Kreis Recklinghausen. Im gemeinsamen Pressegespräch zogen Frank Benölken (Leiter der Agentur für Arbeit Recklinghausen), Carsten Taschner (Fachdienstleiter Jobcenter Kreis Recklinghausen), Knut Heine (stellvertretender Hauptgeschäftsführer Handwerkskammer Münster), Carsten Taudt (Geschäftsbereichsleiter Bildung IHK Nord Westfalen), Ludger Blickmann (Leiter Kreishandwerkerschaft Recklinghausen) und Mark Rosendahl (DGB-Regionsgeschäftsführer Emscher Lippe) die Bilanz zum Berufsberatungsjahr 2021/2022.
In diesem Jahr sind zwei Effekte auf dem Ausbildungsmarkt deutlich zu beobachten: Das Ausbildungsinteresse von Jugendlichen hat sich weiter deutlich nach unten korrigiert, denn Ausbildung wird vielfach nicht mehr als attraktiv genug empfunden. Zum anderen ändert auch die verbesserte Stellen-Bewerber-Relation nichts daran, dass der Ausbildungsmarkt im Vest am Ende des Jahres unausgeglichen bleibt, wenngleich auf besserem Niveau als in den Vorjahren. Auf beiden Seiten führt dies zu Problemen: Während Betriebe dem sinkenden Angebot an Bewerbern mitunter machtlos gegenüberstehen und keine passende Lösung ihres Fachkräfteproblems finden, verlieren sich immer mehr junge Menschen in der Orientierungslosigkeit und schlagen viel zu früh das Angebot einer qualifizierten Berufsausbildung aus, ohne für sich eine zukunftsweisende Alternative gefunden zu haben.
Für die Partner auf dem Ausbildungsmarkt eine nicht zufriedenstellende Situation. Denn dass nach wie vor Stellen unbesetzt und junge Menschen ohne qualifizierte Perspektive bleiben, ist alarmierend, zumal die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen von deren Qualifikationsniveau abhängt. Ebenso gewinnen Schulabgänger während einer Berufsausbildung an Lebens- und Berufserfahrung, die sie unentbehrlich für den Arbeitsmarkt macht. Wer mit einer abgeschlossenen Ausbildung nach einer Festanstellung sucht, hat es oftmals leichter als Studienabsolventen, bei denen praktische Erfahrungen während des Studiums noch zu kurz gekommen sind.
Trotz der jahrelangen intensiven Bemühungen aller Partner, das Image der dualen Ausbildung aufzuwerten und junge Menschen vom nachhaltigen Wert einer Berufsausbildung zu überzeugen, distanzieren sich viele von ihnen von den betrieblichen Angeboten. In diesem Jahr wurden über 300 Interessenten weniger gezählt und damit fehlt der Region ein erhebliches Potenzial an zukünftigen Fachkräften. Dies liegt insbesondere in der Tatsache begründet, dass dieser der am intensivsten durch die Pandemie betroffene Schülerjahrgang war. So hat in den zwei Jahren vor Schulentlassung aufgrund pandemiebedingter Schulschließungen kaum persönlicher Kontakt zwischen Berufsberatern und Jugendlichen stattfinden können, was nicht selten zu Orientierungslosigkeit und nachlassenden Entscheidungsfreudigkeit aufgrund erhöhter Zukunftssorgen geführt hat. Doch auch dieser nachvollziehbare Grund lässt nicht vermuten, dass sich das Interesse an betrieblicher Ausbildung im nächsten Jahr automatisch wieder erhöht. Vielmehr sollte daher gerade das Angebot von Praktika und erlebbarer Berufsorientierung deutlich gesteigert werden, um den Kontakt zu potenziellen Bewerbern aufzubauen und sukzessive zu intensivieren. Dafür wollen die Partner verstärkt die Eltern als erste und wichtigste Ratgeber ihrer Kinder einbeziehen und ihnen Karrieretypen fernab von akademischen Abschlüssen aufzeigen und so mit alten Stereotypen aufräumen.
An Jugendliche richten die Akteure den dringenden Appell, die eigene Zukunftsplanung nicht zu sehr von äußeren Umständen abhängig zu machen oder gar dem Zufall zu überlassen. Eigeninitiative ist gefragt, wenn es darum geht, den für sich richtigen Weg zu finden. Und selbst dann, wenn die Vorzeichen aufgrund der Pandemie nicht optimal sind, darf eines nicht aus dem Blickfeld geraten: Nie zuvor hatten junge Menschen nach der Schule ein so vielfältiges Angebot an betrieblichen Ausbildungsstellen und damit so viele Chancen wie heute.
Arbeitsagentur, Jobcenter und Kammern beraten und informieren Betriebe in allen Fragen rund um das Thema Ausbildung.
Jugendliche, die sich beruflich orientieren möchten, können sich jederzeit bei der Berufsberatung unter der Recklinghäuser Hotline 02361 / 40-2021 oder der zentralen Hotline 0800 / 4 5555 00 melden. Arbeitgeber können jederzeit freie Arbeits- und Ausbildungsplätze melden unter 0800 / 4 5555 20.
Die Bilanz auf einen Blick:
- 4.467 Ausbildungsplatzbewerber
- 3.631 gemeldete Ausbildungsstellen
- 2.007 junge Menschen beginnen eine Ausbildung
- 112 Bewerber sind noch nicht versorgt
- 36 Ausbildungsstellen sind noch zu besetzen