„In NRW ist die Arbeitslosigkeit mit der erwartungsgemäß mit dem September einsetzenden Herbstbelebung gesunken. Allerdings ist der Start in die zweite Jahreshälfte am Arbeitsmarkt nicht ganz so dynamisch verlaufen, wie wir es aus den vergangenen Jahren kennen“ sagte Roland Schüßler, Vorsitzender der Geschäftsführung der Regionaldirektion NRW der Bundesagentur für Arbeit. „Wenn wir auf alle Arbeitslosen blicken, ist in diesem September die Arbeitslosigkeit mit rund 12.700 arbeitslos gemeldeten Menschen weniger deutlich zurückgegangen als im Vergleich zum langjährigen Durchschnitt von rund 20.000 Personen. In seiner Grundverfassung ist der Arbeitsmarkt weiterhin solide. Doch hinterlässt die schwache Konjunktur auch hier Spuren.“
Vom Beginn der Herbstbelebung konnten vor allem jüngere Menschen profitieren, sagte Schüßler: „Der positive Trend aus dem August hat sich fortgesetzt. Viele Schülerinnen und Schüler sind zum Ausbildungsbeginn Anfang September in ihre betriebliche Ausbildung gestartet. Zum anderen haben viele Absolventen, die vor der Sommerpause ihre Ausbildung erfolgreich abschließen konnten, jetzt ihre erste Anstellung als qualifizierte Fachkraft angetreten.“ „Das zeigt“, sagte der Arbeitsmarktexperte, „Fachkräfte sind am Arbeitsmarkt gefragt. Junge Absolventen sind besonders willkommen, da sie über das neueste Wissen und die aktuellsten Qualifikationen verfügen.“
Der Arbeitsmarkt in NRW steht derzeit vor zwei maßgebliche Herausforderungen: „Neben der derzeit schwächeren konjunkturellen Lage stehen wir auch vor einer strukturellen Herausforderung“, sagte Schüßler. „Die Unternehmen spüren seit Monaten die Auswirkungen der schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Eine direkte Folge ist, dass sie weiterhin vorsichtig mit Neueinstellungen sind und diese lieber hinauszögern.“ Zu beobachten ist aber gleichzeitig auch, dass die Zahl der Menschen, die im September ihre Arbeit verloren haben, nicht angestiegen ist, sondern sogar weiterhin deutlich unter denen der Boomjahre ab 2016 lag. „Die Unternehmen halten ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ein Grund ist, dass es Engpässe bei qualifizierten Fachkräften gibt. Mit rund 86.000 Stellen sind fast 60,0 Prozent aller bei den Agenturen für Arbeit gemeldeten Stellen für Fachkräfte ausgeschrieben. Gleichzeitig verfügen aber 400.000 arbeitslose Menschen – das sind ebenfalls fast 60 Prozent - nicht über eine für diese Stellen erforderliche Qualifikation. Das ist eine strukturelle Herausforderung für Wirtschaft und Gesellschaft.“
Für den Arbeitsmarktexperten ist es daher klar, dass Investitionen in die Qualifizierung und Weiterbildung dieser Menschen notwendig sind: „Die Wirtschaft braucht die Arbeitskraft dieser Menschen. Auch in konjunkturell angespannten Zeiten. Und wenden wir die Perspektive, sehen wir deutlich: Arbeitslosigkeit ist eine Frage der Qualifikation.“ Deutlich wird das im Vergleich der Arbeitslosenquoten von qualifizierten Fachkräften und von Menschen ohne eine abgeschlossene berufliche oder akademische Ausbildung. Bei Fachkräften steht die Quote bei 3,4 Prozent: „Während sie bei Menschen ohne Ausbildung bei 23,1 Prozent liegt. Besser kann man kaum illustrieren, dass auch für die Menschen die Qualifizierung der beste Weg ist. Ohne eine gute Qualifizierung werden viele die Arbeitslosigkeit kaum dauerhaft verlassen können.“
Im September stieg die Zahl an Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Weiterbildungskursen um 6,9 Prozent oder 3.217 Menschen auf derzeit 49.670 Personen. „Das sind über 12,0 Prozent mehr als vor einem Jahr – es entscheiden sich mehr Menschen für eine Weiterbildung. Viele von Ihnen werden die Programme als Fachkraft verlassen. Das ist ein richtiges Signal zur richtigen Zeit!“
