„Die Sommerpause allein kann die Höhe des Anstiegs der Arbeitslosigkeit im August nicht erklären“, sagte Roland Schüßler, Vorsitzender der Geschäftsführung der Bundesagentur für Arbeit in NRW. „Man hätte eine Zunahme der Arbeitslosigkeit von bis zu 5.000 Personen erwarten können. Hinzu kommt eine schwache konjunkturelle Entwicklung in NRW, die auch den Arbeitsmarkt belastet.“
Ein Anstieg der Arbeitslosigkeit während der drei Sommermonate ist durchaus üblich. Vor allem junge Menschen unter 25 Jahren melden sich nach Abschluss von Schule oder Ausbildung vorübergehend arbeitslos, hinzu kommt das Auslaufen befristeter Arbeitsverträge. Gerade bei den Jüngeren sinkt die Zahl der Arbeitslosen dann ab September, weil das Ausbildungsjahr mit Beginn September endgültig startet oder sie ihren ersten Job als qualifizierte Fachkraft antreten. „Das werden wir auch in den kommenden Monaten beobachten“, sagte Schüßler.
Neben diesen sogenannten saisonalen spielen jedoch auch konjunkturelle Gründe für den Anstieg der Arbeitslosigkeit im August und in den Sommermonaten eine Rolle. Besonders augenfällig ist das bei den jungen Arbeitslosen: „Ein Anstieg der sogenannten Jugendarbeitslosigkeit im August um 5,2 Prozent ist stärker als üblich. Die ersten Ausbildungs- und auch Arbeitsverhältnisse beginnen bereits zum 1. August, wodurch in der Regel die Arbeitslosigkeit entlastet wird. Der starke Anstieg bei den jungen Menschen zeigt deutlich die aktuelle Zurückhaltung bei der Besetzung von Stellen, die unter anderem konjunkturelle Gründe hat.“ Für Menschen, die arbeitslos sind, bleibt es damit weiter schwer, in einen neuen Job zu kommen und ihre Arbeitslosigkeit zu beenden: „Unternehmen melden schon seit einiger Zeit wenige neue Stellen. Dass gleichzeitig die Zahl der offenen Stellen weiterhin mit 138.000 sehr hoch liegt, hat damit zu tun, dass Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber bei der Besetzung zögern. Die durchschnittliche Vakanzzeit bei der Besetzung liegt derzeit bei sechs Monaten oder 173 Tagen. Manche Stelle wird für einige Zeit geradezu auf Eis gelegt.“
Insgesamt, sagte der Arbeitsmarktexperte, „wirkt der Arbeitsmarkt im aktuellen Monat – nach einer ungewöhnlichen Dynamik im Juli – derzeit wieder wie eingefroren. Positiv ist, dass sich weniger Menschen als im Vormonat arbeitslos melden mussten. Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber setzen weiterhin darauf, ihr Personal auch bei schwieriger wirtschaftlicher Situation zu halten. Die Kehrseite ist, dass deutlich weniger arbeitslose Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen neuen Job finden konnten. Sie bleiben arbeitslos. Das führt derzeit Monat für Monat zu einem schrittweisen Anstieg der Zahl der Arbeitslosen.“
Zum Start des Ausbildungsjahres in NRW zieht die Regionaldirektion NRW der Bundesagentur für Arbeit heute gemeinsam mit der Industrie- und Handelskammer NRW, der Handwerkskammer NRW und den Freien Berufen eine Zwischenbilanz am Ausbildungsmarkt. Das Bild fällt dabei gemischt aus. Die wirtschaftliche Schwächephase wirkt sich nicht grundlegend auf den Ausbildungsmarkt aus, der nach Auskunft der Partner weitgehend stabil auf dem Niveau des Vorjahres bleibt. Allerdings haben sich im aktuellen Jahr mehr Jugendliche für eine Ausbildung entschieden als in den vergangenen Jahren: „Auch mit Blick auf die demografische Entwicklung in den Unternehmen wäre es wichtig, wenn wir alle diese jungen Menschen – übertragen gesprochen – an die Werkbank bekommen würden. Es gibt in vielen Berufsbereichen aktuell noch viele freie Ausbildungsangebote, die in diesem Jahr besetzt werden können.“ Dabei nimmt die Zahl ausländischer Bewerberinnen und Bewerber weiter zu, im Vergleich zum letzten Jahr um 13,7 Prozent oder 2.750 Jugendliche. Darunter sind auch viele Bewerberinnen und Bewerber aus den Asylherkunftsländern und der Ukraine, sagte Schüßler. Insgesamt hat mehr als ein Fünftel aller Bewerberinnen und Bewerber auf einen Ausbildungsplatz oder 22,3 Prozent einen ausländischen Pass.
Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung
773.115 Menschen waren im August in NRW arbeitslos gemeldet. Damit stieg im Vergleich zum Vormonat die Arbeitslosigkeit um 1,3 Prozent oder 9.733 arbeitslos gemeldete Personen. Auch im Vergleich zum Vorjahr stieg die Arbeitslosigkeit – um 6,6 Prozent oder 47.954 Personen. Die Arbeitslosenquote legte im Vergleich zum Vormonat um 0,1 Punkte auf 7,7 Prozent zu. Vor einem Jahr lag sie bei 7,4 Prozent.
Den stärksten Anstieg gab es im August in der Personengruppe junger Menschen unter 25 Jahren. Mit 72.609 Personen waren 5,2 Prozent oder 3.562 junge Menschen mehr arbeitslos gemeldet als vor einem Monat. Bei den Frauen stieg die Arbeitslosigkeit stärker als bei den Männern – um 2,2 Prozent oder 7.695 Personen auf 352.828 arbeitslose Frauen. Im Vergleich zum Vormonat legte die Arbeitslosigkeit bei den Männern um 2.038 Personen oder 0,5 Prozent auf 420.287 Personen zu.
Die Arbeitslosigkeit stieg im August stärker im Aufgabenbereich der Jobcenter, der Grundsicherung, als in der Arbeitslosenversicherung bzw. dem Arbeitslosengeld, dem Aufgabenbereich der Arbeitsagenturen. Im aktuellen Monat bezogen 231.772 Menschen Arbeitslosengeld. Das waren 2.268 Personen oder 1,0 Prozent mehr als vor einem Monat und 26.076 Menschen oder 12,7 Prozent mehr als vor einem Jahr. Im Aufgabenbereich der Jobcenter, dem Bürgergeld bzw. der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Sozialgesetzbuch II (SGB II), stieg die Zahl der Arbeitslosen um 1,4 Prozent oder 7.465 Personen. Insgesamt waren bei den Jobcentern im August 541.343 Menschen arbeitslos gemeldet – 4,2 Prozent oder 21.878 Personen mehr als vor einem Jahr.
Nur geringfügig – um 0,5 Prozent zum Vormonat – legte die Unterbeschäftigung zu. Das waren 4.417 Personen mehr als vor einem Monat. Der Anstieg in der Unterbeschäftigung fällt also deutlich geringer aus als in der Arbeitslosigkeit. Landesweit galten 967.697 Menschen als unterbeschäftigt. Vor einem Jahr waren es 29.041 Personen oder 3,1 Prozent weniger. Die Unterbeschäftigung setzt sich zusammen aus der Zahl der Menschen, die arbeitslos gemeldet sind und denjenigen, die Arbeitslosengeld oder Bürgergeld erhalten, dem Arbeitsmarkt jedoch nicht zur Verfügung stehen und daher nicht als arbeitslos gelten. Das kann zum Beispiel sein, wenn sie an einer abschlussorientierten Fördermaßnahme teilnehmen. Als unterbeschäftigt, aber nicht arbeitslos galten im August 194.582 Personen. Zählt man die Zahl der arbeitslos gemeldeten Menschen hinzu, erhält man die gesamte Unterbeschäftigung.
