Im Land Bremen wurden den Agenturen für Arbeit für den Ausbildungsstart im Herbst 2022 bislang 4.852 freie Stellen gemeldet, 0,8 Prozent mehr als vor einem Jahr. Zugleich ließen sich 4.186 Jugendliche als Bewerberin bzw. Bewerber registrieren, das sind 0,5 Prozent weniger als im Vorjahr. In den Jahren vor Corona lagen Angebot und Nachfrage dichter zusammen. Neben der demografischen Entwicklung und der hohen Studierneigung machen die Folgen von Corona dem Ausbildungsmarkt zusätzlich zu schaffen. Weniger Berufsorientierung und ausgefallene Praktika, kombiniert mit wirtschaftlichen Unsicherheiten lassen immer mehr Jugendliche einen längeren Schulbesuch dem Einstieg ins Berufsleben vorziehen. Das Land Bremen profitiert zwar von Jugendlichen, die im niedersächsischen Umland wohnen und nach Bremen pendeln, es gibt aber trotzdem insgesamt zu wenig Nachwuchs.
„Die Lage spitzt sich für Betriebe über die Jahre immer mehr zu, aber für Jugendliche sind die Chancen in vielen Ausbildungsberufen besser denn je – wenn sie sich denn für eine Ausbildung entscheiden“, erklärt Johannes Pfeiffer, Chef der Regionaldirektion Niedersachsen-Bremen der Bundesagentur für Arbeit. Vor allem für Betriebe mit Ausbildungsstellen im Verkauf von Lebensmitteln, in der Lebensmittelherstellung, in der Gastronomie, im Handel und bei Versicherungen/Finanzdienstleistungen war es in diesem Jahr extrem schwer, Auszubildende zu finden. Aber auch in stärker nachgefragten Bereichen wie Arzt- und Praxishilfe, Büro und Sekretariat, in der Fahrzeug-Luft-Raumfahrt-Schiffbautechnik sowie in der Holzverarbeitung liegen Angebot und Nachfrage inzwischen oftmals so eng beieinander, dass es schwierig ist, passende Nachwuchskräfte zu finden.
Im Juli waren noch 2.186 Stellen unbesetzt und noch 1.623 Jugendliche auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz. Arbeitsmarktexperte Pfeiffer rät jetzt im Schluss-Spurt sowohl Betrieben als auch Ausbildungssuchenden zu mehr Flexibilität: „Arbeitgeber sind gut beraten, auch Jugendlichen eine Chance zu geben, die Schwächen bei den Schulnoten oder Sprachkenntnissen mitbringen. Die Arbeitsagenturen bieten viele Förderungen, beispielsweise für erhöhten Betreuungsbedarf oder ganz praktischen Nachhilfeunterricht, damit eine Ausbildung doch gelingt. Und Jugendliche, die noch keinen Platz haben, sollten sich so schnell wie möglich an die Berufsberatung wenden. Wenn nicht im Wunschberuf, gibt es vielleicht in verwandten Zweigen Chancen, die sie nutzen können.“
Eine prägende Rolle spielen inzwischen geflüchtete Jugendliche. 574 Bewerberinnen und Bewerber im Land Bremen stammen aus Syrien, dem Irak und anderen Asylherkunftsländern, das ist etwa jede bzw. jeder Siebte. Und künftig kommen noch junge Leute aus der Ukraine hinzu. „Ohne geflüchtete Jugendliche wäre die Bewerberlücke auf dem Ausbildungsmarkt erheblich größer. Diese jungen Menschen in Betriebe zu integrieren, kann – inkl. Förderungen bei Bedarf – zur Win-Win-Situation für alle Beteiligten werden“, betont Pfeiffer.
Die Bundesagentur für Arbeit hat sich das Ziel gesetzt: „Niemand darf verloren gehen – unabhängig von den Startbedingungen.“ Deshalb hat sie ihre Berufsberatung neu aufgestellt. Dazu gehört, dass die Beratung in den Schulen deutlich ausgebaut wurde. Sie beginnt nun schon bis zu drei Jahre vor dem Schulabschluss, findet auch flächendeckend in der Oberstufe statt sowie vermehrt in den beruflichen Schulen / Berufsschulen. Auch Hochschulen sind stärker in den Fokus gerückt, um Studienabbrecher auf ihre Möglichkeiten aufmerksam zu machen. Ein zweites Standbein, das stark ausgebaut wurde, sind die Online-Angebote. Sie reichen von einem neuen spielerischen Einstieg für Siebtklässler bis hin Angeboten für Abiturienten und junge Erwachsene. Ein besonderes Highlight ist das wissenschaftlich fundierte Testverfahren „CheckU“. In der Auswertung werden Interessen und Talente deutlich, sowie Berufsbereiche genannt, die dazu passen könnten. Früher waren solche Tests teuer, heute bietet die BA sie kostenlos und online an, sodass jeder ein Kompetenzprofil für sich erstellen kann.