Der hessische Arbeitsmarkt zeigt sich im Berichtsmonat Juli weiterhin stabil. Trotz des schwierigen Umfelds aus Rezessionssorgen, sinkenden Konjunkturprognosen und drohender Energiekrise ist die Nachfrage nach Fachkräften immer noch hoch und die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten steigt weiter an. Saisonbereinigt ist weiterhin ein Rückgang der Arbeitslosenzahlen zum Vorjahr zu verzeichnen.
Rund 167.000 Frauen und Männern zählten im Berichtsmonat Juli (Stichtag: 12.07.22) als arbeitslos. Die Arbeitslosenquote stieg auf 4,9 Prozent. Vor einem Jahr lag die Arbeitslosenquote noch bei 5,1 Prozent.
„Der aktuelle Anstieg der Arbeitslosen ist in erster Linie auf den saisonalen Zugang junger Menschen unter 25 Jahren und den sogenannten Rechtskreiswechsel geflüchteter Personen aus der Ukraine zurückzuführen. Erfahrungsgemäß wird mit Ausbildungsstart und Studienbeginn die Zahl junger Menschen spätestens im Oktober wieder deutlich sinken. Allerdings ist davon auszugehen, dass im Verlauf der nächsten Monate weitere Ukrainer*innen auf Leistungen aus der Grundsicherung angewiesen sein werden. Aktuell befinden sich die meisten noch in den Integrationssprachkursen und stehen noch nicht dem Arbeitsmarkt zur Verfügung. Ich sehe aber gute Chancen für diejenigen, die bereits jetzt Sprachkenntnisse aufweisen, einen Job zu finden“, erklärt Joav Auerbach, Geschäftsführer Operativ der Regionaldirektion Hessen.
Ausbildungsmarkt: Mehr unbesetzte Ausbildungsplätze als unversorgte Bewerber*innen
Die Nachfrage nach Auszubildenden für das Ausbildungsjahr 2021/2022 ist im Berichtsmonat nochmals gestiegen. Bisher wurden etwa 33.500 Ausbildungsplätze gemeldet: Ein Anstieg um 5,4 Prozent zum Vorjahresmonat. Ihnen gegenüber stehen rund 31.000 junge Menschen auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz, die sich bei den hessischen Agenturen für das aktuelle Ausbildungsjahr gemeldet haben. Das sind -4,8 Prozent weniger als im Juli letzten Jahres. Als unversorgt zählten zum Stichtag noch etwa 10.270 Bewerber*innen. Etwa 14.690 Ausbildungsplätze waren Mitte Juli noch unbesetzt.
„Angesichts der vielen unbesetzten Ausbildungsstellen wird der Nachvermittlungsaktion in den nächsten Monaten ein großer Stellenwert zukommen. Alle Akteure – Kammern wie Bundesagentur – sollten dabei ihre Kräfte und Aktivitäten bündeln. Aus der Erfahrung wissen wir, dass von Oktober bis Dezember noch einiges möglich ist und viele Ausbildungsplätze noch besetzt werden können. Die Chancen einen Ausbildungsplatz zu finden, waren noch nie so gut. Daher sollten alle jungen Menschen, die noch auf der Suche sind, sich an die Berufsberatungen der Agenturen für Arbeit wenden“, so Auerbach.
Gute Aussichten auf einen Ausbildungsplatz haben Bewerber*innen aktuell noch in vielen Bereichen: im Einzelhandel/Verkauf, als Bürofachkraft, als Fachkraft für Lagerlogistik, als Medizinische Fachangestellte, als Bankkauffrau/-mann oder als Köch/in.
Die meisten unbesetzten Ausbildungsplätze gibt es derzeit noch in den Bezirken der Agenturen für Arbeit Bad-Hersfeld-Fulda (Stellen-Bewerber-Relation 3,6:1), Korbach (2,4:1) und Limburg-Wetzlar (2,2:1).
Arbeitslosigkeit in Hessen: Weiterer Anstieg der Arbeitslosenzahlen
Die Arbeitslosenzahlen sind im Vergleich zum Vormonat gestiegen. Im Juli waren in Hessen 167.094 Frauen und Männer arbeitslos gemeldet. Das waren 8.119 (+5,1 Prozent) mehr als im Juni und 9.485 (-5,4 Prozent) weniger als vor einem Jahr. Die Arbeitslosenquote stieg im Vergleich zum Vormonat um 0,3 Prozentpunkte auf 4,9 Prozent an. Im Juli 2021 lag die Quote bei 5,1 Prozent. Saisonbereinigt stieg die Arbeitslosigkeit zum Vormonat um 1.000 Personen an. Zum Vorjahr konnte ein Rückgang um 9.000 Personen verzeichnet werden.
Der Anstieg der Arbeitslosigkeit zum Vormonat betraf alle betrachteten Personengruppen. Wie für den Sommermonat üblich stieg die Zahl junger Menschen bis unter 25 Jahren zum Schulende deutlich an (+16,5 Prozent). Weitere Zuwächse zeigten sich u.a. bei der Gruppe der Frauen (+7,7 Prozent) sowie der Menschen ohne deutschen Pass (+9,1 Prozent). Im Vorjahresvergleich reduzierte sich bei allen Personengruppen die Arbeitslosenzahl. Die Ausnahme bilden - bedingt durch die Aufnahme geflüchteter Menschen aus der Ukraine in die Grundsicherung - Personen ohne deutschen Pass. Ihre Zahl stieg zum Vorjahr um +8,4 Prozent an.