Sozialversicherungspflichtige Beschäftigung
Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten liegt in NRW weiterhin auf höchstem Niveau. Im Juni, dem aktuell hochgerechneten Datenstand für die Beschäftigung, waren 7.333.900 Menschen sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Das waren 0,1 Prozent oder 10.300 Personen weniger als einen Monat zuvor. Damit waren in NRW im Juni 52.600 Menschen oder 0,7 Prozent mehr in einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis gemeldet als vor einem Jahr. Ein Rückgang der Beschäftigung im Juni ist üblich. Im Juni wurde trotz geringem Rückgang in der Beschäftigung für diesen Monat ein neuer historischer Höchststand erreicht. Zehn Jahre zuvor, im Juni 2014, lag die Zahl der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit einem sozialversicherungspflichtigen Job noch rund 1,1 Millionen Beschäftigte niedriger.
Ein näherer Blick auf die Entwicklung der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung zeigt die wichtige Rolle ausländischer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Ohne sie wäre es im vergangenen Jahr rechnerisch nicht zu einem Beschäftigungswachstum gekommen. Von Februar 2023 bis Februar 2024 (aktuelle Zahlen für Staatsangehörigkeiten) ist die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in NRW insgesamt um 35.408 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gestiegen. Im selben Zeitraum hat sich die Zahl ausländischer Beschäftigter um 55.840 Personen auf 1.098.828 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte erhöht. Im Gegenzug ist – vor allem aus demografischen Gründen – die Zahl der deutschen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in NRW um 20.433 Personen auf 6.224.589 Beschäftigte zurückgegangen. Den größten Anteil am Wachstum haben Angehörige von Drittstaaten mit 50.943 sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten. Die übrigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer stammen aus dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) und der Schweiz.
Unternehmen suchen vor allem qualifizierte Arbeitskräfte
Im August waren bei den Arbeitsagenturen 137.531 offene Stellen gemeldet. Das waren 90 oder 0,1 Prozent weniger als einen Monat zuvor. Vor zwölf Monaten waren bei den Arbeitsagenturen in NRW 14.837 oder 9,7 Prozent offene Stellen mehr gemeldet. Neu gemeldet wurden den Arbeitsagenturen im August 23.527 Stellen.
Der Arbeitsmarkt in NRW ist zweigeteilt: Die Unternehmen suchen vor allem qualifizierte Arbeitskräfte. Die Mehrzahl der arbeitslosen Bewerberinnen und Bewerber verfügen jedoch nur über geringe Qualifikationen.
In den Agenturen für Arbeit und den Jobcentern waren im August 78.759 offene Stellen für Fachkräfte auf dem Niveau der dualen Berufsausbildung gemeldet. Das waren 57,3 Prozent aller angezeigten offenen Stellen. Diesen standen 206.666 arbeitslose Fachkräfte gegenüber – 779 Personen oder 0,4 Prozent mehr als einen Monat zuvor. Auf 100 offene Stellen für qualifizierte Fachkräfte mit einer abgeschlossenen dualen Berufsausbildung kamen damit rein statistisch 262 Bewerberinnen und Bewerber.
Das Angebot offener Stellen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ohne (aktuelle) Ausbildung ist deutlich kleiner: 30.454 Stellen oder 22,1 Prozent, also nur wenig mehr als ein Fünftel aller Arbeitsangebote waren für Helfertätigkeiten ausgeschrieben, also für an- und ungelernte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Ohne eine (aktuelle) Ausbildung arbeitslos gemeldet waren 433.159 Menschen. Das waren mit 56,0 Prozent mehr als die Hälfte aller Arbeitslosen. Auf 100 offene Stellen für Helferinnen und Helfer kamen 1.422 Bewerberinnen und Bewerber ohne Ausbildung.
Nicht berücksichtigt wird bei der statistischen Betrachtung, ob Angebot und Nachfrage auch räumlich und inhaltlich zueinander passen, also die gesuchten und die angebotenen Berufe zueinander passen oder Angebot und Nachfrage auch in derselben Region liegen.