Das bringe aber auch Pflichten für die arbeitsmarktpolitischen Partner am Arbeitsmarkt mit sich, ist Schüßler überzeugt: „Die Menschen benötigen Mut, sich auf eine längere, abschlussorientierte Qualifizierung einzulassen. Deshalb ist es an uns, dafür zu sorgen, dass die Qualifizierungs- und Weiterbildungsangebote auch halten, was sie versprechen. Bieten sie den Menschen das Rüstzeug, das sie in einer sich wandelnden Arbeitswelt benötigen? Welche Inhalte sind das? Und wie wollen wir die Inhalte vermitteln? Muss es immer eine mindestens zweijährige Umschulung sein? Oder geht nicht auch eine schrittweise Teilqualifikation, bei der die Lerninhalte in Modulen vermittelt werden? Welche Formen der Weiterbildung sind besonders geeignet, Menschen und Unternehmen am besten weiterzubringen?“
Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung
Durch die einsetzende Herbstbelebung sank im September die Arbeitslosigkeit in NRW um 12.723 Personen oder 1,8 Prozent auf 712.438 arbeitslos gemeldete Menschen. Im langjährigen Durchschnitt beendeten zum Beginn des Herbstes rund 20.000 Menschen ihre Arbeitslosigkeit. Vor einem Jahr lag die Arbeitslosigkeit um 4,5 Prozent oder 30.643 Personen niedriger. Die Arbeitslosenquote sank im September um 0,2 Prozentpunkte auf 7,2 Prozent. Im Vergleich zum Vorjahr lag sie um 0,2 Prozentpunkte höher.
Am stärksten profitierten junge Menschen unter 25 Jahren von der Belebung am Arbeitsmarkt. 5,8 Prozent oder 3.786 junge Menschen konnten ihr Arbeitslosigkeit beenden, u.a. durch die Aufnahme einer Ausbildung oder einer Arbeitsstelle – häufig der ersten nach der abgeschlossenen Ausbildung. Dadurch sank die Jugendarbeitslosigkeit in NRW auf 60.988 gemeldeten Menschen unter 25 Jahre. Das waren 4.025 Personen oder 7,1 Prozent mehr als vor einem Jahr. Die Arbeitslosenquote der Unter-25-Jährigen sank um 0,4 Punkte auf 5,8 Prozent. Vor einem Jahr lag sie 0,3 Punkte niedriger.
In beiden sogenannten Rechtskreisen sank im September die Arbeitslosigkeit. Im Bereich der Arbeitslosenversicherung nach dem Sozialgesetzbuch III (SGB III), dem Aufgabenbereich der Arbeitsagenturen, sank die Arbeitslosigkeit im September im Vergleich zum Vormonat um 6.152 Personen oder 3,0 Prozent auf nun 199.544 arbeitslos gemeldete Menschen. Vor einem Jahr waren 11,5 Prozent oder 20.584 Personen weniger arbeitslos gemeldet im SGB III.
Im Bereich des Bürgergeldes, der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Sozialgesetzbuch II (SGB II), dem Aufgabenbereich der Jobcenter, sank die Arbeitslosigkeit im September um 1,3 Prozent oder 6.571 Personen. Insgesamt betrug die Arbeitslosigkeit im SGB II 512.894 Personen, 2,0 Prozent oder 10.059 Menschen mehr als vor einem Jahr.
Gesunken ist im September auch die Unterbeschäftigung in NRW. Die Unterbeschäftigung setzt sich zusammen aus der Zahl der Menschen, die arbeitslos gemeldet sind und denjenigen, die Arbeitslosengeld oder Bürgergeld erhalten, dem Arbeitsmarkt jedoch nicht zur Verfügung stehen und daher nicht als arbeitslos gelten. Das kann zum Beispiel sein, wenn sie an einer abschlussorientierten Fördermaßnahme teilnehmen. Als unterbeschäftigt, aber nicht arbeitslos galten im September 220.266 Personen. Zählt man die Zahl der arbeitslos gemeldeten Menschen hinzu, erhält man die gesamte Unterbeschäftigung: Landesweit galten im September 932.704 Menschen als unterbeschäftigt. Das waren 6.480 Personen oder 0,7 Prozent weniger als einen Monat zuvor. Im Vergleich zum Vorjahr stieg die Zahl unterbeschäftigter Menschen um 41.267 Personen oder 4,6 Prozent.
