildung und Berufsausbildung
    • Zielberuf/Anforderungsniveau
    • Zugangsgründe