Geflüchtete Menschen aus der Ukraine
Seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges im März 2022 konnten viele der nach Deutschland geflohenen Ukrainerinnen und Ukrainer eine Beschäftigung in NRW aufnehmen.
Sozialversicherungspflichtig beschäftigt waren im Juni 2024 – dem aktuellen Datenstand für die Beschäftigung – 37.000 Ukrainerinnen und Ukrainer. Seit Beginn des Krieges stieg damit die Zahl der sozialversicherungspflichtigen ukrainischen Beschäftigten um rund 27.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Von Mai auf April legte laut Hochrechnung die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung bei Ukrainerinnen und Ukrainern um 1.300 Personen zu.
Insgesamt – darunter auch in geringfügiger Beschäftigung – arbeiteten in NRW 48.100 Ukrainerinnen und Ukrainer. Das waren rund 36.400 ukrainische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mehr als vor dem Beginn des Krieges.
Arbeitslos gemeldet waren im August in NRW 49.249 ukrainische Staatsangehörige.
Der Arbeitsmarkt in den NRW-Regionen im August
Im Vergleich zum Vormonat fiel der Anstieg der Arbeitslosigkeit geringer aus, lag aber höher als für den August üblich.
Im Münsterland stieg die Arbeitslosigkeit im Vergleich zum Vormonat um 2,3 Prozent oder 1.128 Personen auf 49.440 arbeitslos gemeldete Menschen. Das waren 5.013 Personen oder 11,3 Prozent mehr als vor einem Jahr. Die Arbeitslosenquote stieg im Vergleich zum Vormonat um 0,1 Punkte auf 5,1 Prozent. Vor einem Jahr lag die Quote 0,4 Punkte niedriger.
Im Rheinland waren im August mit 268.398 Arbeitslosen 3.878 Personen oder 1,5 Prozent mehr arbeitslos als einen Monat zuvor. Vor einem Jahr lag die Arbeitslosigkeit um 17.532 Personen oder 7,0 Prozent niedriger. Die Quote stieg um 0,1 Punkte auf 7,5 Prozent. Vor zwölf Monaten betrug sie 7,1 Prozent.
Im Bergischen Land waren 966 Menschen oder 1,3 Prozent mehr arbeitslos gemeldet als einen Monat zuvor. Mit 73.627 Arbeitslosen waren 3.556 Personen oder 5,1 Prozent mehr arbeitslos als vor einem Jahr. Die Arbeitslosenquote nahm um 0,1 Punkte auf 7,4 Prozent zu. Vor einem Jahr lag sie bei 7,1 Prozent.
Im Ruhrgebiet stieg innerhalb eines Monats die Zahl der Arbeitslosen um 1,1 Prozent oder 2.762 Personen auf nun 258.625 arbeitslos gemeldete Menschen. Damit waren im August 9.052 Personen oder 3,6 Prozent mehr arbeitslos gemeldet als vor einem Jahr. Die Quote lag im abgelaufenen Monat bei 10,3 Prozent – 0,1 Punkte höher als im Vormonat und 0,2 Punkte über dem Stand von vor zwölf Monaten.
In Südwestfalen stieg die Zahl der arbeitslos gemeldeten Menschen um 0,9 Prozent oder 454 Personen. Insgesamt galten 49.140 Personen als arbeitslos. Vor einem Jahr waren 4.720 Menschen oder 10,6 Prozent weniger arbeitslos gemeldet. Die Arbeitslosenquote lag bei 6,2 Prozent und damit auf dem Niveau des Vormonats. Vor einem Jahr lag sie um 0,5 Punkte niedriger.
In Ostwestfalen-Lippe stieg die Zahl der arbeitslos gemeldeten Männer und Frauen im August um 0,7 Prozent oder 545 Personen auf 73.885 arbeitslos gemeldete Menschen. Vor einem Jahr waren in Ostwestfalen 12,3 Prozent oder 8.081 Menschen weniger arbeitslos gemeldet. Die Arbeitslosenquote stieg um 0,1 Punkte zum Vormonat – auf jetzt 6,4 Prozent – 0,7 Punkte höher als im Vorjahr.
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