Sozialversicherungspflichtige Beschäftigung
Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten ist während der Sommerferien im Juli 2023 um 25.000 Personen oder 0,3 Prozent zurückgegangen. Dennoch bleibt sie auf einem historisch hohen Niveau von annähernd 7,3 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Im Juli, als dem für die Beschäftigung aktuellsten statistischen Berichtsmonat, waren 7.252.700 Menschen in NRW sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Das waren 42.200 Personen oder 0,6 Prozent mehr als im Vorjahr. Zum Vergleich: Vor zehn Jahren lag die Zahl der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit einem sozial versicherten Job im Juli um rund 1,1 Millionen Beschäftigte niedriger – bei 6.182 Millionen Beschäftigten in NRW.
Vor allem qualifizierte Arbeitskräfte gesucht
Die Nachfrage nach Arbeitskräften lag im September bei 148.503 gemeldeten Stellen. Das waren 3.865 Stellen oder 2,5 Prozent weniger als einen Monat zuvor. Ein Rückgang im Bestand zum Beginn der Herbstbelebung ist durchaus üblich – die Stellen werden besetzt. Vor einem Jahr waren 26.384 oder 15,1 Prozent mehr offene Stellen bei den Arbeitsagenturen gemeldet. Von Unternehmen neu gemeldet wurden im September bei den Agenturen für Arbeit 25.423 oder 4.751 bzw. 15,7 Prozent weniger als ein Jahr zuvor.
Vor allem qualifizierte Arbeitskräfte werden von den Unternehmen in NRW gesucht. In den Agenturen für Arbeit und den Jobcentern waren im September 85.627 offene Stellen für Fachkräfte auf dem Niveau der dualen Berufsausbildung gemeldet. Das waren 57,7 Prozent aller angezeigten offenen Stellen. Diesen standen 184.786 arbeitslose Fachkräfte gegenüber – 4.415 Personen oder 2,3 Prozent weniger als einen Monat zuvor. Auf 100 offene Stellen für qualifizierte Fachkräfte mit einer abgeschlossenen dualen Berufsausbildung kamen damit rein statistisch im September 215 Bewerberinnen und Bewerber. Nicht berücksichtigt wird bei der statistischen Betrachtung, ob Angebot und Nachfrage auch räumlich und inhaltlich zueinander passen, also die gesuchten Berufe und die angebotenen zueinander passen oder Angebote und Nachfrage auch in derselben Region liegen. Für Menschen ohne aktuelle Ausbildung ist das Angebot deutlich schmaler: 33.104 Stellen oder 22,3 Prozent aller Arbeitsangebote waren für Helfertätigkeiten ausgeschrieben, also für an- und ungelernte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Im Vergleich zum Vorjahr entspricht das einem Verlust von 19,2 Prozent oder 7.886 Stellen. Ohne eine aktuelle Ausbildung arbeitslos gemeldet waren 401.697 Menschen – 1,2 Prozent oder 4.947 weniger als vor einem Monat. Hier kamen auf 100 offene Stellen für Helferinnen und Helfer 1.213 Bewerberinnen und Bewerber.
Ukrainische Kriegsgeflüchtete in NRW
Seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine am 24. Februar 2022 sind zahlreiche ukrainische Staatsangehörige vor der Kriegsgewalt nach Deutschland geflohen. Für alle geflüchteten Ukrainerinnen und Ukrainer besteht seit dem 1. Juni 2022 die Möglichkeit, einen Antrag auf Grundsicherung für Arbeitssuchende, seit dem 1. Januar 2023 für das Bürgergeld zu stellen.
In NRW waren im September rund 40.000 aus der Ukraine geflüchtete Personen in den Jobcentern arbeitslos gemeldet. Das waren rund 1.300 Personen weniger als im Vormonat. Die Zahl der Arbeitslosen ergibt sich aus der Differenz zwischen den vor dem Tag des russischen Überfalls und den im August in NRW arbeitslos gemeldeten ukrainischen Staatsangehörigen. Insgesamt waren bei den Jobcentern in NRW rund 146.000 geflüchtete Menschen mit ukrainischer Staatsangehörigkeit gemeldet. Darunter rund 46.000 Kinder und Jugendliche.
