"Trotz Inflation und Energiekrise haben die Unternehmen an ihrem Personal festgehalten und auch neue Kräfte eingestellt", bilanziert Zwilling. Das habe unter anderem dazu geführt, das mit 171.688 Personen (Stand Juni 2023) die Beschäftigung auf einem Rekordhoch lag. Damit waren es 1.837 sozialversicherungspflichtige Beschäftigte mehr als vor einem Jahr. "Das zeigt, dass der Arbeitsmarkt weiterhin stabil ist und in grundsätzlich sehr krisenfest reagiert hat," so Zwilling.
Allerdings lag die Arbeitslosigkeit im Jahresschnitt 2023 höher als noch im Jahr 2022. Mit 11.895 Arbeitslosen waren es 1.258 mehr als im Vorjahr. Die Arbeitslosenquote stieg gegenüber dem Vorjahr um 0,5 Prozentpunkte auf 4,6 Prozent. Damit lag sie so hoch wie seit 2016 nicht mehr. "Eine steigende Beschäftigung und eine steigende Arbeitslosigkeit klingen zunächst widersprüchlich," so Zwilling. Er erklärt aber: "Unternehmen halten an ihren Mitarbeitern fest, das bedeutet, es werden möglichst wenige Entlassungen ausgesprochen. Gleichzeitig werden Fachkräfte eingestellt, denn der Bedarf an Ihnen ist groß. Das führt unteranderem dazu, dass die Beschäftigung steigt." Gleichzeitig sind viele Menschen aus der Ukraine als Geflüchtete zu uns gekommen. Sie haben sich im Laufe des Jahres arbeitslos gemeldet, um hier eine berufliche Tätigkeit zu finden. "Dieser Sondereffekt ist im Wesentlichen für den Anstieg der Arbeitslosigkeit verantwortlich," verdeutlicht der Arbeitsmarktexperte.
Der Arbeitsmarkt im Bereich der Arbeitslosenversicherung (SGB III)
Die Zahl der arbeitslos gemeldeten Personen in der von der Agentur für Arbeit Rheine betreuten Arbeitslosenversicherung (SGB III) ist im Jahr 2023 gegenüber dem Vorjahr angestiegen. So waren im Jahresdurchschnitt 6.588 Arbeitslose bei der Arbeitsagentur gemeldet, 619 mehr als im Jahr 2022. Gleichzeitig sind es aber weniger als noch 2021 (-45). Die Arbeitslosenquote lag im Bereich der Arbeitslosenversicherung bei 1,5 Prozent und damit um 0,2 Prozentpunkte höher als im Vorjahr.
"Es hat sich im vergangenen Jahr sehr deutlich gezeigt, dass Menschen, die eine Ausbildung haben und gut qualifiziert sind, am Arbeitsmarkt beste Chancen haben. Sie sind seltener arbeitslos und bei den Arbeitgebern sehr gefragt", erklärt Zwilling. Er ergänzt: "Es wurde aber auch deutlich, dass Menschen, die keine Ausbildung haben oder geringqualifiziert sind, derzeit den größten Teil der Arbeitslosen ausmachen." Genau aus diesem Grund ermöglichte die Arbeitsagentur Rheine im vergangenen Jahr mehr als 3.000 Menschen eine berufliche Weiterbildung. Darunter waren nicht nur Arbeitslose und Arbeitsuchende, sondern auch Geringqualifizierte, die bereits in Beschäftigung sind. "Fachkräfte werden am Arbeitsmarkt dringend benötigt. Wenn wir Menschen qualifizieren, bieten wir ihnen bessere Zukunftsperspektiven und können gleichzeitig die Fachkräftelücke bei den Unternehmen verkleinern", ordnet Zwilling ein.
Die Unternehmen und Verwaltungen im Bezirk der Agentur für Arbeit Rheine meldeten im vergangenen Jahr 6.851 freie Stellen bei der Arbeitsagentur, 1.229 weniger als noch im Jahr 2022. Damit ist es der tiefste Wert seit mindestens 10 Jahren. "Natürlich merken wir, dass es bei den Arbeitgebern aufgrund der zahlreichen Krisen, beispielsweise im Energiesektor, bei Inflation und bei den Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine, eine gewisse Zurückhaltung bei Neueinstellungen gibt. Dennoch ist die Nachfrage nach Personal insgesamt nach wie vor auf einem guten Niveau", erklärt Zwilling. So lag der Bestand an gemeldeten offenen Stellen im Jahresschnitt bei 4.089, was dem dritthöchsten Wert der letzten zehn Jahre darstellt. "Offene Stellen bleiben leider länger unbesetzt, denn da die benötigten Fachkräfte am Markt kaum zu finden sind," so Zwilling.
Er rät Betrieben dazu, nach Talenten im Unternehmen Ausschau zu halten, um diese zu qualifizieren: "Ein angelernter Mitarbeiter hat vielleicht das Potenzial für eine andere Tätigkeit, die gerade unbesetzt ist. Mit einer Weiterbildung lässt er sich dafür qualifizieren, um die Vakanz so zu besetzen." Er betont, dass es seitens der Arbeitsagentur auch zahlreiche Fördermöglichkeiten für Menschen in Beschäftigung gibt: "Unsere Experten beraten da sehr gerne."
Ausblick auf 2024
"Prognosen gehen davon aus, dass die meisten Branchen auch 2024 ein Wachstum an sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten verzeichnen werden", blickt Zwilling voraus, der den Arbeitsmarkt damit auch im vor uns liegenden Jahr als robust einstuft. Wie sich die Arbeitslosigkeit entwickelt, lässt sich nach seiner Einschätzung schwer voraussagen, insbesondere, weil es hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung viele Einflussfaktoren gibt. Allerdings sieht er weiterhin einen hohen Bedarf an Fachkräften: "Gut Qualifizierte Menschen werden am Arbeitsmarkt noch wertvoller und haben damit beste Chancen", so Zwilling. Er fügt hinzu: "Daher werden wir auch in 2024 besonders intensiv in die Weiterbildung Geringqualifizierter investieren."