Die Unterbeschäftigung, die auch Personen in entlastenden arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen und in kurzfristiger Arbeitsunfähigkeit mitzählt, belief sich im Juli 2022 auf 219.345 Personen. Das waren rund 12.400 (-5,4 Prozent) weniger als vor einem Jahr.
Geflüchtete aus der Ukraine: Mehrheitlich Frauen im Alter von 25 bis 55 Jahren
Von den aktuell etwa 75.000 arbeitslos gemeldeten Menschen ohne deutschen Pass kommen bisher rund 13.100 aus der Ukraine, die zumeist auf Leistungen aus der Grundsicherung (SGB II) angewiesen sind. Arbeitslose im SGB II mit ukrainischer Staatsbürgerschaft sind mehrheitlich zwischen 25 und 55 Jahren alt (7.635) und weiblich (10.258 oder 78,9 Prozent).
Entwicklung in den Rechtskreisen: Mehr Menschen in der Grundsicherung
Mit dem Rechtskreiswechsel geflüchteter Menschen aus der Ukraine vom Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) in die Grundsicherung (SGB II) stieg die Zahl der Personen, die Leistungen aus der Grundsicherung erhalten, in Hessen an.
Insgesamt zählten im Berichtsmonat 68,7 Prozent (114.734) aller Arbeitslosen in Hessen zum Rechtskreis SGB II (Grundsicherung) und somit 5,7 Prozent mehr als noch im Vormonat. Zum Rechtskreis SGB III (Arbeitslosenversicherung) gehörten 31,3 Prozent (52.360) aller Arbeitslosen - etwa 4,0 Prozent mehr als im Juni 2022.
Im Bereich der Arbeitslosenversicherung (SGB III) sank die Zahl der Arbeitslosen zum Vorjahr um -22,3 Prozent. In der Grundsicherung (SGB II) wurde ein Plus von +5,1 Prozent erfasst.
Offene Stellen: Arbeitskräftenachfrage weiterhin stabil
Die Nachfrage nach Arbeitskräften ist weiterhin hoch. Der Stellenbestand der hessischen Agenturen weist mit rund 54.600 offenen Stellen noch immer einen deutlichen Zuwachs gegenüber dem Vorjahr (+13,7 Prozent) auf. Verglichen mit dem Vormonat zeigte sich die Nachfrage rückläufig (-1,5 Prozent).
Sozialversicherungspflichtige Beschäftigung: 55.600 Beschäftigungsverhältnisse mehr als im Vorjahr
Der hochgerechnete vorläufige Wert der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten belief sich im Mai 2022 auf 2.708.400 Personen. Damit ergibt sich ein Zuwachs gegenüber dem Vorjahr um +2,1 Prozent oder 55.600 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte. Hessen liegt damit leicht über dem Niveau des Bundes (+2,0 Prozent).
Ein Minus im Vergleich zum Vorjahr verzeichnet weiterhin allein das Verarbeitende Gewerbe (-0,3 Prozent). Das Gastgewerbe konnte wiederholt mehr Beschäftigte ausweisen (+7,0 Prozent) und verzeichnet damit den größten relativen Zuwachs. Der Beschäftigtenstand der Vorkrise konnte trotzdem noch nicht erreicht werden. Mit 79.900 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten liegt das Gastgewerbe noch rund 10,0 Prozent unter den Zahlen von Mai 2019.
Entwicklung in den Regionen: Arbeitslosenquote in Fulda bei 3,0 Prozent
Weiterhin weist der Landkreis Fulda die niedrigste Arbeitslosenquote (3,0 Prozent) in Hessen auf. Aktuell liegen acht der 26 hessischen Kreise unter der 4-Prozent-Marke. Dazu zählten der Kreis Wetterau (3,7 Prozent) sowie die Landkreise Bergstraße (3,8 Prozent), Rheingau-Taunus (3,8 Prozent), Waldeck-Frankenberg (3,9 Prozent), Hersfeld-Rotenburg (3,9 Prozent), Schwalm-Eder (3,9 Prozent), Hochtaunus (3,9 Prozent).
Die höchsten Quoten weisen die Städte Offenbach (8,3 Prozent), Kassel (7,5 Prozent), Wiesbaden (7,5 Prozent), Frankfurt (5,9 Prozent), Darmstadt (5,1 Prozent) sowie der Kreis Gießen (5,5 Prozent) auf.
Entwicklung konjunkturelle Kurzarbeit: Leichter Rückgang der Anzeigen – realisierte Kurzarbeit sinkt
Im Berichtsmonat Juli erreichten die Agenturen für Arbeit in Hessen 117 neue Anzeigen (Juni: 122) für rund 2.500 Personen.
Im Januar 2022 bezogen rund 85.700 hessische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in rund 7.400 Betrieben konjunkturelles Kurzarbeitergeld. Erste Hochrechnungen gehen von einem Rückgang der Zahlen für die Folgemonate aus. Für April 2022 werden rund 3.200 Betriebe und knapp 30.400 Kurzarbeitende in Hessen prognostiziert.
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