Die jüngsten Bemühungen Schleswig-Holsteins, Geflüchteten auch mit geringen Sprachkenntnissen zügig den Weg in Beschäftigung zu bahnen, sei richtig. „Es muss Priorität haben, diese Menschen in Arbeit zu bringen, zugleich aber diejenigen abzusichern, die trotzdem nicht in Arbeit kommen“, sagte Grimm. Die gebürtige Schleswig-Holsteinerin ist Mitglied im Sachverständigenrat der Bundesregierung zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Lage – den so genannten „fünf Weisen“. In ihrem jüngsten Gutachten hatten die Wirtschaftsweisen – sofern die Politik nicht gegensteuert – ein Wachstum bis 2028 von nur 0,4 Prozent prognostiziert. Um das Erwerbspotenzial konstant zu halten, sei zudem eine Netto-Zuwanderung von 400.000 Menschen nötig.
Madsen hatte zuvor gemeinsam mit Biercher ein Pilot-Projekt im Rahmen des bundesweiten „Job-Turbo“ angekündigt. „Wir haben in den letzten Monaten unsere Kontakte in die Wirtschaft genutzt, um Unternehmerinnen und Unternehmer dafür zu öffnen, Geflüchtete auch mit minimalen Sprachkenntnissen einzustellen“, sagte Madsen. Rund ein Dutzend Betriebe – darunter auch große Unternehmen – hätten bereits Interesse signalisiert. „Es ist ein Versuch wert, denn die Wirtschaftsweisen schreiben uns ja nicht umsonst ins Stammbuch, dass wir diese Köpfe brauchen, wenn wir den Anschluss nicht verlieren wollen.“ Er selbst habe als gebürtiger Däne ebenfalls die deutsche Sprache erst im Job richtig gelernt.
Biercher sagte dazu: „Ich kann dies nur bestätigen. In den vergangenen Wochen haben wir unsere Bemühungen zur schnelleren Arbeitsmarktintegration Geflüchteter in diversen Formaten wie Bewerbertage, Informationsveranstaltungen und Betriebsbesuche im Land intensiviert. Mit ersten Erfolgen: So ist die Zahl der Personen, die aus der Arbeitslosigkeit heraus eine Beschäftigung aufgenommen haben, in den letzten beiden Monaten im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um ein Drittel angestiegen. Es geht also in die richtige Richtung. Wir werden unsere Anstrengungen weiter verstärken, um noch höhere Erfolge erzielen zu können.“
Madsen appellierte vor diesem Hintergrund an Betriebsinhaberinnen und Betriebsinhaber, Arbeitskräfte aus dem Ausland auch schon mit geringeren Sprachkenntnissen eine Chance zu geben und die Möglichkeiten des berufsbegleitenden Sprachunterrichts, die jetzt nochmals praxisnäher ausgestaltet werden, zu nutzen. Schleswig-Holstein würden bis zum Jahr 2035 rund 180.000 Arbeitskräfte fehlen, aber nur rund 2.200 Menschen aus Drittstaaten jährlich eine Beschäftigung im Rahmen der Fachkräfteeinwanderung aufnehmen. „Um unsere Lücke zu schließen benötigen wir aber eine jährliche Netto-Arbeitskräftezuwanderung zwischen 12.000 und 13.000 qualifizierten Menschen“, so der Minister. Die Zeiten, in denen Arbeitgebende sich die optimale Arbeitskraft aus einem Heer von gut qualifizierten Arbeitslosen aussuchen konnten, seien lange vorbei.
Der Minister erinnerte in dem Zusammenhang auch an das im Dezember eröffnete „Welcome Center Schleswig-Holstein“. Das vom Land mit knapp 13 Millionen Euro geförderte Projekt ziele darauf ab, die Sichtbarkeit und Attraktivität Schleswig-Holsteins als Zuwanderungsland zu erhöhen und somit die Erwerbsmigration deutlich zu steigern. Zur Attraktivitätssteigerung gehöre auch, Schleswig-Holstein so zu positionieren, dass zugewanderte Arbeitskräfte und ihre Angehörigen gerne dauerhaft im echten Norden leben und arbeiten möchten so Minister Madsen.
Wirtschaftsweise Grimm mahnt unterdessen zur Eile: „Wir befinden uns in einem Wettlauf gegen die Zeit, weil das Wachstumspotenzial insbesondere durch den demografischen Wandel gedämpft wird“, sagte die Ökonomin. In den kommenden Jahren werde die Generation der Babyboomer aus dem Erwerbsleben ausscheiden. Wenn aber die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden schrumpfe, werde auch weniger produziert. Grimm: „Wir könnten also in eine Situation geraten, in der es Kindern nicht mehr besser, sondern schlechter geht als ihren Eltern. Für den sozialen Zusammenhalt in Deutschland könnte das Sprengstoff sein.“