Das IAB Hessen hat in seiner aktuellen Studie analysiert, in welchem Ausmaß Tätigkeiten in Berufen bereits heute durch den Einsatz moderner Technologien ersetzt werden könnten. Man spricht dann in der Forschung von einem Substituierbarkeitspotenzial. Ein Schwerpunkt der Betrachtung ist die Entwicklung von 2019 bis 2022.
Vor allem Hochqualifizierte bekommen Digitalisierung verstärkt zu spüren
Das Substituierbarkeitspotenzial in den Fachkraftberufen ist mit knapp 62 Prozent auch in 2022 noch immer am höchsten. Neu ist aber, dass in Hessen der Anteil der Tätigkeiten, die schon heute potenziell von Computern erledigt werden könnten, besonders stark in den Expertenberufen stieg, also in Berufen, in denen typischerweise Hochqualifizierte beschäftigt sind. 2019 lag das Potenzial in Hessen noch bei 26 Prozent der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze. Drei Jahre später (2022) war mit 36 Prozent jeder dritte Arbeitsplatz ersetzbar. Darin zeigt sich, dass durch den Einsatz von neuen digitalen Technologien zunehmend auch komplexe Tätigkeiten automatisiert werden können.
Hohe Anstiege bei IT- und naturwissenschaftlichen Dienstleistungsberufen
Insbesondere der inzwischen mögliche Einsatz generativer KI hat dazu beigetragen, dass zwischen 2019 und 2022 eine Reihe von Tätigkeiten substituierbar geworden sind, die vorher als nicht automatisierbar galten, wie etwa das Programmieren von Software. Zwar haben Tätigkeiten in Fertigungs- und fertigungstechnischen Berufen immer noch die höchsten Substituierbarkeitspotenziale (knapp 87 Prozent bzw. 75 Prozent), allerdings verzeichnen vor allem IT- und naturwissenschaftliche Dienstleistungsberufe (+9,2 Prozentpunkte) enorme Zuwächse.
Anpassung von Kompetenzen ist entscheidend für die Transformation
Die vorliegende Studie zeigt, wie sehr sich die Arbeitswelt bereits verändert hat. Ob diese Potenziale tatsächlich ausgeschöpft werden, hängt von vielen Faktoren ab. Eher nicht ersetzt wird, wenn menschliche Arbeit wirtschaftlicher, flexibler oder von besserer Qualität ist bzw. wenn rechtliche oder ethische Hürden einer Substitution entgegenstehen.
Durch die Digitalisierung werden Tätigkeiten wegfallen und neue Tätigkeiten entstehen. Die hohen Substituierbarkeitspotenziale sind daher nicht als Indikator für drohende Arbeitslosigkeit zu betrachten, sondern für den Wandel der Arbeitswelt, der am besten mit passgenauen Qualifizierungs- und Weiterbildungsmaßnahmen unterstützt werden kann.
Da der Anstieg der Substituierbarkeitspotenziale in den letzten Jahren verstärkt die Fachkraft- und Expertenberufe betraf, sind Qualifizierung und Weiterbildung nicht nur auf Helferniveau, sondern auch bei den qualifizierten Arbeitskräften erforderlich. In vielen Branchen sollen und müssen sich Unternehmen und deren Belegschaft darauf einstellen, dass Weiterbildung und Qualifizierung unerlässlich sind, um die Arbeit von Morgen bewerkstelligen zu können. Für Unternehmen und Beschäftigte wird vor allem die permanente Weiterqualifizierung bzw. lebenslanges Lernen noch mehr an Gewicht gewinnen.
„Schon heute zeichnet sich ab, dass Technologien wie KI nicht nur Routineaufgaben, sondern auch anspruchsvolle Tätigkeiten übernehmen können. Einige Berufe wird es so in Zukunft nicht mehr geben,“ sagt Dr. Frank Martin, Leiter der Regionaldirektion Hessen. Aber die Angst vor Massenarbeitslosigkeit hält er für unangebracht: „Berufe bestehen in der Regel nicht aus einer einzelnen Tätigkeit, sondern erfordern meistens eine Kombination aus vielen Kompetenzen, die auch für andere Jobs nützlich sein können. Deswegen ist es heute schon nichts Ungewöhnliches, dass Menschen in Berufen arbeiten, die sie gar nicht erlernt haben,“ so Martin weiter. „Betriebe und Beschäftigte sind allerdings gut beraten, wenn sie sich frühzeitig auf die notwendigen Weiterbildungs- und Anpassungsqualifizierungen vorbereiten. Die Agenturen für Arbeit in Hessen stehen als verlässliche Partner auch bei der Qualifizierung von Beschäftigten an der Seite der Betriebe und unterstützen mit Beratung und finanziellen Hilfen.“
Hintergrundinformation:
IAB-Regional berichtet über die Forschungsergebnisse des Regionalen Forschungsnetzes des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit (IAB). Schwerpunktmäßig werden die regionalen Unterschiede in Wirtschaft und Arbeitsmarkt – unter Beachtung lokaler Besonderheiten – untersucht. IAB-Regional erscheint in loser Folge und wendet sich an Wissenschaft und Praxis.
Die Studie ist abrufbar unterfolgendem Link:
https://doku.iab.de/regional/H/2024/regional_h_0224.pdf
Verfügbarkeit der Ergebnisse für alle hessischen Kreise:
Um die regionalen Unterschiede im hessischen Arbeitsmarkt zu berücksichtigen, werden neben den hessenweiten Ergebnissen zusätzlich Ergebnisse auf Kreisebene bereitgestellt: https://iab.de/datentool-2024-substituierbarkeitspotenzial-in-hessen/
Job-Futuromat: Informationen zu Entwicklungen in Berufen:
Seit der ersten Berechnung vom IAB in 2013 werden die Substituierbarkeitspotenziale alle drei Jahre neu bestimmt. Informationen zur Höhe und Entwicklungen in den jeweiligen Berufen sowie den potentiellen Technologien finden Sie im IAB-Job-Futuromat: https://job-futuromat.iab.de/ .