Die Beschäftigung von Ukrainerinnen und Ukrainern, die vor dem Krieg nach Deutschland geflohen sind, kann mit einer Wartezeit von zwei Monaten auf Grundlage einer Hochrechnung angegeben werden. Im Juli 2023 waren nach dieser Hochrechnung in NRW 35.500 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus der Ukraine beschäftigt. 27.100 gingen einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nach. Geringfügig waren 8.400 Personen beschäftigt. Die Zahl der beschäftigten geflohenen Menschen ergibt sich nun aus der Gegenüberstellung mit den Zahlen vom Februar 2022, dem Monat des russischen Überfalls auf die Ukraine. Damals waren in NRW 11.702 Ukrainerinnen und Ukrainer beschäftigt, davon 9.975 sozialversicherungspflichtig und 1.727 geringfügig.
Damit arbeiteten im Juli 2023 rund 23.100 ukrainische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mehr in NRW als vor dem Beginn des Krieges, davon 16.700 in einer sozialversicherungspflichtigen Anstellung.
Der Arbeitsmarkt in den NRW-Regionen im September
In NRW zeigte sich im September ein landesweit einheitliches Bild bei der Entwicklung der Arbeitslosigkeit. In allen Regionen und in allen Arbeitsagentur-Bezirken ging die Arbeitslosigkeit wie für den Beginn der Herbstbelebung üblich zurück.
In Südwestfalen sank im September die Arbeitslosigkeit um 2,3 Prozent oder 1.036 Personen im Vergleich zum Vormonat auf nun 43.384 arbeitslos gemeldete Menschen. Vor einem Jahr waren 3.433 Menschen oder 8.6 Prozent weniger arbeitslos gemeldet. Die aktuelle Arbeitslosenquote liegt bei 5,6 Prozent – 0,1 Punkte unter dem Vormonat und 0,4 Punkte über dem Vorjahr.
Im Rheinland sank die Arbeitslosigkeit im Vergleich zum Vormonat um 5.022 arbeitslos gemeldete Menschen oder 2,0 Prozent auf 245.844 Arbeitslose. Vor einem Jahr lag die Arbeitslosigkeit um 9.594 Personen oder 4,1 Prozent niedriger. Die Quote sank zum Vormonat um 0,1 Punkte auf nun 7,0 Prozent. Vor zwölf Monaten lag sie bei 6,8 Prozent.
In Ostwestfalen-Lippe sank die Zahl der Arbeitslosen im September um 1,9 Prozent oder 1.252 Personen auf 64.552 arbeitslos gemeldete Menschen. Vor einem Jahr waren in Ostwestfalen 5,0 Prozent oder 3.063 Menschen weniger arbeitslos gemeldet. Die Arbeitslosenquote sank um 0,1 Punkte auf 5,6 Prozent. Sie lag damit 0,2 Punkte höher als vor einem Jahr.
Im Bergischen Land waren im September 1.190 Personen oder 1,7 Prozent weniger arbeitslos gemeldet, als einen Monat zuvor. Mit 68.881 Arbeitslosen waren 2.160 Personen oder 3,2 Prozent mehr arbeitslos gemeldet als vor einem Jahr. Die Arbeitslosenquote sank im Vergleich zum Vormonat um 0,1 Punkte auf 7,0 Prozent. Vor einem Jahr lag sie bei 6,8 Prozent.
Im Münsterland sank die Arbeitslosigkeit im Vergleich zum Vormonat um 1,6 Prozent oder 705 Personen auf nun 43.722 arbeitslos gemeldete Menschen. Im Vergleich zum Vorjahr stieg die Arbeitslosigkeit um 5.009 Personen oder 12,9 Prozent. Die Arbeitslosenquote lag bei 4,6 Prozent und damit 0,1 Punkte niedriger als einen Monat zuvor. Vor einem Jahr lag die Quote mit 4,1 Prozent 0,5 Punkte unter der aktuellen Größe.
Im Ruhrgebiet ging die Zahl der arbeitslos gemeldeten Menschen um 1,4 Prozent oder 3.518 Personen zurück. Mit 246.055 Arbeitslosen waren im September 7.384 Personen oder 3,1 Prozent mehr arbeitslos gemeldet als vor einem Jahr. Die Quote lag im abgelaufenen Monat bei 9,9 Prozent und damit 0,2 Prozentpunkte unter dem Vormonatsniveau. Vor zwölf Monaten lag sie bei 9,7 Prozent.
Weitere Informationen:
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